So gefährlich leben Journalisten
Journalistenwerden immer häufiger getötet.

Der Fall Daphne Caruana Galizia – so gefährlich leben Journalisten

Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia in ihrer Heimat durch eine Autobombe getötet wurde. Galizia gehörte dem Team des „International Consortium of Investigative Journalists“ an, das im April 2016 die „Panama Papers“ veröffentlichte. Die Zahl der Medienvertreter, die für die Pressefreiheit sterben, steigt seit Jahren an und viele Regierungen sehen untätig zu.

Daphne Caruana Galizia wurde mit ihren investigativen Recherchen zu den Panama Papers international bekannt – Bis zu 400.000 Leser verfolgten regelmäßig ihren Blog. 

Offiziell gibt es noch keine Spur zu den Urhebern des Attentats. Erste Ermittlungen der Polizei ergaben, dass das Auto der 53-Jährigen am Montag unweit ihres Zuhauses in Bidnija mit dem Plastiksprengstoff Semtex in die Luft gesprengt wurde, wie die "Times of Malta" am Mittwoch unter Berufung auf Polizeikreise berichtete. Dem staatlichen TV-Sender TVM zufolge hatte sich Daphne Caruana Galizia vor zwei Wochen an die Polizei gewandt, weil sie Morddrohungen erhalten habe. 

Brisante Enthüllungen

Die 53 Jahre alte Journalistin war für ihre unnachgiebige Berichterstattung über die Missstände in Malta berüchtigt. Sie recherchierte im Bankensektor und der damit verbundenen Geldwäsche, über Maltas Geschäfte im Onlineglücksspiel, sowie über die Mafia. Unter anderem hatte die Journalistin Maltas Regierungschef Muscat Korruption vorgeworfen. Muscat selber sagte, Galizia sei seine schärfste Kritikerin gewesen, dennoch sei diese "barbarische Tat" durch nichts zu rechtfertigen. International bekannt wurde sie im Zuge der Recherche zu den Panama Papers: Durch ihre Berichte hatte die Journalistin erreicht, dass Muscat vorgezogene Neuwahlen ausrief. Trotz der Affäre gewann er die Wahlen und kehrte ins Amt zurück. 

Außerdem steht Muscats Frau im Verdacht, Bestechungsgelder auf geheimen Konten in Panama versteckt zu haben. Vorwürfe im Zusammenhang mit Offshorekonten richteten sich auch gegen den Energieminister sowie gegen Muscats Kabinettschef. 

Steuerhinterziehung und Geldwäsche 

Die Enthüllung der Panama Papers im April 2016 hatte etliche wohlhabende und einflussreiche Politiker, etwa den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, den russischen Präsidenten Wladimir Putin oder den ehemaligen isländischen Ministerpräsidenten Sigmundur Davíð Gunnlaugsson mit Briefkastenfirmen in Steueroasen in Verbindung gebracht. Die Einrichtung solcher Firmen ist an sich nicht illegal, sie können aber für Steuerhinterziehung und Geldwäsche genutzt werden.

Delia fordert Rücktritt von Muscat

Muscat, der vom Oppositionsführer Adrian Delia von der konservativ-christlichen Partei wegen fehlender Schutzmaßnahmen für die getötete Journalistin zum Rücktritt gefordert wird, behauptet, dass Daphne Caruana Galizia Polizeischutz verweigert habe.

Auf ihrem Blog „Running Commentary“ schrieb Galizia in den vergangenen Wochen jedoch über Morddrohungen und nahm zudem das Umfeld von Oppositionsführer Delia und seinen vermeintlichen Verbindungen zu Drogenhändlern unter die Lupe. 

Hat Daphne Caruana Galizia den Anschlag erahnt?

Vor dem Anschlag auf die Bloggerin seien in Malta in den vergangenen zwölf Monaten bereits fünf weitere Menschen durch Bomben getötet worden. Daphne Caruana Galizia habe gewusst, dass sie gefährlich lebte: Vor wenigen Wochen habe sie sich noch wegen Morddrohungen bei den Behörden gemeldet. Zu ihrem Schutz sei aber nichts unternommen worden. 

„Wo du auch hinschaust, überall sind Gauner. Die Lage ist hoffnungslos“, schrieb sie am Montag um 14.35 Uhr. Es war der letzte Eintrag in ihren Blog – 25 Minuten später war sie tot.

Galizia’s Söhne fordern Rücktritt von Muscat

Mehrere Staats-und Regierungschefs der EU, die sich für einen Gipfel in Brüssel versammelten, fordern eine umfassende internationale Untersuchung des Anschlags, sowie die Prüfung Maltas auf Rechtstaatlichkeit. Zudem solle das Thema in der kommenden Woche im EU-Parlamentsplenum auf die Tagesordnung kommen. 

Galizia‘s drei Söhne, Paul, Andrew und Matthew – auch ein preisgekrönter investigativer Reporter – haben Muscat dazu aufgerufen, zurückzutreten und die Polizei-Kommissarin und den Generalstaatsanwalt durch Beamte zu ersetzen, die keine Angst vor ihm haben. Auf Facebook schrieben die Söhne: „Wir sind nicht an Gerechtigkeit ohne Wandel interessiert! Wir wollen keine kriminelle Schuldsprechung, die den Menschen in der Regierung noch dabei hilft vom Tod unserer Mutter zu profitieren, weil sie sich dann wegdrehen und sagen können, dass Gerechtigkeit gesprochen wurde. Gerechtigkeit wird nur sein können, wenn all das wofür unsere Mutter kämpfte – politische Verantwortung, Integrität im öffentlichen Leben und eine offene und freie Gesellschaft – auch eintreten! Deshalb sollte Muscat politische Verantwortung zeigen und zurücktreten“, so die Söhne der Ermordeten.

Immer mehr Journalisten werden getötet

Nach der Ermordung der maltesischen Enthüllungsjournalistin Daphne Caruana Galizia haben hunderte Journalisten vor dem Parlament in Valletta demonstriert. Sie forderten Gerechtigkeit und Pressefreiheit und wehrten sich gegen Einschüchterungsversuche. 

Die Zahl der weltweit getöteten Journalisten nimmt immer mehr zu. Die UNESCO verzeichnet einen "erheblichen Anstieg von Gewalt" gegen Medienvertreter. „Medienvertreter werden immer häufiger entführt, willkürlich verhaftet und gefoltert. Journalisten sind aber auch Opfer von Überwachungsmaßnahmen, Cyberattacken und Desinformationskampagnen. Und nur jede zehnte Tat wird aufgeklärt“, teilte die Kultur- und Bildungsorganisation UNESCO anlässlich des Internationalen Tags gegen die Straflosigkeit für Verbrechen an Journalisten mit. 

„Es ist ein Skandal, wie viele Regierungen untätig zusehen, wie Journalisten und Journalistinnen Opfer von Gewalt werden“, beklagte IFJ-Präsident Jim Boumelha. Die IFJ hat ihren Sitz in Brüssel und vertritt die Interessen von rund 600 000 Journalisten in weltweit 175 Journalisten-Gewerkschaften.

Jüngstes Verbrechen in Moskau

Neusten Berichten zufolge hat ein unbekannter einen Mordanschlag auf eine Moderatorin des kremlkritischen Senders Echo Moskwy verübt. Der Sender gehört zwar zum staatlich kontrollierten Medienkonglomerat Gazprom Media, gilt aber für russische Verhältnisse als liberal. 

Die Journalistin Tatjana Felgengauer schwebt noch in Lebensgefahr. Der Mordanschlag auf Felgengauer ist nur der jüngste Angriff auf Echo-Mitarbeiter. In den vergangenen Monaten wurde bereits die streitbare Echo-Moderatorin und Kolumnistin der kremlkritischen Zeitung "Nowaja Gaseta", Julia Latynina, zur Zielscheibe von regierungstreuen Aktivisten.

Deutsche Pressefreiheit gefährdet

In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit, die jedes Jahr von „Reporter ohne Grenzen“ erstellt wird, steht Deutschland auf Platz 16. Die Rangliste vergleicht die Situation für Journalisten und Medien in 180 Staaten und Territorien. Aktuell heißt es dort: „Im vergangenen Jahr waren Journalisten in Deutschland erneut erschreckend vielen tätlichen Angriffen, Drohungen und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt. Immer wieder geraten Medienschaffende ins Visier von Strafverfolgungsbehörden oder Geheimdiensten. Bedenklich sind auch gesetzliche Regelungen wie die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung, der neu geschaffene Anti-Whistleblower-Paragraf gegen „Datenhehlerei“ und die neue Bundesnachrichtendienst-Gesetzgebung.“

Zudem wird die abnehmende Vielfalt der Presse in Deutschland immer problematischer. In vielen Regionen Deutschlands gibt es keine konkurrierenden Printmedien mehr - gleichzeitig steigt die Zahl der von Unternehmen bezahlten Beiträge, die sich immer stärker und für den Leser kaum erkennbar, mit journalistischen Inhalten mischen.

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Quellen: Bilder: Depositphotos/macor, Text: Ronja Kieffer