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DIW-Chef Wagner fordert Energiewende durch Atomausstieg.

DIW-Chef Wagner fordert Energiewende durch Atomausstieg. Foto: diw.de

Energiewende durch Atomausstieg: Deutschland kann Zeichen setzen

Die deutsche Industrie kann durch einen Atomausstieg zum Vorreiter der Energiewende werden und davon profitieren. Das ist das Fazit des neuen Wochenberichtes, den das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, DIW Berlin, unter dem Titel «Chancen der Energiewende» veröffentlichte.

Ein substanzieller Umbau der deutschen Energieversorgung hin zu erneuerbaren Energien und mehr Energieeffizienz ist technisch machbar und eröffnet enorme wirtschaftliche Chancen, so das Ergebnis der DIW-Studie. Sollten die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, könnte das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2030 fast drei Prozent höher liegen als ohne Ausbau der Erneuerbaren Energie, errechneten die Berliner Forscher. Bereits im Jahr 2010 ging von den erneuerbaren Energien ein Nachfrageimpuls von über 35 Milliarden Euro für die deutsche Wirtschaft aus. Diese Nachfrage auf dem Sektor der Erneuerbaren Energien führte direkt und indirekt zur Beschäftigung von fast 370.000 Menschen. «Es lohnt sich in vielfacher Hinsicht für Deutschland, als Öko-Avantgarde voranzuschreiten», erklärte DIW-Chef Gert G. Wagner.

«Die Lichter werden durch das Atom-Moratorium in Deutschland nicht ausgehen», beruhigt DIW-Energie-Abteilungsleiterin Claudia Kemfert. Auch wenn die gegenwärtig acht abgeschalteten Atomkraftwerke nicht wieder ans Netz gehen, sind in Deutschland noch ausreichende Produktionskapazitäten vorhanden, so dass die Versorgungssicherheit nicht bedroht ist. «Der Strompreis wird sich für die Verbraucher insgesamt nur geringfügig erhöhen. Zwar rechnen wir damit, dass der Strompreis an der Börse um zirka sechs Prozent steigt, dafür sinkt dann aber zum Beispiel die Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien. In der Summe wird der Preis für Haushaltsstrom nur leicht um 1,4 Prozent steigen», so die Energieexperten Claudia Kemfert und Thure Traber. Allerdings ist mit einer deutlich erhöhten Treibhausgas-Emission im Kraftwerksbereich um neun Prozent oder ungefähr 26 Millionen Tonnen zu rechnen. Denn bis zum Ausbau der erneuerbaren Energien müssten die deutschen Kohle- und Gaskraftwerke einen Großteil des Rückganges der Atomstromproduktion ausgleichen. Für den Fall, dass alle Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz gingen, prognostizieren die Experten einen Strompreisanstieg an der Börse von annähernd 22 Prozent. Doch, so die Expertin: «Auch hier würden aber gegenläufige Effekte wie eine sinkende Förderumlage auftreten, so dass die Preissteigerungen bei Haushaltsstrom mit knapp fünf Prozent sehr moderat ausfielen», so Kemfert.


Ein sofortiger Ausstieg aus der Atomkraft ist in Deutschland nicht realistisch durchführbar.

Sofort aus der Atomkraft auszusteigen ist in Deutschland nicht realisierbar.

Durchweg positiv seinen laut der vorliegenden DIW-Studie die Auswirkungen des Ausbaus der erneuerbaren Energien auf den Arbeitsmarkt, wenn auch die Effekte in den einzelnen Wirtschaftszweigen unterschiedlich sind. «Am stärksten ist der Beschäftigungszuwachs im produzierenden Gewerbe und in den unternehmensnahen Dienstleistungen», sagt DIW-Forscher Dietmar Edler. «Indirekt profitieren auch viele Sektoren außerhalb der Erneuerbare-Energien-Branche.»

Belastet werden könnte hingegen der Bereich der Wohnungsvermietung, die konventionelle Energiewirtschaft, der Fahrzeugbau und die Verkehrswirtschaft. Insgesamt seien die partiellen Effekte wegen der vielfältigen Verflechtungen breit über alle Wirtschaftsbereiche verteilt.

Die Energiewende stellt allerdings große Anforderungen an die Politik. Denn der Strukturwandel in Wirtschaft und Arbeitswelt betrifft die gesamte Volkswirtschaft der Bundesrepublik. Insbesondere würden ein Ausbau der Strom-Netze und eine Weiterentwicklung des Strom-Marktes zur effizienteren Nutzung der Netze nötig. Vor allem durch den steigenden Anteil an der Energie aus Windkraft nehmen Netzengpässe in Deutschland schon heute zu. Die Lösung könnte ein unabhängiger Operator nach US-Vorbild (Independent System Operator, ISO) sein. «Er könnte kurzfristigen Handel und marktbasiertes Engpassmanagement verbinden und damit zu Transparenz und fairen Marktpreise beitragen», urteilt Energie-Experte Karsten Neuhoff. Simulationsstudien für Europa zeigen, dass durch eine profunde Optimierung die Strom-Übertragungskapazität im europäischen Stromnetz um bis zu 30 Prozent besser genutzt werden könnte. «Das schafft Flexibilität für die weitere Integration erneuerbarer Energien und spart im Betrieb rund zwei Milliarden Euro».

Nicht zuletzt würde auch die gesamte Welt – ganz abgesehen vom Klima - von einer erfolgreichen Energiewende in Deutschland profitieren: «Wenn Deutschland den Vorreiter spielt, dann trägt es mit der neu entwickelten Technik dazu bei, dass andere Nationen rasch folgen könnten», lautet das Fazit von DIW-Chef Wagner. «Die deutsche Industrie würde dazu beitragen, dass die Welt schneller zu nachhaltigeren, umweltfreundlicheren und für die Gesundheit ungefährlicheren Energiequellen findet. Und sie würde daran gut verdienen.»

Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. DIW Berlin , Text: Jürgen Rösemeier