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Hass und Liebe sind so oft nah beieinander. ©iStockphoto

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Frau vs. Mann

Frau und Mann: Der Unterschied, der keiner ist

Frauen haben mehr Empathie und soziale Kompetenz, Männer können besser denken und haben ein besseres räumliches Vorstellungsvermögen. Solche und andere Rollenklischees halten sich hartnäckig. Doch sind sie auch wahr? Immer mehr (Gehirn)-studien beweisen, dass nicht die Gene unsere Rollenspiele programmieren, sondern unsere Sozialisation.

Schon im Mutterleib entscheidet der Testosteron-Wert, wie weiblich, bzw männlich ein Mensch wird. Grundsätzlich gibt es kaum Unterschiede ©iStockphoto

Schon im Mutterleib entscheidet der Testosteron-Wert, wie weiblich, bzw männlich ein Mensch wird. Grundsätzlich gibt es kaum Unterschiede ©iStockphoto

Frauen lenken heute Flugzeuge und bestimmen die Richtlinien der Politik, Männer erziehen Kinder und machen seltener Abitur als ihre weiblichen Altersgenossen. Die früher gültigen Rollenklischees geraten gewaltig ins Wanken. Obwohl die Realität (und auch zahlreiche Studien) deutlich dafür sprechen, dass der biologische Unterschied zwischen Frau und Mann nicht sehr groß ist, betonen viele Ratgeber („Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“) die Unterschiede zwischen Frau und Mann. Ein Grund, warum sich solche Ratgeber nach wie vor gut verkaufen, ist die Sehnsucht nach Selbstgewissheit in einer Welt, wo sich alles immer schneller verändert.

Am Ende ist doch alles gut! ©iStockphoto

Bis zur vierten Woche entwickeln sich alle Säuglinge gleich und zwar eher feminin. ©iStockphoto

Doch die Unterschiede zwischen Frau und Mann, wie sie immer noch den Ablauf häuslicher und beruflicher Alltage bestimmen („rosa für das süße Mädchen, blau für den harten Rabauken“), haben fast nichts mit der genetischen Disposition oder den Gehirnhälften zu tun, aber sehr viel mit einer Gesellschaft, die immer noch zu bequem und unbeweglich ist, um ein Leben jenseits von Erwartungen und Rollenklischees zuzulassen. Die Mehrheit der Neuropsychologen ist sich einig, dass Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Gehirnen unbedeutend sind. Was jedoch nach wie vor sehr mächtig ist, ist die Erziehung nach Rollenklischees in Familien, Kindergärten und Schulen ("Ein Mädchen brüllt nicht so rum", „ein Indianer kennt keinen Schmerz“).

Eine Metastudie über Studien zum Unterschied Frau und Mann fand heraus, dass Studien, die den Unterschied zwischen Frau und Mann betonten, viel häufiger in den Medien auftauchten als Studien, die keinen Unterschied feststellen konnten. Denn die Nachricht „Frauen und Männer sind gleich“ ist keine Nachricht. Schaut man sich Studien etwas genauer an, die scheinbar den Beweis für die Unterschiede zwischen Frau und Mann erbringen, stößt man häufig auf eine schmale, nicht repräsentative Untersuchungsbasis. So meldete die US-Neurologin Louann Brizendine: „Frauen reden dreimal so viel wie Männer“. Sie stützte sich bei ihrem Beweis auf 65 Probanten, während eine Studie mit 400 Teilnehmern zu ganz anderen Resultaten kam: Frauen sprechen 16.215 Wörter am Tag, Männer 15.669.

Viele solche Ergebnisse sind immer auch an Vorurteile und Weltbilder der Hypothesen der Untersucher gekoppelt. Wie stark die Ergebnisse solcher Untersuchungen von den immer noch stark wirkenden Erwartungen und Rollenklischees abhängt, zeigt ein Experiment, wo Frauen Matheaufgaben lösen mussten. Ohne Manipulation lösten sie im Durchschnitt 5 von 6 Matheaufgaben richtig. Wurde der Frau vorher gesagt, dass es eine grundsätzliche Erfahrung sei, dass Männer solche Aufgaben besser lösen könnten als Frauen, lösten sie im Durchschnitt nur noch 4 davon richtig. Wurde den Frauen aber gesagt, genetische Untersuchungen hätten gezeigt und Gehirnscans hätten es bestätigt, dass die folgenden Aufgaben von Männern signifikant besser gelöst würden als von Frauen, fiel das Ergebnis der Frauen noch schlechter aus.


Text: Oliver Bartsch