WWF warnt: Kunstdünger forciert Nahrungsmittelknappheit in Entwicklungsländern

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Nahrungsmittelknappheit

Viel hilft eben nicht viel oder warum wir uns kaputt düngen

Die Natur ist in vielen Dingen richtig schlau und funktioniert häufig unter den einfachsten Prinzipien. So auch die Bodenfruchtbarkeit. Eine erfolgreiche Landwirtschaft funktioniert denkbar simpel: Auf einer gesunden Ackerfläche werden Nährstoffe im Boden gebildet, die die Pflanzen aufnehmen. Das sorgt für eine reiche Ernte. Dann kam der Mineraldünger. Und alles wurde besser. Zunächst.

„Wie man den Acker bestellt, so trägt er“ heißt eine alte Bauernregel, die schon lange vor Großmutterzeiten auch eingehalten wurde. Es war einst viel körperliche Arbeit nötig, Bedacht und die Einhaltung gewisser, natürlicher Gesetzmäßigkeiten, um in der Landwirtschaft letztlich eine reiche Ernte zu erzielen. Gehegt und gepflegt wurde die lebensnotwendige Ackerfläche, wurde mit Kompost versorgt, mit Mist und Ernterückständen, durfte auch mal ruhen oder wurde einfach mal mit einer Gründüngung bepflanzt und sah im Idealfall alle paar Jahre eine neue Frucht auf seiner Krume. Denn, so die alte Weisheit, die gar keine ist: Das was ich der Erde mit meinem Anbau von Getreide und Co. entziehe, muss ich ihr auch wieder zufügen. Ein Beispiel: Ein Hektar Ackerfläche bringt in Deutschland etwa acht Tonnen Weizen hervor. Dies entzieht dem Boden allerdings auch 180 Kilogramm Stickstoff, 37 kg Phosphor und 124 kg Kalium. Und je intensiver die Landwirtschaft ist, je höher die Ernte ausfällt, desto mehr Mineralien werden der Fläche entzogen.

Wird Jahr für Jahr aber die gleiche Frucht angebaut und das natürliche Gleichgewicht in Sachen Humus und Nährstoffen nicht aufrechterhalten, dann entsteht ein Ungleichgewicht – der Fachmann spricht von degradierten Böden - und der Ertrag geht zurück. Für einen steigenden Bedarf an Lebensmittel bei einer massiv wachsenden Weltbevölkerung, aber auch zum Wohl der Agrarindustrie, gab es die scheinbar rettende Lösung: Mineralische, stickstoffbetone Kunstdünger.

Wie der Kunstdünger Entwicklungsländer in die Krise stürzt

Die Menschheit weiß seit etwa 5.000 Jahren, dass eine Düngung den Ertrag steigert. Vor etwa einhundert Jahren fand die Industrie heraus, dass der Ertrag mit der Zufuhr von synthetischen Düngern, die auf Stickstoff, Phosphaten und Kalium basieren, teils erheblich gesteigert werden kann. Doch die negativen Folgen ließen nicht lange auf sich warten. Denn die Kunstdünger bringen nicht nur das Gleichgewicht der Anbaufläche aus dem Lot, sie sorgen letztlich sogar dafür, dass wichtige Nährstoffe aus dem Boden gewaschen werden. Damit verringert sich die Ernteausbeute mit den Jahren in erheblichem Maß.

Nun warnen die Heinrich-Böll-Stiftung und der WWF vor der großen Gefahr für die Entwicklungsländer, besonders für afrikanische Länder. Denn dort betreiben laut WWF die großen Agrarkonzerne eine wahre Dünger-Orgien mit einer beispiellosen Lobbyarbeit. „Die forcieren Investitionen in mineralische Düngemittel. „Doch das ist kontraproduktiv und führt nur zu sehr kurzfristigen Ertragssteigerungen“, so Birgit Wilhelm, Referentin internationale Agrarpolitik und Nachhaltige Landnutzung beim WWF Deutschland. Die Erntemenge geht langfristig durch den Kunstdünger-Einsatz um 30 bis 50 Prozent zurück.

Was die Industrienationen glücklicherweise erkannt haben, wird in den Entwicklungsländern völlig ignoriert. Viel hilft viel, eine Weisheit, deren Wahrheit in Sachen synthetischem Dünger bei uns längst widerlegt ist, soll das Ernährungsproblem in den armen Ländern dieser Welt lösen.

WWF warnt: Kunstdünger forciert Nahrungsmittelknappheit in Entwicklungsländern

Eine Grafik fast die verheerenden Folgen des Einsatzes von Kunstdünger zusammen. © WWF

Das Problem ist vielschichtig. Nach kaum mehr als 10 Jahren wissen die Kleinbauern, dass sie kaum eine Ertragssteigerung mit Kunstdünger erzielen, sind allerdings abhängig von diesem, um überhaupt noch was zu ernten und ihr Überleben zu sichern. Doch der Preis für die künstlichen Wachstumshelfer ist in astronomische Höhen gestiegen, in den vergangenen zehn Jahren hat sich der Preis allein verdoppelt. Gegenüber dem Preis für Nahrungsmittel hat sich der Preis für Kunstdünger in den vergangenen 40 Jahren sogar um 250 Prozent gesteigert.  Das Ergebnis: Immer mehr Kosten, bei gleichzeitig stagnierendem oder sogar sinkendem Ertrag. „Die Konsequenz ist“, so Dr. Christine Chemnitz, Referentin Internationale Agrarpolitik bei der Heinrich-Böll-Stiftung, „dass kleinbäuerliche Produzenten häufig in der Schuldenfalle landen.“ Und das Ernährungsproblem in den Entwicklungsländern wird nicht gelöst.

Ein Umdenken ist in Sachen Kunstdünger erforderlich

Der WWF fordert, dass Mineraldünger so genutzt werden müssen, dass sie die Böden und die Umwelt nicht belasten, das Gleichgewicht von Nährstoffaufbau und –Abbau unbeschadet und nachhaltig erhalten bleibt. Gerade auf synthetischen Stickstoff sollte gänzlich verzichtet werden, dessen Subventionierung sollte abgeschafft werden. „Zentral sind dafür Techniken, die die Erhaltung und den Aufbau von Bodenhumus gewährleisten, wie zum Beispiel Anbau von Leguminosen (Pflanzen wie Erbsen, Lupinen oder Rotklee, die auf natürliche Art Stickstoff erzeugen und der Erde zuführen), Kompostierungsverfahren, tierische Dünger, Agroforstwirtschaft, Gründüngung und Intensivbrache“, so Birgit Wilhelm.

Stattdessen sollten Strategien entwickelt und gefördert werden, um für eine Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit in den Entwicklungsländern und damit für eine Verbesserung der Nahrungsmittelproduktion gerade im Hinblick auf das steigende Bevölkerungswachstum zu sorgen. Positive Beispiel wie im tropischen Ruanda zeigen, dass dies funktioniert.

Und dann wäre da noch der massive Pestizideinsatz

Quelle: WWF, Text: Jürgen Rösemeier