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Naturkosmetik: nur noch möglichst natürliche, tierversuchsfreie Produkte, gibt es das?
Bio- und Naturkosmetik

Naturkosmetik Alverde und Alterra im Test: Sind sie wirklich tierversuchsfrei?

Seit Ende der 90er Jahre greifen Verbraucher immer häufiger zu Bio-Produkten und Naturkosmetik. Denn viele Menschen, die Naturkosmetik kaufen, gehen davon aus, hochwertige Produkte aus biologischem Anbau zu kaufen. Doch ist dem wirklich so und können auch Billig-Naturkosmetikmarken wie Alverde und Alterra die Wünsche der Kunden, wie ohne Tierversuche auskommen, erfüllen?

Die Haut ist unser größtes Organ. Bis zu zwei Quadratmeter Fläche können bei einem erwachsenen Menschen zusammen kommen, bei einer Frau etwas weniger als beim Mann. Als äußerer Schutzwall des Körpers schirmt sie sein Inneres ab und bewahrt es vor äußeren Einflüssen wie Licht, Wind, Kälte oder Hitze. Auch die Regulierung der Körpertemperatur und die Sinneswahrnehmungen sind in der Haut angesiedelt. Kurz – uns umhüllt ein wahres Multitalent.

Solche Umwelt- und Witterungseinflusse können Spuren interlassen. Deshalb braucht die Haut regelmäßige Pflege. Cremes, Lotionen und Ölen unterstützen die Haut bei ihrem Regenerationsprozess, füllen wichtige Speicher wieder auf und halten sie elastisch und streichelzart

Naturprodukte kommen beim Verbraucher an

Bei der Auswahl der richtigen Pflegeprodukte ist Sorgfalt angesagt. Chemisch-synthetische Inhaltsstoffe haben darin besser nichts zu suchen. Denn die Haut ist ein besonders aufnahmefähiges Organ und lässt so manches durch, was besser hätte draußen bleiben sollen. So manche Zutat kann den gesamten Organismus durcheinanderbringen. Deshalb entscheiden sich immer mehr Menschen für Naturkosmetik.

Das Umsatzwachstum für Naturkosmetik beläuft sich jährlich auf einen zweistelligen Bereich, Tendenz steigend. Immer mehr Menschen möchten nur noch möglichst natürliche, tierversuchsfreie Produkte verwenden. Das Problem ist jedoch, dass der Begriff „Naturkosmetik“ nicht geschützt ist. Gesetzliche Regelungen für Naturkosmetik fehlen und so legt die Industrie gerne ihre eigenen Regeln fest. Bislang hat die Politik auch kein Interesse gezeigt, dieses zu ändern. 

Greenwashing in Naturkosmetik – alle wollen auf der grünen Welle mitschwimmen

Naturkosmetik sollte vor allem keine künstlichen Farb-, Duft- oder Konservierungsstoffe, Silikone, Paraffine und andere Erdölprodukte enthalten. Doch halten sich die Firmen auch daran? 

Während uns grüne Verpackungen mit Naturmotiven vorgaukeln sollen, auch der Inhalt sei natürlichen Ursprungs, muss das noch lange nicht so sein. Die Drogerien sind voll von Tiegel und Tuben, die sich gegenseitig mit ihrem natürlichen Image überbieten. Sie werben mit Aussagen wie „Von Natur aus wirksam“, loben Inhaltsstoffe pflanzlichen Ursprungs und naturbelassene Rezepturen aus und bezeichnen sich selbst als Pflanzen- oder Kräuterkosmetik. Auf ihren Verpackungen prangen stilisierte Blätter, Blüten und Früchte, und selbst die Markennamen sind vor Begriffen wie «Bio», «Nature“, «Pure» und «Sensitive» nicht sicher.

Nur der aufmerksame Verbraucher bemerkt, dass solchen Produkten eines fehlt: ein zertifiziertes Gütesiegel, das sie als kontrollierte Naturkosmetik ausweist. So ist es möglich, dass chemische Kosmetik schnell einmal als „natürliche Kosmetik“ oder „Bio-Kosmetik“ vermarktet wird, nur weil den Produkten einige Tropfen Pflanzenextrakte oder Öle aus Bio-Anbau beigemischt wurden.

Verlässlich sind allein die Siegel – so glaubt man

Doch da gibt es mehrere. Viele Firmen kennzeichnen ihre Produkte beispielsweise gerne mit „Dermatest“ – einem Label das „Stiftung Warentest“ nachahmen soll, aber über den tatsächlichen Inhalt nichts aussagt. Auch die Aufschrift „dermatologisch getestet“ verrät nichts über den Ursprung der Rohstoffe.

Label sind Verbraucherköder, denn sie suggerieren Qualität. Und sie sind ein riesiges Geschäft für die Kosmetikfirmen, deren Umsatz sie steigern. Aber auch die Label-vergebenden Firmen verdienen an Tests und Umsatzbeteiligungen mit. 

Ökotest hat sich angeblich "grüne Produkte" genauer angesehen

Das unabhängige Testinstitut Ökotest hat 34 solcher Pseudonaturkosmetik-Produkte unter die Lupe genommen. Mit ernüchterndem Ergebnis: Die getesteten Kosmetika geben alles her, was die Chemieküche zu bieten hat. Da tummeln sich chemische Konservierungsstoffe und UV-Filter, künstliche Tenside und Emulgatoren, Paraffine auf Erdölbasis, Silikone und synthetische Duft- und Farbstoffe. Hingegen befindet sich der ausgelobte Hauptwirkstoff wie etwa der Oliven- oder Aloe Vera-Extrakt nicht selten nur in Spuren in den Produkten.

Der Schwindel zieht sich durch sämtliche Marken, Hersteller und Preisniveaus. Von den klassisch konventionellen Kosmetikherstellern entlarven die Tester auch solche mit grünem Image, wie Yves Rocher und The Body Shop.

Die kompletten Untersuchungsergebnisse von Ökotest stehen unter www.oekotest.de zum Download bereit (kostenpflichtig). Ausführliche Informationen zu den Zertifizierungsrichtlinien der Siegelvergabestellen unter www.nature.org, www.demeter.de, auf www.kontrollierte-naturkosmetik.de (BDIH) und www.ecocert.com/en.

Kann man sich vor Mogelpackungen schützen?

Ja, am besten hilft ein kritischer Blick auf das Etikett.

Im Gegensatz zu Lebensmitteln sind die Begriffe „Bio“ und «Öko» bei Kosmetik nicht geschützt.

Auch dem Begriff Naturkosmetik fehlt eine juristische Basis. Sicherheit beim Kauf geben stattdessen anerkannte Gütesiegel. Das orangefarbene Demeter-Markenzeichen tragen Produkte, die die Anforderungen des gleichnamigen ökologischen Anbauverbandes erfüllen. Solche Kosmetika enthalten mindestens 90 Prozent Demeter-Rohstoffe und verzichten konsequent auf Mineralöle, Benzol oder Hexan, Butylen- oder Propylenglykol, Gentechnik und Nanopartikeln, radioaktive Bestrahlung oder Begasung sowie auf Rohstoffe, die aus Tieren gewonnen wurden.

Ecocert ist eine unabhängige Kontrollinstitution im Umweltbereich mit Hauptsitz in Frankreich. Seit 2002 prüft der international tätige Verband auch Kosmetikprodukte auf ökologische und biologische Qualität und vergibt dabei zwei Siegel. Das Label «biologische Kosmetik» kommt für Produkte in Frage, bei denen mindestens 50 Prozent der eingesetzten pflanzlichen Stoffe aus biologischem Anbau stammen. Produkte, deren Inhaltsstoffe zu mindestens 95 Prozent natürlichen Ursprungs sind und deren pflanzliche Zutaten zu mindestens 95 Prozent aus biologischem Anbau stammen, tragen das Label «Ökologische und biologische Kosmetik».

Naturkosmetik: Welchen Siegeln kann man trauen und sind seriös?

Naturkosmetik: Welchen Siegeln kann man trauen?

Die klassischen Naturkosmetik-Hersteller wollten ihre Produkte von der grüngewaschenen Ware auf dem Markt abgrenzen und suchten nach einer Möglichkeit dem Verbraucher Qualität auf den ersten Blick zu garantieren. Sie organisierten sich selber im BDIH (Bundesverband Deutscher Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und Körperpflegemittel) und konzipierten eine Richtlinie, die diesen Kriterien Rechnung trug. Seit 2001 erkennt jeder anhand des Logos „Kontrollierte Natur-Kosmetik“, ob die Pflegeprodukte überprüft und zertifiziert wurden. 
Der BDIH-Standard verbietet den Einsatz von organisch-synthetischen Farbstoffen, synthetischen Duftstoffen, ethoxilierten Rohstoffen, Silikonen sowie von Paraffinen und anderen Erdölprodukten. Auch radioaktive Bestrahlung ist nicht zulässig.

Mittlerweile gelten insgesamt drei Siegel in der Naturkosmetikbranche als seriös: BDIH, NaTrue und Ecocert. Sie garantieren, dass in den Produkten keine Mineralöle, keine synthetischen Duftstoffe, keine Silikone und umstrittenen Konservierungsstoffe enthalten sind. Wichtig ist jedoch auch auf die einzelnen Produkte eines Herstellers und deren Zutatenliste zu achten, denn nicht jedes Produkt eines Naturkosmetikherstellers ist auch mit einem Siegel gekennzeichnet.

Das BDIH-Siegel

Das BDIH-Siegel

Das bekannteste ist das BDIH-Siegel für kontrollierte Naturkosmetik. Mehr als zehntausend Produkte sind damit gekennzeichnet. Die Kriterien für den BDIH-Standard legen ihren Schwerpunkt auf Tierschutz und Verträglichkeit. Pflanzliche Rohstoffe müssen für das BDIH-Siegel aus zertifiziertem ökologischen Rohstoffen stammen. Allerdings gilt das nur für eine Liste von 15 Pflanzen-Materialien und ihren Fetten, Ölen, Wachsen und Pflanzenextrakten.

Das NaTrue-Siegel

Das NaTrue-Siegel

Um den Unterschied zwischen natürlichen und biologischen Inhaltsstoffen deutlicher kennzeichnen zu können, gründete der europäische Branchenverband im Jahr 2008 das NaTrue-Siegel. 

NaTrue unterteilt Naturkosmetik in drei Stufen: Naturkosmetik, Naturkosmetik mit Bio-Anteil und Bio-Kosmetik. Sichtbar sind diese Stufen durch die Anzahl von Sternen im Logo. NaTrue mit einem Stern ist etwa mit den BDIH-Kriterien vergleichbar. Bei NaTrue mit zwei und drei Sternen ist ein Bio-Anteil von mindestens 70 bzw. 95 Prozent vorgeschrieben. Zudem begrenzt das NaTrue-Siegel Kompromisse auf ein Minimum, indem es drei Rohstoffgruppen klar voneinander abgrenzt: Naturstoffe, naturnahe Stoffe und naturidentische Stoffe. Für die einzelnen kosmetischen Produktgruppen sind Mindestgehalte an Naturstoffen und die Maximalgehalte an naturnahen Stoffen genau definiert. Wasser wird beispielsweise nicht als Naturstoff gewertet. So wird verhindert, dass durch Beimischung von Wasser der Anteil an Naturstoffen erhöht werden kann. 

Das Ecocert-Siegel

Das Ecocert-Siegel

Ähnlich wie bei NaTrue gibt es bei Ecocert zwei unterschiedliche Abstufungen des Siegels. Das Label für Naturkosmetik ist dabei weniger streng als das für Biokosmetik. Allgemein müssen zumindest 95% aller Inhaltsstoffe natürlichen Ursprungs sein. Um das Biokosmetik-Siegel zu erhalten, sollten mindestens 95% der pflanzlichen Inhaltsstoffe aus Bio-Anbau stammen. Für das Naturkosmetik-Siegel reicht es aus, wenn 50% aller Rohstoffe biologischen Ursprungs sind. Da Wasser immer natürlichen Ursprungs ist, können stark wasserhaltige Produkte wie Shampoos oder Seifen nicht zertifiziert werden. In den zertifizierten Produkten dürfen keine synthetischen Duft- und Farbstoffe, Parabene, Silikone oder Nanopartikel vorkommen. 

Naturkosmetik Alverde und Alterra im Test: Stimmt die Qualität?

Auch viele der natürlichen Produkte wie Alverde (dm) und Alterra (Rossmann) tragen des BDIH-Siegel. Doch wie schaffen es diese Unternehmen zertifizierte Naturkosmetik so günstig herzustellen? Die Antwort liegt in der Massenproduktion und der Erfüllung von Mindeststandards.

Liest man sich die Inhaltsstoffe der einzelnen Kosmetikprodukte durch, so wird deutlich, dass die günstigen Naturkosmetikmarken häufig nur einen Bio-Anteil von 70% aufweisen, während Kosmetika des höheren Preissegments einen größeren Anteil der Rohstoffe aus biologischen Anbau verwenden. Auch die Auswahl der Inhaltsstoffe ist bei Billig-Kosmetika oft minderwertiger als bei der höherpreisigen Konkurrenz. Hier wird z.B. gerne zu Soja- oder Sonnenblumenöl statt zu Argan- oder Nachtkerzenöl gegriffen. Auch die Pressung der Öle bestimmt die Qualität.

Das Dilemma der Billig-Naturkosmetikmarken: Finden Tierversuche statt?

Sowohl Alverde als auch Alterra produzieren nach Angaben von Animal’s Liberty in den Dalli-Werken, die zu der Grünenthal Pharma GmbH gehören – dem Unternehmen, das durch den Contergan-Skandal in den 60er Jahren traurige Bekanntheit erlangte. Dabei war das Medikament in Tierversuchen „erfolgreich“ getestet worden. 

Auch heute werden in den Dalli-Werken noch Produkte von Firmen und Pharmakonzernen hergestellt, die Tierversuche durchführen. Alterra und Alverde hingegen führen selbst keine Tierversuche durch, da sie für ihre Kosmetika nur bereits bekannte Inhaltstoffe verwenden, die nicht mehr an Tieren getestet werden.

Für viele Verbraucher ist es dennoch ein Grund auf die Billig-Naturkosmetikmarken zu verzichten, da sie mit dem Kauf dieser Produkte nicht die Werke unterstützen möchten, die für Tierversuch-betreibende Firmen produzieren. 

Ob dieser Schritt zu radikal ist, muss jeder Verbraucher für sich selbst entscheiden. Sicher ist jedoch – wer Produkte aus hochwertigen biologischen Rohstoffen möchte, findet diese eher bei den hochpreisigen Naturkosmetikmarken.

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Quellen: Bilder: Depositphotos/annakhomulo, VictoriaAndrea, Text: Meike Riebe