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Wieviel materielle Dinge sind notwendig, um glücklich zu sein? Quelle: thinkstock.de

Wie gut leben wir? Die Bemessung des Wohlstands jenseits des BIPs

Wenn man über unseren Wohlstand spricht, wird immer das Bruttoinlandsprodukt als Messgröße herangezogen. Doch was ist mit anderen Parametern, die nicht minder unser Wohlergehen bestimmen? Zum Beispiel unsere Lebenszufriedenheit oder unsere Gesundheit. Die OECD hat einen Better-Life-Index entwickelt, der mehr Faktoren berücksichtigt als nur die reine Wertschöpfung.

In den Statistiken, die sich mit dem Wohlstand von Ländern beschäftigen, geht es immer um das Bruttoinlandsprodukt, das BIP. Die Menge an Waren und Dienstleistungen also, die eine Gesellschaft hervorbringt, soll eine Aussage darüber machen, wie gut es ihr geht. Zu eindimensional, so lautet die Kritik. Und die ist einsichtig, wenn man bedenkt, dass ein langer Tag voller Überstunden zwar die Wertschöpfung vorantreibt, nicht aber die eigene Zufriedenheit steigert. Ein anderes Beispiel: ein Autounfall. Das Auto ist kaputt und muss repariert werden. Um es in den herkömmlichen Zustand zu versetzen, wird Arbeit hineingesteckt, das BIP steigt, aber das Auto bleibt das gleiche. Ähnliches gilt für Naturkatastrophen oder Kriege. Mit Aufräumarbeiten und Wiederaufbau lässt sich Geld verdienen, den Menschen geht es dadurch nicht besser.

Die Kritik am BIP beinhaltet eine Kritik am Wirtschaftswachstum allgemein

Wird Wohlstand durch das BIP gemessen, so führt das dazu, dass immer neue Bedürfnisse künstlich geschaffen werden. Doch wird man durch immer mehr Materielles zufriedener? Wohl kaum. Ist ein bestimmter materieller Wohlstand erreicht, so machen zusätzliche Dinge nicht glücklicher.

Hans Diefenbacher und Roland Zieschank, die Autoren des Buches „Woran sich Wohlstand wirklich messen lässt“, haben einen „Nationalen Wohlfahrtsindex“ entwickelt und zwar im Auftrag des Bundesumweltministeriums. In diesem Modell werden unter anderem Hausarbeit, Kindererziehung, Einkommensverteilung berücksichtigt.

Das Problem bleibt die Quantifizierung. Freiwillige Arbeit, Umweltschäden, Zufriedenheit, all das lässt sich nicht oder nur sehr zweifelhaft in Geldeinheiten ausdrücken.

Auch die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit arbeitet daran, eine andere Bemessungsgrundlage für gesellschaftlichen Fortschritt zu finden. Sie hat die „Better Life Initiative“ gegründet und einen Better Life Index entwickelt, den jeder ausprobieren kann.

In welchem Land entspricht die Lebensqualität meinen Vorstellungen? Eine interaktive Seite.

Laut OECD gibt es im Wesentlichen 11 ausschlaggebende Kategorien, die die Lebensqualität beeinflussen: Wohnen, Einkommen, Arbeit, Gemeinschaft, Bildung, Umwelt, Zivilgesellschaftliches Engagement, Gesundheit, Zufriedenheit, Sicherheit und Life-Work-Balance. Diese Kategorien finden in den 34 Mitgliedsstaaten der OECD unterschiedliche Ausprägungen.

Gewichtet man alle Kategorien gleich, so schneiden in einem Vergleich die Länder Australien, Norwegen, Schweden, USA, Dänemark, Canada und die Schweiz am besten ab. Deutschland befindet sich im Mittelfeld. Zwar schneidet Deutschland in der Kategorie Umwelt gut ab, aber die Zufriedenheit liegt hierzulande unter dem Durchschnitt.

Wer nun herausfinden möchte, in welchem Land er sich am wohlsten fühlt, kann eine eigene Gewichtung vornehmen. Wem Umweltschutz besonders wichtig ist, würde sich beispielsweise in Deutschland wohl fühlen. Jemand,  dem Geld viel bedeutet, findet in Luxemburg Gleichgesinnte.

850 000 Menschen haben die Website inzwischen besucht, 30 000 ihre Präferenzen angegeben und einer Datenverarbeitung zugestimmt. So konnte man herausfinden, dass für die meisten Menschen die Kategorien Gesundheit, subjektive Lebenszufriedenheit und Bildung die größte Rolle spielen.

Warum wir ein neues Wohlstandsmodell brauchen

Vor allem in Ländern, die einen bestimmten materiellen Wohlstand erreicht haben, spielen nicht-materielle Werte eine Rolle. Sie mögen zwar ein ähnliches BIP haben, doch die Einschätzung zur Lebensqualität kann durchaus unterschiedlich ausfallen.

Ein neues Wohlstandsmodell könnte die Logik des Wirtschaftswachstums aushebeln. Wenn wir uns nicht mehr an der Wertschöpfung orientieren, sondern an immateriellen Werten, dann ist das ein Schritt hin zu einer nachhaltigen Entwicklung. Solange allerdings internationaler Wettbewerb herrscht, wird es für einzelne Länder nicht möglich sein, sich der Wachstumslogik zu entziehen.

Text: Danijela Milosevic