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Frau mit Antibabypille
Kleine Pille, große Folgen

Kleine Pille, große Folgen

Dieses Jahr feierte die Antibabypille ihren 60. Geburtstag. Seit der Markteinführung 1961 in Deutschland ist also bereits sehr viel Zeit vergangen. Zeit, in der die Pille zum beliebtesten Verhütungsmittel der Welt aufgestiegen ist. Man könnte meinen, 60 Jahre müssten doch ausreichen, um über Risiken, Nebenwirkungen, Wirkweise und Folgen Bescheid zu wissen. Doch leider ist die Aufklärung und das Wissen um dieses Medikament auch heute noch unterrepräsentiert.

Ich möchte sogar behaupten, dass gerade bei Frauen die gesunde Skepsis gegenüber dieser dauerhaften Medikamenteneinnahme teilweise komplett abhanden gekommen ist. Gerade junge Mädchen machen sich über die Pille überhaupt keine Gedanken. Tatsächlich wird sie von einem Großteil der Anwenderinnen nicht einmal als Medikament wahrgenommen, weshalb sie z. B. in den hausärztlichen Anamnesebögen neben der Spalte für Medikamente extra aufgeführt wird.

Erfahrungsgemäß wissen viele Frauen weder wie die Antibabypille genau wirkt, noch was sie für den Rest ihres Körpers bedeutet. Erschreckenderweise kommt auch der Beipackzettel nur selten zum Einsatz. Da die Pille eine enorme Wirkung auf den ganzen Körper hat, sollte die Entscheidung für oder gegen die Pille jede Frau ganz selbstverantwortlich und bewusst treffen. Doch um das tun zu können, fehlt häufig das nötige Hintergrundwissen.

Wie wirkt die Antibabypille?

Wie wirkt die Antibabypille?

Die häufigste Theorie zur Wirkweise der Antibabypille ist wahrscheinlich die der »Scheinschwangerschaft«. Aber sind Frauen während der Einnahme der Pille tatsächlich scheinschwanger? Nein, genau genommen sind sie das nicht!

Um zu verstehen, wie die Pille wirkt, muss man zuerst wissen, wie ein natürlicher weiblicher Zyklus funktioniert. Der Menstruationszyklus ist ein beeindruckendes Zusammenspiel aus drei verschiedenen Zyklusphasen, in denen fein abgestimmte, komplexe hormonelle Prozesse ablaufen. Zwei bestimmte Hormone spielen während dieses Zeitraums die Hauptrolle, nämlich die weiblichen Sexualhormone Östrogen und Progesteron. In der ersten Zyklusphase, der Follikelphase, dominiert das Östrogen. Diese Phase nutzt der Körper, um die Gebärmutterschleimhaut aufzubauen und mehrere Eizellen heranreifen zu lassen. Ist eines dieser Follikel groß genug, geht es in die zweite Phase - die Ovulationsphase - über, in der der Eisprung stattfindet. In der dritten und letzten Phase – auch Luteal- oder Gelbkörperphase genannt – wird aus dem zurückgebliebenen Follikelrest das Progesteron gebildet. Dieses regt das weitere Wachstum der Gebärmutterschleimhaut an, damit sich im Falle einer Befruchtung die Eizelle besser einnisten kann. Findet keine Befruchtung bzw. Einnistung statt, wird auch kein Progesteron mehr gebildet. Die Gebärmutterschleimhaut wird wieder abgebaut und mit Eintritt der Periode ausgeschieden. Mit dem ersten Tag der Periode beginnt ein neuer Zyklus.

Dieses zyklische Zusammenspiel der körpereigenen Hormone ist nicht nur faszinierend, sondern auch von großer Bedeutung für unsere Gesundheit. Da der menschliche Körper unheimlich intelligent ist, reguliert er damit auch unsere Fruchtbarkeit und stellt sicher, dass wir pro Zyklus maximal ein Mal schwanger werden können und das auch nur während des Eisprungs. Ist der Eisprung vorüber und die Eizelle wurde nicht befruchtet, sind wir die restliche Lutealphase über automatisch unfruchtbar. Soviel zum weiblichen Zyklus.

Was unter Einnahme der Pille nun passiert, könnte man kurzgefasst so erklären:

Durch die große Menge an vermeintlichem »Progesteron« in der Pille, geht das Gehirn davon aus, dass bereits ein Eisprung stattgefunden haben muss, und schaltet sofort alle weiteren Vorgänge ab. Der Körper wird von Tag 1 des Pillenzyklus an auf einem gleichbleibenden Hormonlevel gehalten und unsere körpereigene Hormonproduktion wird abgeschaltet. Ab diesem Zeitpunkt läuft der »Zyklus« fremdgesteuert: Die Eierstöcke sind ruhiggestellt und die Eizellen komatös.

Die Pillenhormone

Antibabypille

Die am häufigsten verschriebenen Antibabypillen sind kombinierte orale Kontrazeptiva, kurz KOK. Diese enthalten einen Östrogenersatzstoff, meist Ethinylestradiol, und einen Progesteronersatzstoff, den man in dieser synthetischen Form Progestin oder Progestogen nennt. Zu diesen Progestinen gehören beispielsweise Levonorgestrel, Drosperinon und Dienogest.

Es handelt sich hierbei nicht um Hormone, wie sie in unserem Körper vorkommen, sondern um künstliche Hormonersatzstoffe. Diese synthetisch hergestellten, hochwirksamen Stoffe ähneln in ihrer chemischen Struktur unseren körpereigenen Hormonen Östrogen und Progesteron und können so deren Rezeptoren besetzen.

Für die verhütende Wirkung ist eigentlich nur das in der Pille enthaltende Progestin von Bedeutung. Deshalb gibt es zwar Pillen ohne einen Östrogenanteil, aber niemals Pillen ohne einen Progestinanteil. Direkt nach der Einnahme der Pille gelangen die Hormonersatzstoffe in den Blutkreislauf, woraufhin die Hypophyse im Gehirn sofort reagiert. Sie kann aufgrund der Ähnlichkeit in der chemischen Struktur unser körpereigenes Progesteron nicht von den synthetischen Progestinen unterscheiden. Der »Östrogen«-Anteil in der Pille dient übrigens in erster Linie nicht der Verhütung, sondern hauptsächlich der »Stabilisation« des Zyklus. So viel zum Verhütungsmechanismus der Pille.

Was bedeutet die Einnahme der Pille für den Rest des Körpers?

Was den meisten Frauen nicht bewusst ist, sind die Wirkungen, die diese synthetischen Hormone auf den gesamten Körper haben können. Eigentlich ist es schon schlimm genug, dass unsere eigene Hormonproduktion inklusive Zyklus einfach abgeschaltet wird und uns dadurch die tollen Eigenschaften unserer körpereigenen Botenstoffe fehlen. Aber es darf auch nicht vergessen werden, dass die Antibabypille oral eingenommen wird und somit erst einmal den Magen, den Darm und vor allem die Leber passieren muss und auch hier Probleme machen kann. Einmal im Blut angekommen, wirken die Hormonersatzstoffe im gesamten Körper und haben somit nicht nur einen Einfluss auf unsere Eierstöcke, sondern auf unser komplettes Hormonsystem inkl. Schilddrüse und Nebennieren. Das ist auch mit ein Grund für die unheimlich langen Auflistungen von Nebenwirkungen in den Beipackzetteln, die sich leider nur die wenigsten Frauen wirklich aufmerksam durchlesen.

Hormone sind die Dirigenten unseres Körpers

Nur die wenigsten Menschen wissen, welche Macht diese Botenstoffe eigentlich haben oder was eigentlich der Job dieser ominösen unsichtbaren Boten ist. Hormone sind nicht nur wichtig für die Fruchtbarkeit, sondern sie steuern unter anderem auch unseren Schlaf, den Hunger, die Körpertemperatur, die Herzfrequenz, den Stoffwechsel, den Blutdruck, den Blutzuckerspiegel und vieles andere. Außerdem haben sie einen großen Einfluss auf unsere Psyche. Das Hormonsystem ist also eigentlich etwas, das man zugunsten der gesamten Gesundheit besser nicht durcheinanderbringen sollte. Doch genau das passiert unweigerlich durch die Einnahme der Antibabypille.

Darm, Leber, Schilddrüse und Vitalstoffe

Auch wenn man auf den ersten Blick keinen direkten Zusammenhang sieht, so hat die Pille auch einen Einfluss auf die Funktion der Leber, die Darmflora, die Gesundheit der Schilddrüse und den Vitalstoffhaushalt. All diese Faktoren einzeln betrachtet, können schon zu diversen gesundheitlichen Problemen und Symptomen führen. Gehört man aber zu den Unglücklichen, bei denen sowohl Darm, Leber als auch Schilddrüse und Vitalstoffe unter der Langzeitmedikamenteneinnahme leiden, erfährt man meist die volle Bandbreite der möglichen Nebenwirkungen. Es ist also enorm wichtig, sich diese Bereiche während der Einnahme und auch nach dem Absetzen der Pille genau auszusehen und bei Bedarf zu handeln. Beispielsweise durch eine Stuhlanalyse zur Bestimmung der Darmflora mit anschließendem Aufbau oder auch durch ein Blutbild der Vitalstoffsituation, um die entstandenen Mängel zu beheben.



 

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Quellen: Bilder: Depositphotos/fizkes, imagepointfr, Maridav, Text: Isabel Morelli