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Können wir unsere Erde noch retten?
Happy Planet - Systemwandel zu einer gerechten Welt

Ist die Menschheit noch zu retten?

Der Mensch vergiftet die Lebensräume des Planeten – das wissen wir mindestens seit einem halben Jahrhundert, und dennoch konnten wir dem bisher nicht Einhalt gebieten. Nachhaltigkeit, Schutz des Artenreichtums, Klimagerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit sind wichtige Schlagworte unserer Zeit, und sie hängen alle miteinander zusammen. Doch seit jeher sind die Gesellschaft und ihre Machtstrukturen zu träge, um wirklich bedeutsame Änderungen einzuleiten.

Die Made im Speck schaut nicht gern über ihren Tellerrand hinaus, schon gar nicht, wenn die Smartphones immer toller werden und das Internet immer schneller. Doch nun kommen wir an die absoluten Grenzen des Möglichen – sichtbar geworden durch die Erkenntnis des vollen Ausmaßes der weltweiten (Mikro-) Plastikverseuchung im Herbst 2017 und des Berichts des Weltklimarates im Oktober 2018.

Es ist bezeichnend für die Selbstgefälligkeit unserer Gesellschaft, dass Schulkinder und Jugendliche zuerst aufbegehren, denn es ist die Zukunft der jungen Menschen, die vorwiegend auf dem Spiel steht. Das Finanzsystem und jegliche Form der Naturzerstörung für Profit basieren letztendlich darauf, dass sie der Zukunft Energie und Lebenskraft stehlen. Unsere Kinder müssen die Schuld(en) begleichen, in jeglicher Form. Die Forderung nach „Klimagerechtigkeit“ bezieht sich nicht nur auf das Machtgefälle zwischen Arm und Reich. Klimagerechtigkeit bezieht sich auch auf das Machtgefälle zwischen den Generationen: zwischen denen, die jetzt leben und profitable Entscheidungen treffen, und denen, die eben jene Zeche alsbald bezahlen müssen. Wir stehlen von denen, die nach uns kommen, wie auch wir schon betrogen worden sind von denen, die vor uns nicht nachhaltig in Saus und Braus lebten.

Wer kann das noch veranworten?

Und das ist nur der Nabelschau-Aspekt der selbstverliebten Menschheit. Die Zerrüttung des Klimas und der anderen Lebenssysteme des Planeten beinhaltet ja auch die Tatsache, dass unsere Spezies gnadenlos die Lebensgrundlagen von allen anderen Lebensformen und Ökosystemen raubt. So sind in den letzten Jahrzehnten über vier Fünftel aller wildlebenden Säugetiere verschwunden. Und da die menschliche Bevölkerung und ihre Massentierhaltung beständig zunehmen, sind inzwischen nur noch 4 % aller Säugetiere Wildtiere, aber 36 % Menschen und ganze 60 % Nutztiere (v.a. Rinder). Der Amazonas-Regenwald mit all seiner Artenvielfalt fällt weniger für illegal gehandeltes Tropenholz als für Rinderweiden und Sojakraftfutter für unsere Tiermästung. Darum hören wir – ganz zu recht! – immer häufiger, dass wir unseren Fleischkonsum einschränken sollten. Der Wasser- sowie Landbedarf für die Fleischproduktion ist riesig, in den USA z. B. werden 4 % der Landfläche für den Anbau von Nahrungsmitteln benötigt, aber über 40 % für die Fütterung von Vieh. Tatsächlich verursacht die Aufzucht von Nutztieren so viele CO2-Emissionen wie alle Fahrzeuge, Züge, Schiffe und Flugzeuge der Welt zusammen. Spätestens seit 2014 weiß man, dass der Verzicht auf Rindfleisch mehr fürs Klima tut als der auf Autos, aber es traut sich niemand, es den fleischliebenden Deutschen zu erklären.

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Wir können alle was tun!

Natürlich ist es ungemein wichtig, dass jede/r einzelne Bereitschaft zeigt, beim großen Systemwandel mitzumachen! Einheimische und saisonale Produkte kaufen, besser isolieren und sparsam heizen, weniger Strom verbrauchen, häufiger das Auto stehen lassen, weniger fliegen, weniger Fleisch essen – so können wir alle helfen, den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken. Genauso wie jede vermiedene Plastikverpackung und jedes aufgesammelte Stückchen Plastikmüll dabei hilft, die flächendeckende Verseuchung mit Mikroplastik zu verringern. Aber letztendlich müssen Industrie und Politik im großen Stil Weichen umstellen! Und dafür, scheint es, muss man immer noch auf die Straße gehen (oder es die Schulkinder tun lassen).

Seit einigen Jahren wird in den globalen Berichten der UNO, des Weltklimarates und des Weltrates für Artenvielfalt (IPBES) immer deutlicher, dass die größte Naturzerstörung von der Agroindustrie (und insbesondere, wie gesagt, der Viehzucht) ausgeht. Wenn das überhaupt in unseren Medien erwähnt wird, wird immer schnell dazugesagt, dass sich „die Bauern nicht als Buhmann fühlen sollten”. Und das ist auch völlig richtig, darum schreibe ich auch nicht „Landwirtschaft”, sondern „Agroindustrie”. Es geht um riesige Konsortien, die auf unvorstellbar großen Flächen einst gesunde Böden mit Gentechnik, Glyphosat und anderen Chemiekampfstoffen herunterwirtschaften (wobei die Zerstörung von Humusschichten und Bodenerosion gigantische Mengen an CO2 freisetzt). Das globale Agrogeschäft liegt in den Händen von nur fünf Großkonzernen, von denen jeder einzelne mehr Umsatz macht als die gesamte deutsche Automobilbranche zusammen. Und was sie produzieren, sind zum größten Teil noch nicht einmal Lebensmittel, sondern Futtermittel (Soja), Palmöl, sogenannte Energiepflanzen (in Europa Mais) sowie Süßstoffe (v.a. wiederum Mais) für die unsägliche Zuckerindustrie, die weltweit Übergewicht, Krankheit und Verderben bringt. Die wirklichen Nahrungsmittel für die Menschheit werden nach wie vor zu 70 – 75 % von Kleinbetrieben erzeugt. Wenn man es diesen endlich erlauben würde – indem die Politik die Subventionssysteme ändert –, von Chemie auf Bio umzustellen, wären das Klima und die bewohnbare Erde schon mehr als halb gerettet. Schließlich verbraucht die Erzeugung von jeder Tonne Kunstdünger das Dreifache an Erdöl.

Von der Wegwerfgesellschaft zur Kreislaufwirtschaft

Auch die Vorwärtsflucht zu Elektroautos und Windrädern kann nur eine Übergangslösung sein. Letztere verbrauchen Unmengen von Beton (der wiederum in der Ölrechnung zu Buche schlägt), und Lithium und Kobalt, die für die gängigen Generationen von Batterien unerlässlich sind, stellen ein enormes Desaster für Natur und Menschen in Afrika und Südamerika dar. Und Plastikstrohhalme und -kaffeebecher usw. durch Bambus und andere Naturmaterialien zu ersetzen, ist zwar schön, wird aber wiederum weitere Lebensräume zerstören, um Platz für neue (chemie-intensive) Monokulturen zu schaffen. Wir drehen uns im Kreise, solange wir nicht endlich die Wegwerfgesellschaft in eine Kreislaufwirtschaft überführen.

Das erfordert ein neues Wertesystem, innerlich und äußerlich. Im Äußeren neue Wertschaffungs- und Produktionsketten in Industrie, Gewerbe und Handel. Im Inneren etwas, dass in unserer Kultur völlig abhanden gekommen zu sein scheint: eine Ethik, die das Lebendige achtet und ehrt. 

Ohne Verzicht geht es nicht...

Wenn wir unsere Liebe zu aller Kreatur wieder entwickeln (okay, Zecken und Mücken vorerst ausgenommen;) und auch mal innehalten und einfach dankbar sein können, auf diesem so einmaligen Planeten am Leben zu sein, und wenn wir endlich mal erwachsen werden und Verantwortung übernehmen für das, was nicht uns allein gehört (nicht nur dieser Generation und nicht nur der Menschheit), dann werden uns die wirklich nachhaltigen Lösungen für unsere globalen Probleme nur so zufliegen. Und das, was jetzt noch vielen wie Verzicht erscheint, wird zur gerechten Freude des Teilens werden.

Quelle, Bild:Fred Hageneder, Depostiphotos/Yaruta/nito103/Gajus-Images/golyak

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