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Dean Lewis
Musikfestivals können auch nachhaltig

SWR3 New Pop Festival goes green

Wenn sich in Baden-Baden der rote Teppich mit Elch-Emblem durch die Innenstadt schlängelt, dann ist klar, das SWR3 New Pop Festival bringt die Kurstadt mal wieder zum Beben. Doch dieses Jahr wird alles anders. Zum 25-jährigen Jubiläum hat sich Musik- und Festivalchef Gregor Friedel mit seinem Team einer großen Herausforderung gestellt - das Festival soll grün und nachhaltig werden. 

Einer der Gründe dafür ist ständig steigende Müllberge, die auf Open-Air-Festivals produziert werden bei einer gleichzeitig geringen klimaneutralen Organisation. Bei Rock im Park 2019 wurden bei den Aufräumarbeiten über 300 Tonnen Müll gesammelt. Diese Müllberge sind bei Festivals keine Seltenheit mehr. Besucher lassen dort Gegenstände zurück und produzieren im Durchschnitt mindestens fünf Kilogramm Müll pro Person.

Die Veranstalter reagieren auf das Problem: sie stellen mehr Mülltonnen auf, beschäftigen mehr Reinigungspersonal und geben vorab im Internet Hinweise für den Umgang mit Abfall. Viele Festivals verlangen zudem Müllpfand. Ulrike Stöckle, Herausgeberin von ecowoman, wollte nun genau wissen, was sich beim New Pop Festival hinsichtlich dieser Problematik verändert und welche Neuheiten die Festivalbesucher beim Thema Klima- und Umweltschutz erwarten wird.

Gemeinsam von 0 auf fast 100

Gregor Friedel

Festivalchef Gregor Friedel (© SWR/Stephanie Schweigert)

Ich treffe Gregor Friedel ganz entspannt in seinem Büro im SWR Hörfunkhaus. Die Vorbereitungen für das bevorstehende New Pop Festival sind erledigt - sein Ziel, das Festival nachhaltiger aufzustellen, erreicht. Jetzt kann es losgehen. Doch der Weg dorthin war sehr intensiv in Zeit und Energie. Der Austausch mit zahlreichen Kollegen, Kooperationspartnern und Spezialisten rege. Friedel hat sich nicht, wie dies normalerweise bei einem Nachhaltigkeitsaudit der Fall ist, von einer externen Nachhaltigkeitsagentur beraten lassen. Nein, er wollte das Projekt eigenständig mit seinem Team umsetzen. Dafür hat sich das Kernteam des SWR3 New Pop Festivals zwei Jahre lang sehr detailliert mit den zahlreichen Vorgaben, mit Fallbeispielen und den unterschiedlichen Zertifikatsvorgaben auseinandergesetzt und natürlich auch geschaut, wie es die anderen Festivalmacher mittlerweile mit Müll & Co. so treiben.

Nach der Lektüre eines Fachbuches über nachhaltiges Eventmanagement führte Friedel der Weg zur Universität Aalen und zu Professor Dr. Ulrich Holzbaur, Autor des Buches und Forscher für nachhaltige Entwicklung und Eventmanagement. Holzbaur und sein Team gaben wichtige Hinweise dazu, was noch in Friedels Nachhaltigkeitsstrategie fehlte und begleiteten die Entwicklungen und Maßnahmen, die im Laufe der vergangenen zwei Jahren umgesetzt wurden und noch werden. Dann sind viele Lösungsansätze zum Thema Müllentsorgung, Co2-Einsparung, klimaneutrale Energieversorgung und Recycling mit allen Beteiligten entwickelt worden. Alle Partner und Kollegen waren vom Stand weg von der Idee, das Festival grüner zu machen begeistert, viele Sponsoren hatten schon Lösungen durch eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie parat. Hier nun die nachhaltigen Keyfacts und Lösungsansätze.

Umweltfreundliche Anreise zum SWR3 New Pop Festival

Dieses Jahr gibt es eine spezielle New-Pop-Fahrkarte der Deutschen Bahn. Für den Preis von 25 Euro beinhaltete diese die An- und Abreise zum Festival aus ganz Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland zum Festival. Alle Besucher können die Konzertorte Festspielhaus, Kurhaus, Theater und zur Livebühne im Kurgarten mit öffentlichen Verkehrsmitteln besuchen. Ab dem Hauptbahnhof fahren regelmäßig Shuttlebusse zu den Veranstaltungsorten, die für New-Pop-Karteninhaber kostenfrei sind.

Da während dem Festival in der Innenstadt kaum Parkplätze zu finden sind, empfiehlt es sich, das P-R Parkhaus Cité am Stadteingang zu nutzen. Mit dem Parkticket können Besucher kostenlos mit dem Bus in die Innenstadt fahren. Sinnvoll ist auch die Anreise mit dem PKW in Fahrgemeinschaften. Wer seine Anreise CO-neutral gestalten möchte, kann auf green-mobility.de seinen Verbrauch berechnen und diesen im Anschluss z.B. über klimaohnegrenzen.de kompensieren.

Mülltrennung, Müllentsorgung und Recycling

Bereits beim Aufbau und der Bereitstellung der benötigten Materialien wird darauf geachtet, so wenig Verpackungsmüll und Abfallmüll zu produzieren wie möglich. Diese Vorgabe wurde auch an die Dienstleister und Zulieferer gestellt. Für die Bewerbung des Festivals werden zum Teil noch alte Banner verwendet, alle neu produzierten Banner etc. werden aus recyceltem und recycelbarem Material hergestellt.

Bio- und Restmüll kann nun konsequent mit gesonderten Tonnen in der Innenstadt entsorgt werden. Zusätzlich soll es zwei größere, gut beschilderte Inseln geben, bei denen auch Verpackungen und Papier getrennt entsorgt werden kann. „Die Entsorgungsbetriebe Baden-Baden betreiben eine Anlage zur Produktion von Aktivkohlefilter aus Biomüll, die zur Wasserklärung der Wasserversorgung eingesetzt werden und z.B. PFC und Hormone aus dem Trinkwasser klären, bevor es in den Versorgungskreislauf zurückgeleitet wird“ erklärt Schäfer von den Müllversorgern Baden-Baden.

Alle Caterer sind angehalten, Speisen möglichst ohne Verpackung wie zum Beispiel Plastikteller, beschichtete Schälchen, Strohhalme etc. auszugeben. Ziel ist es, neben einem gemischten Angebot von Speisen inklusive vegetarischem und veganem Essen, durch das Catering so wenig Müll wie möglich zu produzieren bzw. an die Besucher als Wegwerfgeschirr weiterzugeben.

Der rote Teppich verbindet während des New Pop Festivals die Veranstaltungsorte. Er sorgt allerdings mit seiner 3,6 Km Länge für den größten Aktivposten beim Müll. Noch bis vor zwei Wochen war unklar, wie der Teppich umweltschonend entsorgt bzw. recycelt werden könnte. Die Lösung bietet der Hersteller nun selbst, er wird den Teppich wieder zurücknehmen und umweltfreundlich recyceln. So kann dieser dem Wiederverwertungskreislauf zugeführt werden.

Weniger Stromverbrauch, Ökostrom, Stromtankstellen und ÖPNV

SWR3 Pop Festival

Die Stromversorgung für das SWR3 New Pop Festival wird zu 100% aus Wasserkraft gewonnen (© SWR/Niko Neithardt)

„Alle Konzertorte des SWR3 New Pop Festivals werden mit Strom versorgt, der zu 100 Prozent aus Wasserkraft gewonnen wird - ganz ohne klimaschädliche CO-Emissionen. Außerdem stellen wir Ladesäulen für E-Bikes und Elektroautos auf. In unseren Tiefgaragen befinden sich weitere Ladestationen“, erläutert Herr Oehler, Geschäftsführer der Stadtwerke Baden-Baden. Weitere Stromerzeuger wie z.B. Dieselaggregate o.ä. kommen nicht zum Einsatz. Zusätzlich werden bei den Konzerten zu fast 100 Prozent klimafreundliche LED-Scheinwerfer eingesetzt.

„Auf unserer Webseite können Sie live erfahren, welche Buslinie pünktlich oder mit Verspätung an der jeweiligen Haltestelle eintreffen wird und zusätzliche Busse sind während den vier Festivaltagen im Einsatz. Außerdem finden Sie hier genaue Informationen über freie Parkplätze in unseren Tiefgaragen. So können wir den Besucherstrom während dem Festival gut steuern und machen die Anreise mit ÖPNV noch attraktiver“, so Helmut Oehler weiter.

Transport und Shuttle-Service

Audi ist Sponsor vom SWR3 New Pop Festival

(© SWR)

Vor und während einer Veranstaltungs-Produktion fallen für Logistik, Künstler, Reporter etc. viele Wege und Fahrten an. Lange bevor die ersten Aufbauten für das New Pop Festival beginnen, hat die Produktionsleitung mit den Dienstleistern eine Planung erstellt, die unnötige Leerfahrten, vermeidbare lange Anlieferungswege und unkoordinierte Mehrfachfahrten soweit planbar ausschließt. Diese Planung wurde auch für die Abbautage des Festivals bereits erstellt. Während des Festivals gibt es auch jede Menge Fahrten, die mit mehreren Elektroautos absolviert werden, um den CO-Ausstoß zu verringern. Die SWR3-Reporter sind mit E-Bikes des Festival-Partners TechniBike ausgestattet. Für den Shuttle-Service der Künstler setzt Audi 15 vollständig elektrisch betriebene Fahrzeuge ein. „Mit den ETRONs stellen wir zum ersten Mal beim New Pop Festival ein Elektrofahrzeug zur Verfügung, um beim Transport der Künstler völlig emissionsfrei zu fahren. Der ETRON ist ein SUV und somit bestens geeignet, auch mal größere Gepäckstücke oder Instrumente zum bevorstehenden Konzert zu transportieren. Durch die natürlichen Abrollgeräusche der Reifen und einem völlig neuartigen Kamerasystem, das Außenspiegel ersetzt, gewähren wir maximale Sicherheit in den teilweise engen und mit Fußgänger stark frequentierten Straßen in der Innenstadt von Baden-Baden“, erklärt Sebastian Fischer, Projektleiter Kommunikation und Kultur bei Audi.

Umweltbewusste Reiseplanung und CO-Ausgleich

Die New-Pop-Künstler 2019, Plattenfirmen und Managements wurden sensibilisiert und darum gebeten, dass für Anreise und Routing umweltbewusst geplant werden sollte. Wo immer eine Reduzierung von Schadstoffen nicht möglich ist wie z.B. bei Langstrecken- und Auslandsflügen nach Baden-Baden, wurde darum gebeten, den CO2-Ausstoß über Anbieter wie z.B. Atmosfair zu kompensieren. Viele Künstler achten inzwischen bei ihren Konzerten oder privat auf die Umwelt. Wie zum Beispiel die Freya Ridings, die auf einen nachhaltigen Lebensstil und Reisegewohnheiten achtet wenn, sie auf Tour ist. Wie sie das genau macht, erfahren Sie im Backstageinterview mit ecowoman.

Fanta 4 - Pioneer of Pop

Die Fantastischen Vier erhalten die Auszeichnung »SWR3 Pioneer of Pop« (© SWR/Uwe Riehm)

Kooperationspartner und Sponsoren

Die Partner und Sponsoren wurden bereits sehr früh in die Nachhaltigkeitsstrategie eingeweiht und engagierten sich stark bei der Umsetzung zu einem nachhaltigen New Pop Festival. Auch hier fand ein sehr reger Austausch untereinander statt, um Synergieeffekte entstehen zu lassen. Viele Sponsoren wie z.B. Schwarzwaldsprudel, die badische Staatsbrauerei Rothaus, die Badischen Winzerkeller oder ZF Friedrichshafen stammen aus der Region und verfolgen bereits seit vielen Jahren eigene Nachhaltigkeitsstrategien.

Ulricke Stöckle im Interview mit Gregor Friedel

ecowoman Herausgeberin Ulrike Stöckle beim Interview mit Festivalchef Gregor Friedel

Mein Fazit: In so kurzer Zeit und in Eigenregie eine so detaillierte Nachhaltigkeitsstrategie mit Einbindung aller Partnern aufzustellen und umzusetzen ist beispiellos in dieser Branche. Sie können also guten Gewissens und mit einem geringen CO2-Fussabdruck das Festival in Baden-Baden genießen. Jetzt heißt es nur noch mitmachen und alle Maßnahmen unterstützen, damit am Ende nicht doch wieder Müllberge zurückbeleiben und Tonnen an CO2 ausgestoßen werden. Als Nachhaltigkeitsmanagerin vergebe ich fünf von fünf Elchen.

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Quellen: Titelbild: © SWR/Ronny Zimmermann, Bilder: © SWR/Stephanie Schweigert, © SWR/Niko Neithardt, © SWR/Uwe Riehm, Text: Ulrike Stöckle

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