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Frau genießt die Natur
CO₂-neutrales Leben

ForTomorrow: Mit dem Klima-Abo ein CO₂-neutrales Leben führen?

Vegane Ernährung, keine Flugreisen oder Naturkosmetik: Es gibt zahlreiche Möglichkeiten für einen CO-armen Lebensstil. Aber je nach Lebenssituation stößt jeder Einzelne irgendwann an Grenzen, wenn es darum geht, den Alltag noch nachhaltiger zu gestalten. Das Startup ForTomorrow will das nun ändern – mit Emissionshandel für Privatpersonen.

Die Energiewirtschaft, die Industrie und die Landwirtschaft gehören in Deutschland zu den größten Klimagas-Produzenten. Um die aus der Wirtschaft stammenden klimaschädlichen Emissionen zu kompensieren und zu reduzieren, wurde 2005 der Emissionshandel in der EU eingeführt.

Die Idee: Unternehmen können eine begrenzte Anzahl an CO₂-Zertifikaten erwerben, die sie dazu berechtigen, CO₂ auszustoßen. Wer ohne Berechtigung CO₂ ausstößt, muss mit Strafzahlungen rechnen. Umwelt- und Klimaschützer kritisieren den Emissionshandel immer wieder, da es einen Überschuss an Zertifikaten gibt. Für die Wirtschaft gibt es somit wenig Anreize, auf klimafreundliche Technologien umzurüsten, da der Erwerb der Zertifikate günstiger ausfällt.

Den ökologischen Fußabdruck minimieren

Nicht nur die Wirtschaft und Industrie stoßen klimaschädliche Emissionen aus, auch Privathaushalte sind CO₂-Verursacher. Und auch wenn sie nicht zu den größten Emittenten gehören, fragen sich immer mehr Menschen, was sie gegen die Klimakrise tun und wie sie ihren persönlichen CO₂-Fußabdruck minimieren können.

Obwohl man das Auto gegen das Fahrrad eintauscht, sich pflanzenbasiert ernährt oder einen Zero-Waste-Lebensstil führt – trotz aller Anstrengungen, klimafreundlich zu leben, wird es niemand gelingen, vollständig CO₂-neutral zu leben. Nicht zuletzt, weil wir im Winter doch manchmal die Heizung anmachen müssen oder schlichtweg, weil wir CO₂ ausstoßen, wenn wir atmen.

CO₂-Neutralität ist der einzige Weg

Wie stark das Ökosystem von jedem Einzelnen beansprucht wird und die natürlichen Ressourcen der Erde verbraucht werden, wird anhand des Indikators des ökologischen Fußabdrucks gemessen. Je nach Lebensstil fällt dieser mehr oder minder groß aus.

Wie inzwischen die meisten wissen, stoßen wir seit über 100 Jahren mehr Emissionen aus, als das Ökosystem aufnehmen kann. Aufgrund dieser Disbalance kommt es zur Erderwärmung und letztendlich zum Klimawandel. Um das Klima wieder ins Gleichgewicht zu bringen und dort auch zu halten, ist langfristig die Rückkehr zu einer umfassenden CO₂-Neutralität der einzige Weg.

In Deutschland stößt laut dem Umweltbundesamt jeder im Schnitt jährlich 11 Tonnen CO₂ aus. Eine Klimaneutralität ist allerdings nur dann wieder möglich, wenn der Pro-Kopf-Ausstoß unter einer Tonne liegt.

Klimaneutralität nur mit Kompensation

Gründerin Ruth von Heusinger

Gründerin Ruth von Heusinger ©ForTomorrow

Genau an diesem Punkt setzt das Startup ForTomorrow an. Denn die Gründerin Ruth von Heusinger ist der Überzeugung, dass Klimaneutralität in der heutigen Gesellschaft und Infrastruktur nur über Kompensation gelingen kann – Reduktion allein reicht nicht mehr aus.

Mit der von ihr 2019 gegründeten gemeinnützigen GmbH, will sie deshalb eine Schnittstelle zwischen Einzelpersonen oder Familien und dem europäischen Emissionshandelssystem schaffen. Das soll Privathaushalten ein CO₂-neutrales Leben ermöglichen – und zugleich großen Industrieunternehmen Druck machen, ernst gemeinten Klimaschutz zu betreiben.

ForTomorrow bietet Klima-Abos für Privatpersonen

Was zunächst kompliziert klingt, ist im Prinzip relativ einfach. Kunden von ForTomorrow schließen ein sogenanntes Klima-Abo ab. Die monatlichen Preise dafür reichen von einem selbstgewählten Beitrag bis hin zu 30 Euro für Familien.

Danach können sich die Kunden zurücklehnen. Den Rest übernimmt ForTomorrow und zeigt damit, dass auch Einzelpersonen und Familien eine einfache Möglichkeit haben, klimaneutral zu leben – wenn sie sich das Klima-Abo leisten können, was mit 20 Euro im Monat beispielsweise für Studierende schon herausfordernd werden kann.

Die Idee von ForTomorrow

Der Ausgleich mit dem klimaschädlichen Kohlenstoffdioxid funktioniert auf zwei Wegen: Zum einen pflanzt ForTomorrow Bäume in Deutschland, zum anderen kaufen sie die europäischen Zertifikate auf und nehmen so der Wirtschaft die Emissionsrechte weg. Doch was steckt hinter dieser Idee?

Um den ökologischen Fußabdruck zu kompensieren, muss bereits ausgestoßenes Kohlendioxid aus der Luft geholt werden und zugleich der generelle Ausstoß reduziert werden. Bäume sind dabei trotz neuer Technologien noch immer die effizienteste und kostengünstigste Maßnahme, um CO₂ aus der Luft zu holen.

ForTomorrow: Bäume pflanzen für Klimaneutralität

Bäume pflanzen für Klimaneutralität

Für die Aufforstung arbeitet ForTomorrow mit der Schutzgemeinschaft deutscher Wald zusammen, die sich seit Jahren darauf fokussiert, in Deutschland Bäume zu pflanzen und Mischwälder auf staatlichen Flächen aufzuforsten.

Diese Flächen sind in Deutschland durch das Bundeswaldgesetz geschützt. So soll beispielsweise illegale Abholzung unterbunden werden. Denn setzt man Bäume als CO₂-Kompensatoren ein, ist die Langfristigkeit entscheidend. Je älter und größer ein Baum ist, desto mehr Kohlendioxid nimmt er auf.

Mit einem Klima-Abo von ForTomorrow 22 Bäume pflanzen

Laut ForTomorrow entnehmen im Durchschnitt vier neu gepflanzte Bäume nach 50 Jahren eine Tonne CO₂ aus der Luft. Um eine Tonne der klimaschädlichen Emissionen auszugleichen, pflanzt das Startup daher vier Bäume.  

Mit einem Klima-Abo von 20 Euro kann das gemeinnützige Unternehmen nach eigenen Angaben bereits 22 Bäume pflanzen und für sieben Minuten ein Kohlekraftwerk abschalten – so viel ist nötig, um die 11 Tonnen CO₂ zu kompensieren, die jeder Deutsche im Schnitt verbraucht.

ForTomorrow will CO₂-Ausstoß der Wirtschaft reduzieren

Doch der eigentliche Kniff bei dem Konzept von ForTomorrow ist, dass sich das Startup den Emissionshandel zunutze macht. Und zwar, indem Ruth von Heusinger den Spieß einfach umdreht. Mittels der Einnahmen durch die abgeschlossenen Klima-Abos kauft das Unternehmen Emissionszertifikate aus dem EU-Handelssystem und legt diese still.

Für Industrie und Wirtschaft gibt es allerdings nur eine begrenzte Anzahl an Zertifikate. Der Trick: Kauft ForTomorrow die Zertifikate, ist die Folge, dass diese den Unternehmen und Kraftwerksbetreibern nicht mehr zur Verfügung stehen. Das Berliner Startup nimmt den klimaschädlichen Emittenten somit das Recht weg, Kohlendioxid auszustoßen. Denn fehlen die Emissionsrechte, müssen die Unternehmen entweder umrüsten, sodass sie weniger CO₂ verursachen oder abschalten.

Mittels dieser Methode erhoffen sich Ruth von Heusinger und die Mitarbeiter von ForTomorrow, eine Transformation zu einer CO₂-neutralen Wirtschaft in Gang zu setzen – und zugleich jedem Einzelnen zu ermöglichen, sich aktiv für den Klimaschutz einzusetzen.

CO₂-Reduktion ist nicht länger ausreichend

Ruth von Heusinger

©ForTomorrow

Auf die Idee kam Ruth von Heusinger als sie nach ihrem Studium der Physik bei einem großen Energieversorger im Sektor der erneuerbaren Energien arbeitete. Sie lernte den besagten europäischen Emissionshandel kennen und verstehen und merkte schon bald: Wenn Konzerne und auch Privathaushalte auf Ökostrom umstellen, ist das zwar der richtige Weg. Allerdings hat es auf den gesamten CO₂-Ausstoß in Europa keinen unmittelbaren Effekt. Denn die durch den Ökostrom eingesparten Emissionen werden einfach an anderer Stelle, beispielsweise von der Stahl- oder Zementindustrie, emittiert.

Der Gründerin wurde also schnell klar, es reicht nicht mehr aus, den CO₂-Ausstoß lediglich zu reduzieren. Es braucht vielmehr ein effizientes System, um den Klimaschutz voranzubringen und die verlorenen Jahre, die der Mensch vertrödelt hat, wieder aufzuholen.

Klimakompensation: Sich seiner Verantwortung bewusst sein

Warum aber das Rad neu erfinden und sich nicht das bereits bestehende Klimaschutzprogramm der EU zunutze machen, dachte sich die studierte Physikerin und entwickelte auf dieser Basis das Geschäftsmodell von ForTomorrow: Klimakompensation für Privatpersonen.

Das hat ihrer Meinung nach auch nichts mit „sich freikaufen“ zu tun, wie es oft aus der kritischen Ecke über die CO₂-Kompensation heißt. Für Ruth von Heusinger bedeutet das vielmehr, dass man sich seiner heutigen Verantwortung bewusst ist und freiwillig etwas für den Klimaschutz tut.

Quellen: Bilder: Depositphots/efired, pyzata, Text: Lisa Bender