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Lebensmittelverschwendung

Wie können wir uns Lebensmittel zukünftig noch leisten?

Etwa ein Drittel der Lebensmittel, die weltweit produziert werden, landen im Müll. Das verschwendet Ressourcen, die man für Anbau, Verarbeitung und Verteilung von Lebensmittel benötigt und schadet dem Klima extrem. Gleichzeitig werden sie immer teurer. Wir brauchen dringend innovative Lösungen. 

Hunger breitet sich seit Coronapandemie rasant aus

Die Lebensmittelpreise steigen und steigen – das merken wir alle, wenn wir beim Wocheneinkauf mal wieder tief in die Tasche greifen müssen. Besonders die Corona-Krise hat zu einem enormen Preisanstieg von Nahrung geführt. Und das zu einem Zeitpunkt, wo viele Menschen sowieso schon um ihre Jobs und ihre finanzielle Sicherheit fürchten müssen.

Zwischen Mai 2020 und April 2021 sind die Preise durchschnittlich um 25 Prozent gestiegen, das ist die höchste Steigerung seit zehn Jahren. Für 2022 erwarten Ökonomen sogar noch weitere Preissteigerungen, das Problem spitzt sich also immer weiter zu. Auf Nahrung kann niemand verzichten. Gerade für Menschen mit geringem Einkommen führen hohe Preise im Supermarkt oder Discounter zu großen Schwierigkeiten, weil kaum noch Geld für anderes übrigbleibt. Diese schlimmen Auswirkungen sind nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt zu spüren. Immer mehr Menschen leiden an Hunger und wissen nicht, wie sie ihre Familien ernähren sollen.

Frau überprüft MHD

Oft sind Lebensmittel auch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums noch bedenkenlos genießbar

Doch obwohl Nahrung momentan mehr denn je ein kostbares Gut herstellt, wird immer noch viel zu viel davon verschwendet. Allein in Deutschland werden jedes Jahr etwa 12 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet, die eigentlich noch gut essbar wären. Landen diese im Müll, geht das gleichzeitig mit einer unglaublichen Verschwendung von Ressourcen einher. Tropisches Obst muss zum Beispiel über lange Transportwege nach Deutschland geschafft werden, nur um hier weggeschmissen zu werden und dabei werden dann riesige Mengen an klimaschädlichem CO2 produziert. Schon auf den Feldern beginnen die Probleme, die zur Verschwendung führen: Teile der Ernte werden aussortiert, nur weil sie den übertriebenen Anforderungen der Supermärkte nicht genügen. Oft spielt dabei nicht mal Qualität eine Rolle, sondern die Produkte sind schlicht nicht „hübsch“ genug. In der Gastronomie wird überproduziert und im Groß- und Einzelhandel werden ebenfalls Unmengen eigentlich noch gut erhaltener Lebensmittel entsorgt, nur weil vielleicht eine einzige Orange im Netz verdorben ist. Und auch Produkte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum bald erreicht ist, sind nicht mehr verkäuflich, auch wenn sie sich in einwandfreiem Zustand befinden. Wir Verbraucher sind aber genauso mit Schuld an dem Problem, wenn wir Nahrung falsch lagern, Einkäufe nicht planen oder die Lebensmittel nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums nicht mehr essen möchten. Gerade in Zeiten von Corona, in der viele in einer prekären finanziellen Lage geraten sind, erscheint diese Verschwendung besonders unglaublich. Es braucht Lösungen, die gleichzeitig Lebensmittel wieder erschwinglich machen und die unnötige Entsorgung von wertvollen Nahrungsmitteln stoppen.

Ein innovatives Programm will Nahrung wieder erschwinglich machen

Das Unternehmen Spoiler Alert aus den USA hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese riesige Lebensmittelverschwendung zu beenden. Gegründet wurde es von Ricky Ashenfelter und Emily Malina, zwei Absolventen des Massachusetts Institute of Technology (MIT), einer der größten Technischen Hochschulen der USA. Mit einer Plattform, die große Lebensmittel- und Getränkemarken mit Discountern, Einzelhändlern und Non-Profit-Organisationen miteinander verbindet, wollen sie Lebensmittel, die normalerweise verschwendet werden würden, nutzbar machen. Denn mithilfe der Plattform können überschüssige Produkte oder Produkte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum bald abläuft, im Preis deutlich reduziert oder gespendet werden. So werden die Lebensmittel, die sonst vielleicht im Abfall gelandet wären, als bezahlbares Essen im Supermarkt verkauft oder können von bedürftigen genutzt werden. Durch Spoiler Alert können Inventurdaten besser verwaltet und Angebote an mögliche Käufer gemacht werden. Dabei arbeitet die Plattform mit den bereits bestehenden Inventur- und Auftragsabwicklungssystemen der Lebensmittelhersteller und nutzt Automatisierung und intelligente Preisgestaltung, um den bestmöglichen Verkauf der Waren zu erzielen. Bei Spoiler Alert handelt es sich also um eine Software, welche unterhalb verschiedener Unternehmen die besten Deals erzielt, um Lebensmittelverschwendung zu verhindern. Mit an Bord sind bereits globale Unternehmen wie Nestle, Kraft Heinz oder Danone, die ihre Produkte, die sonst verschwendet werden würden, mithilfe der Plattform unter anderem an große Discounterketten weiterverkaufen.

Deshalb ist Verschwendung von Lebensmittel so gefährlich

weggeworfenes Obst und Gemüse

Für die Entwickler von Spoiler Alert ist die Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung  vor allem in Hinsicht auf die Klimakrise eine unverzichtbare Aufgabe mit höchster Priorität. Die Non-Profit Organisation mit dem Namen Project Drawdown schätzt, dass Lebensmittelverschwendung 8% der Treibhausgase auf der Erde verursacht. Projekte, die zur Optimierung von Lieferketten beitragen, helfen somit nicht nur Lebensmittel erschwinglicher zu machen, sondern auch die ökologischen Folgen von Lebensmittelverschwendung zu verhindern. 

Die beiden Unternehmensgründer Ashenfelter und Malina lernten sich während ihres Studiums an der MIT kennen und erkannten gemeinsam schnell, wie gut die Arbeit mit Daten dazu geeignet ist, um Lebensmittelverschwendung zu stoppen: "Für uns war die Idee klar: Wie können wir Daten besser nutzen, um überschüssige und kurzlebige Bestände zu verwalten?" sagt Ashenfelter. "Wie wir dabei vorgehen, hat sich in den letzten sechs Jahren weiterentwickelt, aber die Wurzeln liegen in der Lösung eines enormen Klimaproblems, in der Lösung eines großen Problems der Ernährungsunsicherheit und aus kapitalistischer Sicht in der Unterstützung von Unternehmen bei der Kostensenkung und der Erzielung von Einnahmen aus ansonsten verschwendeten Produkten,“ erzählt Ashenfelter. Er und Emily Malina entwickelten Spoiler Alert bereits im Studium und ließen keine Gelegenheit ungenutzt, um ihr Projekt als Fallstudie in Kursen vorzustellen, damit Produktentwicklung, Vertrieb, Marketing und Preisgestaltung entwickelt und verbessert werden konnten. Sie waren bei der Projektentwicklung so erfolgreich, dass sie schon bald Unterstützung durch verschiedene Förderprogramme für innovative Ideen erhielten. Nach ihrem Abschluss am MIT versuchten sich die beiden Gründer am Aufbau einer Plattform, die dazu dienen sollte, das Spenden von überschüssigen Lebensmitteln deutlich zu vereinfachen. Dabei stellten sie fest, dass viele große Unternehmen bei der Verwaltung ihres Inventars immer noch hauptsächlich manuell vorgingen und nicht mit automatisierter Technik, welche die Arbeit deutlich erleichtert. Dadurch fallen Entscheidungen darüber, was mit welchen Beständen geschehen soll, nur sehr langsam. Dabei wird wertvolle Zeit verspielt, in denen das Ende des Haltbarkeitsdatums der Lebensmittel immer näher rückt.

So gelingt Nachhaltigkeit und Gewinnsteigerung

Mit Spoiler Alert und seinen auf maschinellem Lernen basierten Tools wird es dagegen viel einfacher, überschüssige Bestände zu erkennen und zu dokumentieren. Es unterstützt Hersteller und Abnehmer bei der Preisgestaltung und Verhandlung und sorgt für eine größere Geschwindigkeit in den Prozessen. Wenn beide sich auf einen Preis geeinigt haben, erstellt die Plattform zusätzlich die Formulare und Arbeitsabläufe, welche für die Auslieferung der Produkte benötigt werden. Das meiste vom Inventar, das über Spoiler Alert verkauft wird, landet in regionalen und nationalen Lebensmitteldiscountern: „Alles, was wir tun, ist darauf ausgerichtet, so viele Produkte wie möglich zu möglichst fairen und gerechten Preisen an eine seriöse Gruppe von Käufern zu verkaufen", so Ashenfelter.

Unternehmen, welche die Plattform nutzen, konnten bereits einen deutlichen Anstieg an Rabattverkäufen verzeichnen. Daran wird deutlich, dass Nachhaltigkeit und Gewinnsteigerung in Unternehmen mit den richtigen Tools sehr gut vereinbar sind. Je öfter Spoiler Alert genutzt wird, desto mehr Daten über die besten Vermittlungsmöglichkeiten von überschüssigen Lebensmitteln werden gesammelt. Zukünftig wird der Algorithmus, mit dem die Plattform arbeitet, also noch präziser und effektiver. So kommt das Unternehmen dem Ziel, eine abfallfreie Wirtschaft zu schaffen, bei der keine Lebensmittel mehr verschwendet werden, also immer näher.

Quellen: Massachusetts Institute of Technology, wwf.de, deutschlandfunk.de, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Bilder: Depositphotos/ginasanders, lightpoet, StockCube, Text: Fatma Cevik