Dirk Niebel

Bundes-Entwicklungsminister Dirk Niebel

E10-Verbot gegen Welthunger?

Weltweit leidet über eine Milliarde Menschen Hunger, für Bundes-Entwicklungsminister Dirk Niebel eine Folge der Einführung des Biosprits! Während seiner Reisen nach Westafrika bekam Niebel die schwierige Ernährungslage der armen Länder deutlich vor Augen geführt und fordert nun als erstes deutsches Regierungsmitglied ein sofortiges Aus für E10. 

Der Beginn der „Tank-oder-Teller“-Debatte

Die „Tank-oder-Teller“-Debatte begann medienwirksam 2006-2007 mit Massenprotesten, als in Mexiko die Tortilla-Krise während der weltweite Nahrungsmittelkrise ausgelöst wurde. Die Preise für Tortillas, ein Grundnahrungsmittel in Mexiko, waren stark angestiegen, weil in den USA die Nachfrage nach Mais für die Biotreibstoffproduktion explodierte. Angesichts weltweiter Dürren und einer erneuten Steigerung der Lebensmittelpreise fordert Niebel nun das Stopp für E10 (Benzin mit einem 10 prozentigen Ethanolanteil). Er argumentiert, dass die Ernährung absolute Priorität haben müsse.

Klimaschutz?

Erst 2011 von Union und FDP eingeführt, sollte der Biosprit das Klima schonen, weil bei seiner Verbrennung weniger CO2 freigesetzt wird. Studien der Akademie der Wissenschaften Leopoldina haben jedoch ergeben, dass der CO2-Ausstoss durch den Einsatz von landwirtschaftlichen Maschinen, sowie die Verwendung von Düngemittel und Pestiziden beim Anbau der Pflanzen nicht berücksichtigt wurde. Zudem verursacht das Wachstum der Biospirt-Branche eine Intensivierung der Bodennutzung, was wiederum zu einer Unfruchtbarkeit der Agrarflächen führt und sie unbewohnbar für Tierarten macht. Pflanzenreste müssten für den Erhalt des fruchtbaren Bodens in die Böden zurückgeführt werden.

Bioenergie weltweit betrachtet

Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) hält dagegen, dass gerade mal vier Prozent der deutschen Getreideernte in die Bioethanolproduktion fließen würden und ein E10-Verbot somit keine Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise in den Entwicklungsländern hätten.  Blickt man allerdings über den europäischen Tellerrand hinaus in Richtung USA, wird schnell klar, dass es vielleicht doch einen Zusammenhang zwischen den Lebensmittelpreisen und Biosprit geben könnte. 40 Prozent der amerikanischen Maisproduktion geht nach Angaben des Entwicklungsministeriums in die Biosprit-Produktion. Eine weitere Entwicklung, die für eine Nahrungsverknappung durch Pflanzensprit spricht ist die Abholzung des Regenwaldes in Südostasien zu Gunsten von Agrarflächen zum Biomasseanbau und das sogenannte „Land Grabbing“, zu Deutsch „Landraub“. Das „Land Grabbing“ bezeichnet den Kauf fruchtbare Böden in armen Ländern durch reiche Investoren. Besonders in Afrika leiden die Kleinbauern unter dieser neuen Entwicklung, weil große Konzerne und Regierungen das fruchtbare Ackerland kaufen, um dort  günstig Nahrungsmittel oder Pflanzen für die Biospritproduktion anzubauen.

Foto: Ryan McVay

Mit Biotreibstoffen werden Lebensmittel "vertankt"

Der wahre Übeltäter: Futtermittel

Der Geschäftsführer der VDB, Elmar Baumann, verteidigt den Biokraftstoff dennoch weiter: „ Ein Verbot von E10 wäre nichts anderes als Symbolpolitik, weil die bei weitem überwiegende Nachfrage nach Getreide und Mais aus dem Futtermittelsektor kommt.“  Der hohe Fleischkonsum in Europa, Nord- und Südamerika führt zu einer großen Nachfrage nach Futtermitteln, begünstigt durch den immer stärker ansteigenden Fleischkonsum in China und Indien. Weltweit wurden 36 Prozent des angebauten Getreides, zu dem auch Mais zählt, und 70 der angebauten Sojabohnen als Futtermittel verwendet. Weitere Faktoren für die drohende Lebensmittelkrise seien Missernten, Dürren, die Verteuerung von Düngemitteln und der die ständig wachsende Bevölkerung.

Wissenschaftlicher Rat für Bioenergie

Ausgehend von der Studie der Akademie der Wissenschaften solle Deutschland auf den weiteren Ausbau von Bioenergie verzichten und auch den Treibstoff E10 überdenken, weil Ökosysteme und auch die Biodiversität unter der Biomasseproduktion leiden. Diese Aspekte seien auch beim Import von Biomasse zu berücksichtigen, weil sie die Probleme nur in andere Länder verlagern. Des Weiteren wird in der Studie explizit darauf hingewiesen, dass sich die Erzeugung von Bioenergie auf Formen beschränken solle, „die weder zur Verknappung von Nahrungsmitteln führen noch deren Preise durch Wettbewerb um Land und Wasser in die Höhe treiben“. Anstatt auf Bioenergie zu setzten solle man sich auf andere erneuerbare Energieressourcen wie Photovoltaik etc. konzentrieren.

Die Debatte um E10 muss einen neuen Schwung bekommen. Wenn Biosprit die Natur mehr belastet als sie der Umwelt nützt und Menschen hungern müssen darf dies nicht länger toleriert werden. Es bleibt zu hoffen, dass bei diesem ernsten Thema nicht nur Reden geschwungen werden, sondern nachhaltig gehandelt wird.

Quellen: Bloomberg, BMZ/Fotos: BMZ, Ryan McVay /Text: Marie A. Wagner