Keine Kalorien, rein pflanzlich und nachhaltig: Stevia ersetzt Zucker
Zucker macht glücklich. Aber auch krank. Wegen Zucker wurden schon Kriege geführt und ganze Dörfer in Mittelasien plattgemacht. Jetzt bekommt der Zucker Konkurrenz: Seit Ende vergangenen Jahres darf ein zartes, immergrünes Kraut, Lebensmittel süßen. Die wichtigsten Fakten über den neuen Zuckerersatz.
Süß und ohne Kalorien. Das zarte Kraut ist seit Dezember 2011 in Deutschland als Zuckerersatzstoff zugelassen. Foto: © Fotolia
«Mit Zucker, mit Süßstoff oder lieber mit Stevia?» Das könnte man in Hotellerie und Gastronomie bald öfters hören. Seit Anfang Dezember vergangegen Jahres ist der pflanzliche Süßstoff auch für deutsche Lebensmittel zugelassen. Dann reiht sich der neue Zusatzstoff unter der Bezeichnung «Steviolglykoside E 960» auf den Etiketten unter anderem von Getränken, Knabberartikeln, Speiseeis oder Konfitüren ein.
Die Rede ist von Stevia rebaudiana Bertoni, liebevoll kurz Stevia genannt. Das immergrüne Gewächs aus der Familie der Korbblütler ist eng mit der Kamille, Estragon, Sonnenblumen und Chrysanthemen verwandt und stammt ursprünglich aus Paraguay. Dort kommen die Blätter der Pflanze schon seit Jahrhunderten zum Einsatz, um Lebensmitteln und Getränken ihre feinherbe Süße zu verleihen.
Das Besondere an Stevia sind die sogenannten Steviolglykoside, die sich in den Blättern einlagern. Dabei handelt es sich um ein Gemisch verschiedener Verbindungen mit unterschiedlicher Süßkraft, die zunächst aus den Blättern extrahiert und anschließend gereinigt werden müssen. Aber es lohnt sich: Die weißen Kristalle haben eine bis zu 300-mal stärke Süßkraft als herkömmlicher Haushaltszucker, sind trotzdem kalorienfrei, unschädlich für die Zähne und für Diabetiker geeignet. Diese Eigenschaften besitzen zwar alle Vertreter der Süßstoff-Familie, im Gegensatz zu Aspartam, Saccharin und Co. ist Stevia aber das erste pflanzliche Mitglied.
Für die Ernährungsindustrie ist das ein spannendes Thema. Allein der Erfrischungsgetränkehersteller Coca-Cola hat nach eigenen Angaben weltweit bereits mehr als 30 Produkte auf dem Markt, die den natürlichen Süßstoff unter dem Markennamen TruviaTM 24 enthalten. Dazu gehören zum Beispiel das 2010 in Frankreich eingeführte Fanta Still sowie die 2009 und 2010 in den USA gelaunchten Marken Odwalla oder GLACÉAU vitaminwater zero. In diesen Ländern war Stevia bereits seit einigen Jahren zugelassen.
So grün, so zart, so süß. Und ganz ohne Kalorien. Allerdings wird es noch eine Weile dauern, bis wir Stevia auch im Laden um die Ecke als Süßungsmittel kaufen können. Foto: © aid.de
Zumindest in absehbarer Zeit wird Stevia die bislang verwendeten Süßstoffe allerdings nicht völlig vom Markt verdrängen. Beim Verbraucher würde die gesetzlich festgelegte Tageshöchstdosis von 4 mg pro kg Körpergewicht überschritten, wollte ein Hersteller seine Limonade oder sein Malzbier ausschließlich mit Stevia verfeinern. „Mit den Vorgaben der EU können ab Dezember maximal 30 Prozent des Zuckers ersetzt werden“, so Dr. Udo Kienle von der Universität Hohenheim, der sich seit 30 Jahren mit der Pflanze beschäftigt. Außerdem könnte ihr leicht bitterer Nachgeschmack die Ernährungsindustrie vor Probleme stellen, der entsteht, wenn die Süßstoffe aus der Pflanze extrahiert werden.
Im industriellen Maßstab scheint Stevia bis auf weiteres also nur im Mix mit Zucker oder anderen Süßstoffen zu funktionieren. Auch in der heimischen Küche dürfte der Durchbruch noch auf sich warten lassen. Wie allen Süßstoffen fehlt auch den Steviolglykosiden das nötige Volumen, um sie beim Backen oder Kochen ohne weiteres anstelle des herkömmlichen Haushaltszuckers zu verwenden. Wer dennoch neugierig geworden ist, kann im Buchhandel nach Stevia-Koch- und Backbüchern stöbern.
Text: Inka Stonjek
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