Ist jetzt Schluss mit Fisch?
Die Weltmeere sind überfischt, die Fischbestände schrumpfen und gezüchtete Fische werden mit Antibiotika gefüttert. Die zahlreichen Siegel sind nicht zuverlässig und helfen nur scheinbar bei der Orientierung. Kurz gesagt: Finger weg vom Fisch! Oder doch nicht?
Der Fischratgeber, den Greenpeace kürzlich veröffentlicht hat, kann bei Fischliebhabern durchaus zu Verzweiflung führen. Laut der Umweltorganisation ist nur bei einer einzigen von 115 untersuchten Fischarten noch ein bedenkenloser Genuss möglich, und zwar beim Karpfen. Alle anderen Arten sind zumindest in Teilen der Welt hoffnungslos überfischt.
Beliebteste Fische stehen auf der roten Liste
Der Ratgeber listet knapp 50 Fische auf und unterscheidet durch farbliche Markierung zwischen grundsätzlich noch vertretbaren (grün) und solchen Arten, auf denen Verbraucher definitiv verzichten sollten (rot). Zu letzteren gehören zahlreiche äußerst beliebte Fische: Aal, Forelle, Makrele, Lachs, Thunfisch - die Liste lässt sich lange fortsetzen. Greenpeace gibt zwar bei einigen rot markierten Arten Ausnahmen an, also Regionen, in denen die Situation nicht ganz so dramatisch ist. Trotzdem ist die Empfehlung der Organisation eindeutig: Essen Sie so wenig Fisch wie möglich - am besten gar keinen!
Es ist nicht verwunderlich, dass sich bei einer solchen Aussage viele Menschen bevormundet fühlen und fragen: Was darf ich denn überhaupt noch essen? Tatsache ist: Das Problem ist nicht dahergeredet. Weltweit gelten etwa 30 Prozent der Meere als überfischt und fast doppelt so viele sind bereits maximal genutzt. Geht es so weiter wie bisher, wird es in naher Zukunft schlicht und einfach keine Fische mehr geben. Die Verantwortung, die wir als Verbraucher tragen, ist also nicht von der Hand zu weisen und kann nicht einfach ignoriert werden.
Fisch als Luxusprodukt behandeln
Wer nicht ganz auf Fisch verzichten möchte – schließlich ist er auch sehr gesund – könnte dazu übergehen, Fisch als Luxusprodukt zu behandeln und dementsprechend nur selten zu genießen. Dann kann ruhig auch etwas mehr Geld investiert werden, um hochwertigen Fisch aus nachhaltiger Fischerei auf dem Teller zu haben. Apropos nachhaltig: es gibt viele Siegel, die angeblich Nachhaltigkeit garantieren, in Wahrheit aber vom Hersteller selbst kreiert und vergeben werden. Verlässlich sind nur wenige Zertifikate. Das MSC-Siegel wird von der gemeinnützigen Organisation Marine Stewardship Council vergeben und bestätigt beim Wildfisch dessen Herkunft aus nachhaltiger Fischerei. Zuchtfisch aus verantwortungsvollen Aquakulturen ist mit dem ASC-Siegel versehen oder stammt von Bioland oder Naturland. Greenpeace kritisiert allerdings auch diese Zertifikate und empfiehlt, auch Fangmethode und –gebiet in die Kaufentscheidung mit einzubeziehen. Ein guter Rat! Je mehr Informationen wir berücksichtigen, desto sicherer können wir sein, am Ende tatsächlich nachhaltigen Fisch genießen zu können.
Was bedeutet nachhaltige Fischerei?
Eine Frage hat die ecowoman-Redaktion allerdings beschäftigt. Bei der Recherche zum Fischratgeber stießen wir auf eine Mitteilung von MSC, die über die wiederholte nachhaltige Zertifizierung der Alaska-Seelachs-Fischerei in Alaska berichtete. Laut der Organisation hat diese die strengen Kriterien bereits zum dritten Mal erfüllt und bleibt die weltweit größte MSC-zertifizierte nachhaltige Fischerei. Bei Greenpeace (und übrigens auch bei WWF) ist der Alaska-Seelachs aber ausnahmslos rot gekennzeichnet, sein Verzehr ist also nicht vertretbar. Wie kann das sein? Auf Nachfrage erklärte uns der Marine Stewardship Council, dass dieser Widerspruch sich aus den unterschiedlichen Maßnahmen und Kriterien ergebe, mit denen beide Organisationen auf das gleiche Ziel hinarbeiten. Auch gebe es verschiedene Auffassungen darüber, was nachhaltige Fischerei tatsächlich bedeutet. Offenbar wirft Greenpeace der Fischerei in Alaska vor, durch den Einsatz von Grundschleppnetzen empfindliche Ökosysteme am Meeresboden zu zerstören.
MSC dementiert das und gibt an, die Fischerei verwende sogenannte pelagische Schleppnetze – das sind trichterförmige Schleppnetze für den Wildfang – durch die nachweislich nur minimale Bodeneinwirkungen verursacht werden. Die Beinfangmenge liegt bei nur einem Prozent. Weitere Kriterien für die Verleihung des Umweltsiegels sind das nachhaltige Management der Fischerei, wobei MSC das Setzen von Fangquoten betont, und die strenge Überwachung durch staatliche Fischereibeobachter. Greenpeace hat sich auf Nachfrage nicht zu der Angelegenheit geäußert.
Welche Konsequenzen wir als Verbraucher aus diesen teils widersprüchlichen Informationen ziehen sollten? Das bleibt, wie so häufig, einem jeden selbst überlassen. Fakt ist, dass der Genuss von nicht nachhaltig gefangenem Fisch angesichts der alarmierenden Zahlen nicht vertretbar ist.
Den Greenpeace-Fischratgeber können Sie hier herunterladen oder bestellen, einen weiteren Einkaufsratgeber finden Sie hier.
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Quellen: Greenpeace; MSC, Bild: GAPP, Lamont/MSC;GAPP/MSC, depositphotos/ klenova, Text: Ronja Kieffer