Wie ernähren wir in Zukunft 10 Milliarden Menschen
Lebensmittel sind schon jetzt in vielen Regionen der Erde ein knappes und kostbares Gut. Doch wie wird es einmal aussehen, wenn die Zahl der Weltbevölkerung immer weiter steigt? Um Hungerkatastrophen zu verhindern, braucht es dringend neue Konzepte.
Seit den 1960er-Jahren hat sich die Weltbevölkerung rasant vergrößert, von nur drei auf knapp acht Milliarden Menschen. Prognosen zufolge werden bis 2050 knapp 10 Millionen Menschen auf der Erde leben. Schon jetzt lebt ein Großteil der Bevölkerung in Regionen, die stark von Armut betroffen sind und in denen Ressourcen wie Lebensmittel Mangelware sind. In den nächsten Jahrzehnten werden sie durch das schnelle Wachstum nur noch knapper werden und das Problem der Ernährung wird sich weiter verschärfen. Um zusätzliche Agrarfläche zu schaffen, werden unter anderem Regenwälder gerodet, die wichtig für unser Ökosystem sind. Die herkömmliche Landwirtschaft trägt ohnehin einen großen Teil zur Produktion von Treibhausgasen bei. Doch für die Ernährung so vieler Menschen reichen die Kapazitäten unseres Planeten schlicht nicht aus. Wie kann man also Hungerkatastrophen und Mangelernährung verhindern? Neue Lösungsansätze müssen her.
Beim Vertical Farming ist weniger mehr
Das sogenannte Vertical Farming könnte solch ein vielversprechender Lösungsansatz sein. Betrieben wird es unter anderem bereits von dem Schweizer Unternehmen Yasai. Dieses nutzt das Vertical Farming, um in großen Hallen verschiedene Sorten von Kräutern und Beeren anzupflanzen. Sie werden dort übereinandergestapelt platziert und auf Regalen gelagert. So wird der Platz in den Farmen optimal ausgenutzt. Mark Zahran, Gründer von Yasai, ist sich sicher, dass es nachhaltige und zukunftsfähige Alternativen zum bisherigen Anbau von Lebensmitteln geben muss: „Unser ökologischer Fussabdruck hängt zu einem grossen Teil davon ab, wie wir unsere Lebensmittel produzieren. Zudem brauchen wir Lösungen, wie wir bis 2050 eine Weltbevölkerung von 10 Milliarden Menschen nachhaltig ernähren können“, stellt er fest.
Mit weniger mehr wachsen lassen, lautet das Motto von Yasai. Denn durch diese Methode soll zur Versorgung der stetig wachsenden Weltbevölkerung beigetragen werden. Sie ermöglicht es, eine 15-mal größere Menge an Lebensmitteln herzustellen im Vergleich zur herkömmlichen Landwirtschaft und das bei 95 % weniger Verbrauch von Wasser. Auf gesundheitsschädliche Pestizide wird vollkommen verzichtet und es entstehen keine langen Transportwege vom Produzenten zum Konsumenten. So wird automatisch die Produktion von CO2, zum Beispiel durch den Import mit Flugzeugen, verhindert.
Nachhaltige Landwirtschaft – bald auch auf dem Mars?
Zahran hat einen Masterabschluss in Architektur von der ETH Zürich. Bereits für seine Masterarbeit begann er sich mit dem Vertical Farming auseinanderzusetzen und nach geeigneten Räumen zu suchen. Die Hochschule förderte das Unternehmen, das 2020 von ihm gemeinsam mit seinem Halbbruder Stefano Augsburger und Umweltingenieur Philipp Bosshard gegründet wurde.
Im Herbst 2021 wurde mit dem ersten Anbau in einer über 1000 Quadratmeter großen Fabrikhalle im schweizerischen Niederhasli gestartet. Bisher gehören vor allem Küchenkräuter wie Basilikum, Rosmarin oder Minze zum Angebot. Auch in Zukunft soll alles in der Schweiz angebaut und geerntet werden. Das Unternehmen plant sein Sortiment noch zu erweitern. Yasai schmiedet bereits Pläne, noch größere Anlagen zu bauen und feilt weiter an einer Lebensmittelproduktion, die gleichzeitig ökologisch und ökonomisch ist. Ziel ist die Ernte von 20 Tonnen Kräuter jedes Jahr. Für eine nachhaltige Produktion werden in den Farmen organische Abfallstoffe genutzt, wie etwa Dünger, der aus Abwasser gewonnen wird. Für das Wachstum der Pflanzen wird viel Energie benötigt, hier greift die Farm auf Abwärme zum Heizen der Anlagen und Energiesparende LED-Lampen für die Beleuchtung zurück. Ein Umdenken in der Landwirtschaft ist dringend notwendig, da der herkömmliche Anbau von Obst und Gemüse Unmengen an Ressourcen benötigt. Etwa 40 % aller freien Landflächen werden für ihn benötigt sowie 70 % des frischen Wassers. Zusätzlich ist der Landwirtschaftliche Sektor für 30 % der verursachten Treibhausgase verantwortlich.
In den Hallen wachsen die Pflanzen nicht in Erde, sondern in nährstoffreichem Wasser heran. Man ist hier nicht von den natürlichen Gegebenheiten wie dem Klima abhängig. Licht, Temperatur und Bewässerung werden unter anderem mit der Hilfe von künstlicher Intelligenz gesteuert, um ideale Bedingungen herzustellen. Dies ermöglicht es auch in Regionen, in denen zum Beispiel keine fruchtbare Erde oder frisches Wasser vorhanden ist, frisches Gemüse anzupflanzen und die Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen. „Vertical Farming bedeutet lokale Produktion. Also dort anbauen, wo auch konsumiert wird“, erklärt Gründer Zahran.
Es mag nach Science-Fiction klingen, doch mit dieser Anbaumethoden wäre es theoretisch auch möglich, bei einer Marsbesiedlung für frisches Gemüse zu sorgen. Yasai ist einer der Gewinner der „Mars Habitat Challenge“, bei der Start-Ups ausgezeichnet werden, mit deren Visionen das Leben auf dem roten Planeten ermöglicht werden könnte.
Durch den stetigen Bevölkerungswachstum und der fortschreitende Klimawandel werden wir gezwungenermaßen über Alternativen zur bisherigen Lebensmittelproduktion nachdenken müssen. Das innovative Vertical Farming ist dabei eine Option, die wir auf jeden Fall im Blick behalten sollten.
Quelle: welthungerhilfe, Yasai, Yumda, Bilder: Depositphotos/vetre, Wirestock, Text: Fatma Cevik
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