Geld anlegen mit grünem Gewissen
Grüne Geldanlagen boomen, aber welche Investments sind wirklich nachhaltig? Mit der steigenden Nachfrage nach Finanzprodukten mit Impact wächst natürlich auch das Angebot. Um so schwieriger wird es jedoch, den Überblick zu behalten. Ralph Lück, Geschäftsführer der TGM Unternehmensberatung, erklärt im Detail, die unterschiedlichen Begrifflichkeiten dieser Geldanlagen und gibt Orientierungshilfe beim Impact Investing. Das Interview führte Ulrike Stöckle, Herausgeberin von ecowoman.
Herr Lück, was muss ich mir unter dem Begriff Impact Investing vorstellen?
Mit Impact Investing sind Investitionen gemeint, die neben der finanziellen Rendite eine messbare soziale und ökologische Auswirkung zum Ziel haben. Das investierte Geld soll also dazu beitragen, gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Probleme zu lösen. Erstmals tauchte der Begriff um das Jahr 2010 in den Vereinigten Staaten auf. Vermutlich ist er auf die Rockefeller-Stiftung zurückzuführen. Diese bezeichnete mit Impact Investing ein Engagement, welches eine Art Mittelweg zwischen Spende und der Maximierung von Renditen darstellte. Heute dienen zum Beispiel die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen als Orientierungsmaßstab für Investitionen mit möglichst breitem positivem Einfluss wie zum Beispiel Bildung und Gesundheit, sauberes Wasser, bezahlbare und saubere Energie, Klimaschutz, Armuts- und Hungerbekämpfung, Frieden und Gerechtigkeit, menschwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
Wir unterscheiden dabei zwischen vier Investitionskategorien. Impact-First fokussiert vorrangig auf sozialen Ertrag und erst an zweiter Stelle auf finanzielle Rendite. Finance-First zielt auf finanzielle Rendite, die jedoch strategisch ausdrücklich mit sozialen Ertragserwartungen kombiniert ist. Socially Responsible Investments beabsichtigen finanzielle Rendite, generieren aber positive soziale Externalitäten. Environmental, Social und Governance Investing (ESG) generiert finanzielle Rendite, vermeidet dabei jedoch soziale, onkologische oder Governance-Risiken bzw. entsprechende negative Externalitäten.
Was unterscheidet Impact Investing von anderen Geldanlagen?
Grundsätzlich fällt Impact Investing in den großen Bereich der nachhaltigen Kapitalanlagen. Dennoch gibt es Unterschiede zu anderen Investments, die sich Nachhaltigkeit auf die Fahne schreiben. Ein wesentlicher Unterschied: Mit Impact Investing sollen idealerweise direkte und vor allem messbare gesellschaftliche und ökologische Wirkungen erzielt werden. Die positiven Auswirkungen müssen nicht nur nachweisbar sein, sondern ebenso dokumentiert und kommuniziert werden. Unternehmen müssen eine klare Absicht verfolgen, mit ihrem Geschäftsbetrieb eine positive gesellschaftliche Wirkung zu erreichen. Dabei müssen Unternehmen und Investoren das Ziel quantifizieren, bewerten und dazu regelmäßig berichten.
Warum sollte ich bei meiner Geldanlage auch auf soziale und ökologische Auswirkungen achten?
Angesichts der Entwicklung unserer globalen Gesellschaft wird es immer wichtiger, mit Investitionen in die richtigen Unternehmen und Projekte ein Zeichen zu setzen. Nicht erst seit der Corona-Krise und aktuellen Unwetterkatastrophen findet ein Umdenken in der Gesellschaft und somit auch bei der Art, wie Geld investiert wird statt. Studien zufolge legen vor allem Frauen ihr Geld gern mit gutem Gewissen an. Anleger:Innen können jetzt leichter überlegen, ob sie Teil der Lösung sein möchten, um Kapital in vielfältigere Unternehmen oder Branchen zu lenken, die Strategien zur Bewältigung des Klimawandels und anderer Nachhaltigkeitsherausforderungen entwickeln.
Um die vor uns liegenden Herausforderungen zu bewältigen, ist eine koordinierte Anstrengung des öffentlichen und des privaten Sektors nötig. Für Anlegerinnen und Anleger birgt der Wandel zu einer nachhaltigeren Zukunft sowohl Risiken als auch Chancen. Einerseits ist der Klimawandel eine zunehmende Quelle der Unsicherheit bei der Beurteilung des Werts von Anlagen. Andererseits bemühen sich mehr Unternehmen, ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren und sich besser für die Zukunft aufzustellen. Diejenigen, die klimabedingte Herausforderungen mit innovativen Lösungen anpacken, werden solide langfristige Wachstumsaussichten haben.
In welchen Bereichen wird derzeit am meisten sozial und ökologisch investiert?
Beim Impact Investing entscheiden sich Investoren in erster Linie für Unternehmen, Staaten, gemeinnützige Organisationen und vor allem Branchen, die bestimmten Kriterien entsprechen und die persönlichen oder institutionellen Werte der Anleger:Innen widerspiegeln. Die Sustainable Development Goals (SDG’s) spielen als weltweiter Referenzrahmen für Impact Investoren eine immer wichtigere Rolle. Sie decken die komplette Bandbreite der globalen Herausforderungen ab und geben somit Orientierung. Dies spiegelt sich auch in den Investitionsvolumina im Kontext der SDGs wider. Folgende Investitionen wurden 2020 in SDG’s getätigt: SDG 3, Gesundheit und Wohlergehen ca. € 520 Mio., SDG 7, bezahlbare und saubere Energie ca. € 309 Mio. und SDG 11, nachhaltige Städte und Gemeinden ca. € 164 Mio.). Beim Blick in die Zukunft sehe ich den größten globalen Bedarf bei Klimaschutz (SDG 13), Gesundheit und Wohlergehen (SDG 3), bezahlbare und saubere Energie (SDG 7) sowie hochwertige Bildung.
Welche Form des Impact Investing würden Sie mir empfehlen?
Insbesondere für private Anleger empfiehlt es sich, professionell gemanagte Investmentfonds zu nutzen. Aktienfonds mit Impact Investing Ansatz schließen Unternehmen aus, die gegen die Vorschriften der UN verstoßen. Der Fokus liegt auf konkreten Lösungsanbietern mit besonders nachhaltigem Ansatz auf der ganzen Welt. Das sind also Aktien von Unternehmen, die einen direkten Einfluss auf die Erreichung der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen haben.
Eine professionelle Aktienauswahl des Fondsmanagements gewährleistet wirkungsorientiertes Investieren mit einem starken Nachhaltigkeitsfokus. Herausgeber solcher Anleihen sind zum Beispiel Unternehmen, die durch ihre Wirtschaftskraft einen großen Einfluss auf die Umwelt und soziale Bedingungen haben. Um dieses System transparenter zu gestalten, prüft und zertifiziert das Forum für Nachhaltige Geldanlagen e.V. (FNG) seit 2015 nachhaltige Investmentfonds im deutschsprachigen Raum. Das FNG-Siegel bietet daher eine gute Orientierung darüber, wer die Qualitätsstandards tatsächlich erfüllt. 168 Fonds erhielten 2021 das begehrte FNG-Siegel, davon wurden 43 Fonds mit 3 Sternen als besonders empfehlenswert bewertet. Diese Fonds schließen Waffen und Kernkraft aus ihren Depots komplett aus. Ebenso müssen sie die vier Bereiche des sogenannten Globalen Pakts zwischen Unternehmen und den Vereinten Nationen berücksichtigen. Dazu gehören Menschen- und Arbeitsrechte, Umweltschutz sowie die Bekämpfung von Korruption und Bestechung.
Wie kann ich mich vergewissern, ob ein Investment wirklich nachhaltig ist?
Auf der Plattform meinvermoegen.de, gefördert vom Bundesumweltministerium, können sich Anlegerinnen ein individuelles Nachhaltigkeitsprofil erstellen lassen. So erkennt man direkt, was einem bei der eigenen Geldanlage wichtig ist und kann dann auf dieser Basis entsprechende Investmententscheidungen treffen. Anleger:Innen können nur dann die passenden Fonds, börsengehandelten Indexfonds (EFTs) oder andere Anlageprodukte wählen, wenn sie sehen, welche Nachhaltigkeitskriterien diese erfüllen und welcher Definition von Nachhaltigkeit sie folgen. Hier kommen Gütesiegel ins Spiel. Sie nehmen einem die Arbeit ab, Investments selbst auf Herz und Nieren zu prüfen. In Deutschland sind vor allem das FNG-Siegel (Forum Nachhaltige Geldanlagen), das Österreichische Umweltzeichen und das Ecoreporter-Siegel verbreitet.
Auf der Seite www.faire-fonds.info können Sie nachschauen, ob in einem vermeintlich nachhaltigen Fonds nicht doch das eine oder andere fragwürdige Wertpapier zu finden ist.
Wie sehen Sie die aktuelle Marktsituation von Impact Investing in Deutschland?
Der Impact Investing Markt hat sich vor allem in den letzten fünf Jahren mit großer Dynamik weiterentwickelt. In Deutschland sind rund drei Milliarden Euro nach echten Impact Investing-Kriterien angelegt - 2015 waren es laut Marktreport 2016 der Bertelsmann Stiftung nicht einmal 70 Millionen Euro. Das Global Impact Investing Network (GIIN) schätzt das globale Volumen auf 715 Milliarden US-Dollar.
Die Gesamtsumme der Geldanlagen, die in Deutschland unter Berücksichtigung von strengen umweltbezogenen, sozialen und auf eine verantwortungsvolle Unternehmensführung bezogenen Kriterien angelegt sind, ist 2020 um 25 Prozent gestiegen und erreichte zum Jahresende 2020 ein neues Rekordvolumen von 335,3 Milliarden Euro. Insbesondere nachhaltige Investmentfonds verzeichneten deutliche Zuflüsse und lagen mit einem Volumen von 107,0 Milliarden Euro um rund 69 Prozent über dem Vorjahreswert. Berücksichtigt man zudem die Kapitalanlagen, für die Nachhaltigkeitskriterien auf Unternehmensebene verankert sind, ergibt sich zum 31.12.2020 eine Gesamtsumme von rund 1,93 Billionen Euro für verantwortliche Investments in Deutschland. (Quelle: Marktberichts 2021, Forum Nachhaltige Geldanlagen)
Wo sehen Sie noch Schwachstellen im Bereich Impact Investing und welche Mythen bestehen weiter?
Impact Investing steht keineswegs im Widerspruch zu einer attraktiven Rendite. Diese Auffassung ist schlichtweg veraltet und traf höchstens auf die ersten nachhaltigen Kapitalanlagen zu, die es erstmals Ende der 1990er-Jahre gab. Mittlerweile ist ein auskömmlicher Ertrag möglich, ohne dabei auf positive ökologische und soziale Auswirkungen verzichten zu müssen.
Eine zweite Fehleinschätzung besteht darin, dass man Nachhaltigkeits-Investments für sehr kompliziert hält und der Anleger folglich Expertenwissen haben muss. Bei speziellen Anlageformen, die auf komplexe Trends oder Technologien setzen, mag das so sein. Es gibt aber eine Vielzahl von Anlageprodukten, die sehr transparent und leicht verständlich sind. Dazu zählen beispielsweise Investmentfonds.
Eine weitere häufig genannte Kritik im Zusammenhang mit Impact Investment lautet, dass die erwünschte Wirkung nicht messbar sei. Diese Aussage ist nicht korrekt, denn Anleger sehen von Beginn an, was sie mit ihrer Investition bewirken können. Dies ist gleichzeitig ein wichtiges Kriterium dafür, dass die Anlage überhaupt unter dem Oberbegriff Impact Investing eingeordnet werden darf. Ein anschauliches Beispiel für die Messung der Wirkung ist die Investition in eine Windkraftanlage. In diesem Fall erfährt der Investor im Detail, wie viel Megawatt Ökostrom durch sein Kapital erzeugt werden konnte. Im sozialen Bereich gibt es ebenfalls zahlreiche Beispiele, wie Erfolg und Auswirkung gemessen werden können.
Ralph Lück, Foto: ©TGM
Über Ralph Lück, Geschäftsführer der TGM Unternehmensberatung
Seit 2014 begleitet Ralph Lück eigenständig Familienunternehmen und Inhaber mittelständischer Unternehmen in allen Fragen der Unternehmensfinanzierung und der nachhaltigen Strukturierung des Vermögens. Durch seine langjährige Erfahrung und spezielle Expertise fokussiert sich sein Beratungsansatz auf die Inhaberstrategie, die Unternehmensstrategie und die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen an den Finanz- und Kapitalmärkten, wie zum Beispiel ESG-Kriterien und EU-Taxonomie. Seit 2019 ist Ralph Lück als Family Officer tätig mit einem Schwerpunkt in den Assetklassen Beteiligungen und Private Equity. Er begleitet Mandate in Aufsichtsräten und Beiräten von Wachstumsunternehmen im IT-Bereich.
Quellen: Bilder: Depositphotos/nito103, Krakenimages.com, vovan13, Text: Ulrike Stöckle
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