Man mag es kaum glauben, aber Artenschutz warnt: Spatz oder Haussperling kurz vor dem Aussterben. Foto: NABU/Fotonatur
Artenschutz europaweit stark gefährdet
Unzählige Straßen, Autobahnen, Zuggleise, intensive Landwirtschaft und die Stadtentwicklungen sorgen für eine immer größer werdende Fragmentierung Europas. Der Effekt: Europäische Landschaften werden in immer kleinere Stücke zerteilt und Tier- und Pflanzenarten sterben aus. Artenschutz muss verbessert werden.
Zum ersten Mal ist ein Report erschienen, der einen europaweiten Überblick über die Fragmentierung der Kulturlandschaften, damit den massiven Eingriff in empfindliche Ökosysteme, gibt und die Auswirkung auf den Artenschutz. Zwar gebe es verschiedene auslösende Faktoren für die Fragmentierung in den einzelnen europäischen Regionen, doch das Ergebnis ist für alle gleich. Laut der Europäischen Umweltagentur ist das hierbei entstandene Bild über den Artenschutz besorgniserregend.
Viele neue Straßen sind Gefahr für den Artenschutz
Kreuz und Quer verlaufen die Straßen in Europa und zerschneiden die Kulturlandschaften. Die Fragmentierung der Landschaft steigt hierdurch stetig und Tierpopulationen werden isoliert, in kleinere Gruppen aufgeteilt. Viele intakte Ökosysteme schrumpfen. Für den Artenschutz wirkt sich dies mehr als negativ aus und ehedem schon bedrohte Tierarten werden noch verletzlicher. Dies ist somit kontraproduktiv für den Artenschutz und damit die Artenvielfalt.
Impressionen bedrohter Tierarten
Weiterhin vermeldet die Europäische Umweltagentur erhöhte Zahlen von tödlichen Unfällen der Tiere mit Fahrzeugen aller Art. Eine weitere Gefahr der Fragmentierung durch das europäische Straßennetz begründet darin, dass die Verkehrsdichte vielen Tieren den Weg zu Paarungspartnern verwehrt oder ihnen den Zugang zu Futterplätzen unmöglich macht. Auch hier sieht man eine dramatische Gefährdung des Artenschutzes. Die Logistik für das Transportwesen und deren Randgebiete sind ebenfalls eine Gefahr für den Artenschutz. Denn diese nicht mehr intakten Ökosysteme werden von den meisten Tieren gemieden.
Kleines Beispiel, große Wirkung: Feldhase vor dem Aussterben
Zumindest in der Schweiz ist der Feldhase kurz vor dem Aussterben. Dank der Fragmentierung der Landschaften durch Straßen und der gleichzeitigen Intensiv-Landwirtschaft, kann der Artenschutz für den Feldhasen kaum noch greifen. Die Straßen sind für ihn oft eine Todesfalle oder machen wettergeschützte Gebiete unerreichbar.
Die Grafik des WWFs zeigt die Top Ten der bedrohten Tierarten. Zur Vergrösserung auf das Bild klicken. Quelle: WWF
Artenschutz schwierig, da Tiere spät Auswirkungen zeigen
Das Beispiel des Schweizer Feldhasen sei laut Europäischer Umweltagentur nahezu unvermeidbar, am «point of no-return». Zwar gibt es heute vielfältige Bemühungen zum Artenschutz, doch Tiere reagieren nicht sofort auf Veränderung der Kulturlandschaft. Laut Europäischer Umweltagentur kann eine Reaktion und damit eine Auswirkung auf die Population auch zwei, drei Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Zumindest, bis es der Mensch merkt oder wahrnimmt. Somit ist zu befürchten, dass jüngere Eingriffe in die Natur durch Bebauung mit Straßen, steigender Urbanisierung, etc. erst in den künftigen Dekaden den Artenschützer spürbar auffallen.
Positives Artenschutz-Beispiel: Der niederländische Dachs
Bei all den negativen Ergebnissen, die die Fragmentierung laut Studie mit sich bringt, ist die steigende Population des in den Niederlanden lange bedrohten Dachs. Der engagierte Artenschutz durch eine Defragmentierung der Verkehrswege, bereits 1984 beschlossen, und die Einbringung von Laufröhren unter den Straßen zeigt Wirkung. Die Dachs-Populationen in Holland zeigen sich deutlich erholt.
Besserer Artenschutz dringend empfohlen
Die Europäische Umweltagentur empfiehlt, dass Straßen, deren Frequenz sinkt, zu verkleinern oder ganz zurückzubauen. Verkehrsplaner sollten sorgsamer und vorausplanend arbeiten, um Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Auch sollten alte Straßen eher ausgebaut werden, als neue in die Landschaft zu setzen. Tunnel und Übergänge für die Tiere müssen geschaffen werden, um den Artenschutz gerecht zu werden. Denn letztlich kollidiert die Fragmentierung unserer Kulturlandschaften mit der EU-Strategie zum Erhalt der Biodiversität und zum Schutz von Ökosystemen. Zudem gilt: Bitte auch Vögel im heimischen Garten oder auf dem Balkon das ganze Jahr füttern. Die Tiere finden einfach nicht mehr genügend Futter.
Infos zur Fragmentierung und der Gefahr für die Artenvielfalt
- Die höchste Fragmentierungsquote in Europa ist in den Benelux-Staaten zu finden, dicht gefolgt von Malta, Deutschland und Frankreich.
- Rumänien schneidet am besten ab. Über 500 Schutzgebiete verhindern eine starke Fragmentierung.
- In Rumänien leben durch diese optimalen Artenschutz-Maßnahmen 60 % der Bären, 40 % der Wölfe und 35 % der Luchse in Europa.
- Ost- und Zentraleuropa haben Straßen-Großprojekte in der Planung, die auch dort eine starke Fragmentierung der Kulturlandschaften auslösen wird.
- Regionen wie Schottland und Skandinavien ermöglichen mehr Artenschutz durch eine geringere Fragmentierung und eine dünne Besiedlung.
Quelle: Europäische Umweltagentur Text: Jürgen Rösemeier