Was unsere Wegwerfgesellschaft mit dem Hunger in der Welt zu tun hat
Während wir im Überfluss leben, verhungern in einem anderen Teil der Welt viele Menschen. Und das, obwohl unsere weltweite Lebensmittelproduktion derzeit rund 14 Milliarden Menschen satt machen würde. Wie kann das sein? Hier erfährst du die globalen Zusammenhänge und was dein Konsumverhalten mit dem Hunger in der Welt zu tun hat.
Spätestens seit dem Film „Taste the Waste“ von Valentin Thurn wird über das Wegwerfen von Nahrungsmitteln in Deutschland stark debattiert. Der Film zeigt, dass in Deutschland rund 20 Millionen Tonnen Lebensmittel jährlich im Müll landen, ein Großteil davon aus Privathaushalten.
Mehr als 300 € pro Kopf für die Tonne
Im Frühjahr 2011 führte die Firma Confresco im Rahmen der Studie „Save Food“ eine Befragung durch, die ergab, dass jeder Bundesbürger durchschnittlich 80 Kilo Lebensmittel pro Jahr in den Müll wirft – das macht einen pro-Kopf-Betrag von etwa 310 Euro.
84 Prozent der Verbraucher werfen Lebensmittel weg, weil das Haltbarkeitsdatum abgelaufen oder die Ware verdorben ist. 19 Prozent nannten zu große Verpackungen als Hauptgrund und 16 Prozent der Verbraucher werfen Lebensmittel auf den Müll, weil sie ihnen nicht schmecken. Die Studie ergab außerdem, dass Obst, Gemüse und Backwaren zu den häufigsten Abfallprodukten gehören.
Ist das Haltbarkeitsdatum schuld?
Nach Bekanntwerden dieser Zahlen veranlasste Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner eine Aktion zur Aufklärung über das Mindesthaltbarkeitsdatum. Politiker nehmen an, dass das Wort „Mindesthaltbarkeit“ fehlverstanden und mit „Höchsthaltbarkeit“ verwechselt wird. Lediglich Fleischwaren haben ein sogenanntes „Verbrauchsdatum“ dass nicht überschritten werden sollte. Weitere Gründe für den immensen Lebensmittelmüll seien zudem zu große Verpackungen, Fehlplanungen beim Einkauf und die falsche Lagerung der Lebensmittel.
Doch Nahrungsmittel verkommen nicht nur beim Endverbraucher, sondern auch auf den langen Wegen vom Produzenten bis in die Läden: Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen schätzt, dass weltweit rund ein Drittel der Nahrung bei Herstellern, Händlern und Verbrauchern verloren geht.
Wurden zu Beginn des letzten Jahrhunderts Lebensmittel noch überwiegend lokal erzeugt, ist der Handel mit ihnen heute zu einem großen globalen Geschäft geworden, das lediglich von etwa einem Dutzend Unternehmen beherrscht wird.
Produktion im Ausland spart Geld
Damit Supermärkte und Discounter Lebensmittel zu Dumpingpreisen anbieten können, lassen sie diese oft im Ausland zu günstigeren Produktionskosten herstellen. Dabei bestimmen geringe Umwelt- und Sicherheitsauflagen den Produktions- und Verarbeitungsstandort. Hinzu kommt, dass Supermärkte nicht nur deutsches Saisongemüse und Obst verkaufen, sondern dem Kunden möglichst ganzjährig eine große Bandbreite an Lebensmitteln anbieten wollen. Daher müssen spanische Gewächshaustomaten, holländische Zwiebeln oder südamerikanische Bananen eine weite Reise zurücklegen, ehe sie in unseren Supermarktregalen landen. Selbst der wenig exotische Schnittlauch, kann einen Weg von mehr als 13.500 Kilometern hinter sich haben, bis er in unseren Supermärkten zu finden ist.
Die Produktion im Ausland spart der Lebensmittelindustrie zwar Geld ein, durch den großen Transportaufwand werden jedoch hohe CO2- Emissionen erzeugt und globale Ressourcen wie Erdöl verbraucht.
Krumme Gurken haben keine Chance
Gemüse und Obst, das Flecken oder Dellen hat, bleibt in den Supermarktregalen liegen. Bereits auf dem Feld bleiben 40 bis 50 Prozent der angebauten Lebensmittel zurück, weil sie zu groß oder zu klein sind. Der Handel will einheitliche Ware haben, die sich gut verkaufen und weiterverarbeiten lässt. Aus diesem Grund werden Normen zu Form und Aussehen gesetzt. Kleinbauern, die nicht so viel produzieren und diese Normen nicht erfüllen können, verlieren ihre Existenz.
Überfluss bei uns – Hunger bei den Anderen
Während wir im Überfluss leben, verhungern in einem anderen Teil der Welt viele Menschen.
Wie kann das sein? Statistisch gesehen reicht die weltweite Produktion derzeit aus um 14 Milliarden Menschen satt zu machen. Und doch wird ein Drittel der globalen Landwirtschaft verschwendet.
Schuld daran sind mitunter EU-Subventionen, mit denen Großgrundbesitzer, Agrarfabriken und Lebensmittelkonzerne gefördert werden. Diese Subventionen haben nicht selten den Zusammenbruch der Wirtschaft in Drittweltländern, wie Afrika, zur Folge.
Ein Fischer aus Senegal beispielsweise, der früher vom Fischen gut leben konnte, hat heute Probleme genügend Fisch zu fangen, da die Gewässer vor Mauretanien und dem Senegal von großen Fabrikschiffen aus Europa, Russland oder Japan leer gefischt sind.
Die EU hat den afrikanischen Ländern, die Rechte vor ihren Küsten zu fischen, abgekauft. In jedem Jahr zahlt die EU allein an Mauretanien 85 Millionen Euro Finanzausgleich für die Fangrechte. Die kleinen Fischer sehen davon jedoch nichts.
Das Leerfischen der Gewässer ist aber nicht nur moralisch, sondern auch ökologisch problematisch: Nur ein Drittel dessen was gefangen wird, lässt sich auch gewinnbringend vermarkten - denn nicht jeder Fisch ist gefragt. Und so werden Unmengen von Fisch noch vor der Leichfähigkeit unnötig getötet. Das hat ein Schrumpfen der Bestände zur Folge.
EU-Ware macht einheimischen Bauern Konkurrenz
Weitere Subventionsleistungen fließen in den Export von Industrieüberschüssen der EU in die Länder der Dritten Welt. Da die Einfuhr, aufgrund niedriger Importzölle, dort sehr günstig ist, werden Waren, die in Europa im Überfluss produziert und nicht verkauft werden konnten, in Drittweltländer geschickt. So sind auf den Märkten dort häufig kaum noch Lebensmittel aus einheimischem Anbau zu finden.
Belgisches Geflügel beispielsweise, wird sehr günstig ins Ausland verkauft und gefährdet dort die einheimische Produktion. Einheimische Kleinbauern haben somit keine Chance mehr, ihre eigene Ware zu rentablen Preisen zu verkaufen.
Die Politik bezeichnet dieses als freien Wettbewerb. In Wahrheit sollen aber vor allem Länder der Dritten Welt freien Zugang zu Waren der Ersten Welt haben, während die Erste Welt ihren eigenen Markt selber mit hohen Zollschranken vor ausländischen Importen abschottet.
Die Umwelt leidet auch
Neben hohen CO2-Emissionen durch die weiten Transportwege der Nahrungsmittel und den leergefischten Meeren, leiden auch die Wälder unter den Auswirkungen der Lebensmittelindustrie.
Große Regenwaldflächen werden brandgerodet, um Weiden und Ackerflächen für Viehzucht und Futtermittelanbau zu schaffen. Studien ergeben, dass weltweit rund 130.000 km² Waldflächen pro Jahr vernichtet werden, davon sind ca. 90.000 km² tropischer Regenwald und tropischer Mangrovenwald. Die Folgen solcher Brandrodungen sind verheerend. Neben den unzähligen Tieren, die in den Flammen umkommen, werden große Mengen CO2 freigesetzt, die das Klima bedrohen. Zudem fehlt schließlich die üppige Vegetation des Regenwaldes, um Wasser, Nährstoffe und CO2 zu binden: Nach wenigen Jahren wird aus dem Gebiet eine Steppenlandschaft.
Allein um die Massentierhaltung in Deutschland zu gewährleisten werden 2,6 Millionen Hektar Fläche in Südamerika mit Soja-Monokulturen bepflanzt, um Kraftfuttermittel auf Sojabasis anbauen zu können.
Die Zukunft der Welternährung
Die Konzentration von Macht in der Hand weniger Großkonzerne, die Expansion nicht nachhaltigen Wirtschaftens und die Schwächung des Marktes der Drittweltstaaten, tragen zum Hunger in der Welt und einer Vielzahl von Umweltproblemen bei. Überschussproduktionen, die keine Abnehmer finden, erhöhen den Weltmarktpreis, den sich arme Länder nicht leisten können. Ebenso haben arme Staaten nicht die Möglichkeit ihre eigenen Märkte und Bauern mit Subventionen zu unterstützen und sie auf dem globalen Markt wettbewerbsfähig zu machen. „Die Zukunft der Welternährung könnte gesichert werden, wenn wir unsere gegenwärtigen Überschüsse dazu nutzen, die industrielle Landwirtschaft aufzugeben und wieder eine Mischung nachhaltiger Anbaumethoden auf lokaler Ebene einführen.“ (James Bruges: Das kleine Buch der Erde. Wohin gehen wir?)
Auch du kannst etwas tun, um die immense Verschwendung zu stoppen. Wie das geht, erfährst du hier.
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Quellen: Bundesregierung.de, Veggiyday.de, Zeit.de, Handelsblatt.com, Bild: depositphotos zurijeta / ginasanders, Text: Meike Riebe
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