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Adam Shaw reiste  in die USA, um Janine Benyus zu treffen. Die Gründerin des Biomimetik-Instituts
Gastbeitrag von Adam Shaw

Gastbeitrag: Adam Shaw auf den Spuren der Natur

Jedes Wochenende geht Adam Shaw derzeit überall auf der Welt spannenden Phänomenen nach. Für eine Folge seiner Technologie-Sendung hat er sich mit der Biomimetik befasst und deren Auswirkungen buchstäblich am eigenen Leib erfahren. Bei ecowoman berichtet er über seine Erlebnisse. 

Wie diese Geschichte endet? Ich hänge an einer Wand in einem regenbogenfarbenen Anzug in einer leeren Lagerhalle an einem Highway in Baltimore. Angefangen hat sie allerdings ganz anders…

Ich war in die USA gereist, um Janine Benyus zu treffen. Die Gründerin des Biomimetik-Instituts wird oft zitiert im Zusammenhang mit dem mittlerweile weit verbreiteten Begriff aus ihrem Buch Biomimetic: Innovation Inspired by Nature.

Auf der Welt leben angeblich über acht Millionen Arten. Sie liefern einen ganzen Pool an Material und Erfahrungen, von denen wir einiges lernen können. Wissenschaftlern aus aller Welt wird langsam klar, dass sie vielleicht gar keine neuen Lösungen entwickeln brauchen – das haben andere Tiere bereits getan. Alles, was wir tun müssen, ist zusehen, verstehen und nachmachen. Wir lernen dadurch nicht nur etwas über die Natur, wir lernen von ihr. 

Die Natur ist das beste Labor

Adam Shaw hängt  an einer Wand in einem regenbogenfarbenen Anzug in einer leeren Lagerhalle

Adam Shaw hängt  an einer Wand in einem regenbogenfarbenen Anzug in einer leeren Lagerhalle. 

Ich traf Janine in einem Zoo voller Tiere und Pflanzen. Die Natur ist das beste Labor überhaupt. Sie zu verstehen und von ihr zu lernen, sagt sie, bringt uns bereits gewaltige Vorteile. Sie erzählte von einer möglicherweise lebensrettenden Erfindung, die vom Nebeltrinker-Käfer aus der Namib-Wüste inspiriert ist. Das Insekt gewinnt den feuchten Nebel aus der Luft, indem es ihn auf seinem Rücken verdunsten lässt und dann das Wasser speichert.

In Chile wird die Idee des Käfers als Lösung für ein Problem in der Atacama-Wüste genutzt – die trockenste nicht-polare Region der Welt, wo es seit Jahrhunderten nicht mehr geregnet hat. Neblig ist es dort jedoch sehr häufig. Am Rande der Wüste filmte unser Team den Umweltingenieur Juan de Dios Rivera, der riesige Netze auslegte, um den feuchten Nebel einzufangen, der vom Pazifik herüberzieht.

Zusammen mit der örtlichen Gemeinde erschließt Juan de Dios Rivera derzeit ein Stück Land, das mit Hilfe von Nebelkollektoren bewässert wird. Es wachsen dort bereits Olivenbäume und Weinreben. Juan gibt zwar zu, dass die Zukunft seiner Nebelfarm ungewiss ist, doch wenn die Einheimischen von der Bewirtschaftung des Lands mit Nebelwasser leben können, so sagt er, wird das Projekt wachsen und könnte zu einem Vorbild für Menschen überall auf der Welt werden, die in trockenen Regionen versuchen, Landwirtschaft zu betreiben.

Natur als Inspiration für Zukunft der Medizin

In Kairo filmten wir andere Biomimetik-Wissenschaftler, die erforschten, wie sich Sperma fortbewegt. Sie erhoffen sich davon, eine Methode zu entwickeln, wie man Medikamente präzise im Körper einsetzen kann. Das Medikament soll mittels injizierter Mikroroboter an die jeweilige Stelle gelangen.

Das alles klingt nach dem Film Die Phantastische Reise von 1966, in dem Raquel Welch samt U-Boot und Experten-Team verkleinert und in den Körper eines Spions injiziert wird, um ein Blutgerinnsel zu entfernen. Ob nun eher Raquel Welch oder das Sperma die Inspirationsquelle für die ägyptischen Wissenschaftler war, lässt sich schwer sagen – auf jeden Fall könnten sie mit ihrer Arbeit die Zukunft der Medizin revolutionieren.

In Kairo filmten wir andere Biomimetik-Wissenschaftler, die erforschten, wie sich Sperma fortbewegt.

Klettverschluss ist das bekannteste Beispiel für Biomimetik

In Baltimore versuchte ich, visuell für unsere Fernsehzuschauer zu erklären, wie schlau Biomimetik-Methoden tatsächlich sein können. Wir brauchten ein starkes visuelles Eröffnungsbild für unsere Reportage und das bekannteste Beispiel für ein Biomimetik-Produkt ist Klettband.

1941 kehrte ein Schweizer Ingenieur namens George de Mestral zurück von einer Jagd. An einer Hose und im Mantel seines Hundes hatten sich stachelige Samenkapseln verfangen. Als er die Samenkapseln unter dem Mikroskop untersuchte, staunte er, wie sie sich mit genial geformten borstigen Haken an Tierfell festhaken. So werden die Samen von einem Tier weiter getragen und die Pflanze kann sich in neuen Gegenden ausbreiten. Mestral lernte schließlich, Nylon zu einem Stoff mit winzigen Widerhaken zu verarbeiten, der sich wie künstliche Kletten verhält: Die Erfindung des Klettverschlusses revolutionierte die Art der Befestigung.

Manchmal sagen Bilder mehr als Worte

Aber jetzt noch mal: Warum hänge ich an einer Wand? Vielleicht wissen Sie schon, warum. Um zu demonstrieren, wie effektiv das Imitieren der Natur sein kann, fanden wir einen Anbieter, der neben Kirmes-Fahrgeschäften auch Klettwände liefert. Man steckte mich in einen bunten Anzug mit Regenbogenstreifen – ebenfalls aus Klettstoff – und hängte mich an die Wand.

Die Idee war folgende: Ich sollte mir eine Anmoderation für den Film überlegen, während ich auf den Regisseur und den Kameramann warte. Ich hatte die Notizen in der Hand, und während das Team die beste Perspektive suchte, sollte ich mir ein paar zentrale Fakten anlesen. Das Problem war natürlich, dass mein Arm mit der Hand, in der ich meine Notizen hielt, an der Wand festhing. So war mein Gesicht viel zu weit weg, um sie lesen zu können. Zehn Minuten lang hing ich also an der Wand fest und versuchte das Team auf mich aufmerksam zu machen, das viel zu sehr mit Drehen beschäftigt schien, um mich zu bemerken.

Heute wie damals bin ich überzeugt, dass sie meine Hilferufe sehr wohl gehört haben; sie haben sich einfach nur gedacht, dass ein schreiender Reporter, der in einem regenbogenfarbenen Klettanzug an einer Wand hängt, die Technologie und die Bedeutung von Biomimetik wohl sehr viel eindrucksvoller erklärt als alles, was ich je hätte sagen können...

ecowoman TV-Tipp: BBC World News Horizons 

Die weiteren Themen und Termine der Serie „Horizons“ finden Sie hier.

 

Mehr Über den Autor:

Adam Shaw ist einer der bekanntesten Wissenschafts-und Wirtschaftsjournalisten im britischen Fernsehen und Radio. Neben der Technologie-Serie „Horizons“ auf BBC World News, deren aktuelle Staffel im Oktober und November ausgestrahlt wird, moderiert er die BBC-Nachrichten und die Radiosendung „Today“, die täglich von 7 Millionen Menschen gehört wird. Er ist außerdem regelmäßig in der „The One Show“ auf BBC 1 zu sehen und moderiert seit vielen Jahren die Sendung „Working Lunch“ auf BBC 2.

Quelle: Huss-PR-Consult / BBC World News, Bild: BBC World News, Intro:  Ronja Kieffer