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Kein Witz

Kein Witz - McDonald´s als Ernährungsberater

Michael Schieferstein ist erfahrener Kochmeister, Gründer der FoodFighters und unter anderem Sachverständiger im Ausschuss des deutschen Bundestages.

Michael Schieferstrein ist ein FoodFighter

©Michael Schieferstein
FoodFighters

Würden Sie sich bei Figurproblemen von einem Hersteller für kalorienreiche Süßigkeiten beraten lassen? Ich jedenfalls nicht. Unsere Verbraucherministerin Ilse Aigner scheint da anderer Meinung zu sein. Bei einem Schulprojekt zur Aufklärung über gesunde Ernährung holt sie McDonalds mit ins Boot. Ja, Sie haben richtig gelesen: Der Fast-Food-Gigant soll Kindern erklären, wie sie sich ernähren sollen. Für McDonalds eine tolle Werbekampagne, für Kinder ein völlig falsches Signal.

Ein paar Zahlen zum Staunen: Laut http://www.zentrum-der-gesundheit.de/ besuchen jeden Tag 64 Millionen Kunden eines der über 32.500 McDonalds Restaurants, die mittlerweile in 117 Ländern unserer Erde präsent sind. Um diese Menschenmasse satt zu bekommen, benötigt die Fast Food-Kette Unmengen an Fleisch, das eigentlich nur mit Hilfe von Massentierhaltung produziert werden kann – ganz zu schweigen von dem Antibiotika im Futter, damit die Tiere schneller wachsen und fett werden.

Fett und Zucker: Auf Kinder haben sie magische Kräfte ©iStockphoto

Fett und Zucker: Auf Kinder haben sie magische Kräfte ©iStockphoto

11 Kilo mehr Gewicht in 30 Tagen

Wie Fast Food wirkt, wird in dem Film „Supersize Me“ von Morgan Spurlock anschaulich dargestellt. Bei einem Selbstexperiment ernährte er sich 30 Tage ausschließlich von McDonalds-Kost. Ergebnis: 11 Kilo mehr Gewicht, Körperfettanteil um 7 Prozent gestiegen, Herzinfarkt-Risiko verdoppelt. Hinzu kamen Erschöpfung, Depressionen und Potenzprobleme. Die McDonalds-Oase in Amerika hat ein sichtbares Problem: 60 Prozent der Amerikaner sind zu dick. Übergewicht ist dort die zweithäufigste Todesursache.

Und wie sieht es in Deutschland aus?

Wir sind auf dem Weg zu amerikanischen Verhältnissen. Die Umfrage „Kinder-Barometer“ hat ergeben, dass jedes vierte Kind zu dick ist.

Frau Aigner scheint es zu mögen, wenn sich unsere Kinder mit zu vielen Pfunden durchs Leben schleppen müssen. Sie unterstützt nämlich das „Bündnis für Verbraucherbildung“. Das Projekt soll in Schulen  Aufklärungsarbeit zur gesunden Ernährung leisten! Neben den Verbraucherzentralen und anderen Organisationen gehören Rewe, Edeka, Procter & Gamble sowie McDonalds mit dazu. Kein Witz, liebe Leser! Bio-Ketten sind nicht vertreten, dagegen hochkommerziell denkende Unternehmen, die über Jahre hinweg dazu beigetragen haben, dass wir vollgestopft werden mit Dosennahrung, Pestizide-Obst und Billigfleisch.

Unsere Frau Verbraucherministerin bietet damit den Konzernen eine wunderbare Werbeplattform, mit denen die kleinen Kunden rechtzeitig auf die „richtige“ Schiene gelockt werden. Was werden die Kinder denken? McDonalds und Fast-Food sind prima! Schließlich sind unsere Politiker ja Vorbilder. Und die haben doch recht, oder? Sonst würden sie ja nicht in der Schule  auftreten dürfen.

Sie ist nicht in der Lebensmittel-Lobby, versteckt aber was sie im Mund hat. ©iStockphoto

Sie ist nicht in der Lebensmittel-Lobby. Was sie im Mund versteckt bleibt trotzdem ein Geheimnis. ©iStockphoto

 

Klasse gemacht! Die Lebensmittellobby scheint Frau Aigner fest in der Hand zu haben.

Foodwatch e.V. fordert zu Recht: McDonald´s & Co. raus aus den Schulen. PR gehört ebenso wenig in den Klassensaal wie Hamburger und Pommes als Pausenverpflegung nicht geeignet sind. Man kann sich schon die Frage stellen, ob unsere Politiker noch den Draht zum Bürger haben und sich ihrer Verantwortung bewusst sind.

Dass Teile unserer Lebensmittel mittlerweile wie Dreck behandelt werden, zeigen die jüngsten Skandale: Pferdeleichenteile in Lasagne & Co, Schimmel im Kuhfutter und Bio-Eier, die gar keine sind. Und immer wieder betrügen diese Kriminellen monate- oder gar jahrelang, ohne, dass die Kontrolleure etwas merken. Ich will nicht wissen, was wir noch nicht alles wissen über Keime, Bakterien und so weiter, die in unseren Lebensmitteln giftig schnorcheln.

Es ist ein Drama: Fleisch von gequälten Tieren, geballte Zuckerladungen in Getränken, Gift im Gemüse und Dickmacher in der Dose. Unsere Ernährungskultur ist auf dem absteigenden Ast. Das Schulprojekt scheint zum Feldzug gegen die Gesundheit der Kinder und zu einem attraktiven Werbefeldzug der Lebensmittelindustrie zu werden.

Lobbyarbeit macht sich anscheinend bezahlt. Und eines scheint wohl Ziel der Politik zu sein: Dicke Kinder! Klar, wer Heißhunger hat, gibt ja auch mehr Geld aus für Hamburger, Cola, Eis und Co.

Foto Focus: Flickr/ Markus Jakobs Credits