Frauen fürs Ganze: Ecowomen
Was hat Erfolg in Führungspositionen mit Putzen zu tun? Dr. Alexandra Hildebrandt, Nachhaltigkeitsexpertin und Wirtschaftspsychologin, über moderne „Ecowomen“.
Wenn in Medien über Frauen in Spitzenpositionen berichtet wird, geht es meistens um die Frage, was sie motiviert, sich gegen Widerstände durchzusetzen, wie sie damit umgehen, sich in männlich dominierten Branchen und Unternehmen zu bewegen. Noch schlimmer ist es bei der Quotendiskussion. Um Inhalte und Aufgaben geht es in den meisten Beiträgen nicht, sondern darum, erst einmal „reinzukommen“. Und dann wird „man“ sehen.
Es geht um Inhalt und Relevanz
Nein, es geht nicht darum, zu den Ersten zu gehören, ein weiblicher Columbus zu sein und den Exotenstatus von Frauen in der Männerwelt zu betonen, sondern darum, Inhalte und Relevanz zu haben und Qualität auch entsprechend zu kommunizieren.
Denn solange Frauen in den Medien nur auf Anekdoten aus ihrem Leben reduziert werden (sie sind schnell auserzählt), ohne zu zeigen, WIE sie ein Unternehmen oder eine Organisation geführt haben oder führen und wofür sie stehen, ist es schwierig, Führungs- und Managementthemen in ihrer Vielfalt zu vermitteln. Und es schädigt jene Frauen, um deren Arbeit und Anspruch es in den jeweiligen Medienbeiträgen geht.
Inzwischen haben wir eine Bundeskanzlerin, können in Männerberufen arbeiten - und werden von Roger Cicero besungen: „Frauen regier'n die Welt". Studien belegen, dass Mädchen in der Schule sogar erfolgreicher als Jungen sind - in absehbarer Zeit auch an den Universitäten. In den vergangen zehn Jahren hat sich der Frauenanteil in den deutschen Vorständen nahezu verdoppelt.
Insgesamt 20 Prozent der Top-Führungskräfte im Mittelstand sind weiblich - fast gleichmäßig verteilt in allen Größenklassen. Im Mittelstand ist fast jede fünfte Führungskraft an der Spitze eine Frau. Im Land der Dübler und Denker gilt für viele Frauen inzwischen auch: Baumarkt statt Boutique. Bereits 2007 verschrieb der Geschäftsführer der Toom Baumarkt GmbH seinem Unternehmen eine Kur nach dem frauenfreundlichen Ikea-Prinzip: „einfach.fertig.los“
Erfolg heißt nicht gleich Macht und Geld
Arianna Huffington, die 2005 die Huffington Post in den USA gründete, sagte zum Start des Onlinemediums in Deutschland Ende 2013, dass die bisherige von Männern gestaltete Welt weder ihnen noch den Frauen wirklich gut tat. Die neue Welt würde von den Frauen kreiert werden -„auch die Männer werden sie lieben". In dieser Welt definiert sich Erfolg nicht nur über Geld, Macht und Ellenbogen.
Sie plädiert für die Idee der „Third Metric", der dritten Ebene des Erfolgs, in der Wohlbefinden und Gesundheit, Offenheit für das Leben, Mitgefühl und Geben im Zentrum stehen - Themen von „Ecowomen“.
Der Begriff steht für mich symbolisch für alle Frauen, die ihr Tun über Qualität statt Quote definieren, die mit sich übereinstimmen, die ihre Haut nicht zu Markte tragen, sondern darauf achten, dass sie sich vom „Selbst“ nicht ablöst. Sie repräsentieren ökologische Lebenskunst, die dazu beiträgt, dass sich jeder Einzelne wieder mehr der Veränderung seines Lebens in umfassenderen Zusammenhängen bewusst wird und sich wohlfühlt in seiner Haut.
Bewusste Lebensführung braucht Gewohnheiten und Rituale, die Grenzen aufheben und für Vertrautheit sorgen. Sie stehen für wohltuende Auszeiten und regenerieren den eigenen Energiehaushalt. Dazu gehört die Körperpflege, die mit Nachdenken beginnt, nicht mit Produkten.
Bitte eine Neudefinition von Schönheit
Die Gründerin von The Body Shop, Anita Roddick, forderte bereits vor Jahrzehnten von der Schönheitsindustrie eine Neudefinition der Schönheit: „Es wird Zeit für eine ganzheitliche Betrachtung, die zugleich Körper und Seele, Geist und Charakter gelten lässt.“ Von zentraler Bedeutung waren für sie dabei Natürlichkeit, Selbstbestimmtheit, Ausstrahlung und Haltung.
„Was am tiefsten im Menschen liegt“, hat der Philosoph Paul Valéry einmal gesagt, „das ist die Haut“. Das „Mark, das Gehirn, alles, was man zum Fühlen, Leiden, Denken“ und zum „In-die-Tiefe-Gehen braucht, sind Erfindungen der Haut!“ (1960, Oeuvres. La Pléiade 2)
Ökologische Lebenskunst bedeutet deshalb vielleicht zuerst, sich seiner eigenen empfindlichen Begrenzung bewusst zu werden und sie in besonderer Weise zu schützen.
All das sammelt sich im Begriff „Ecowomen“, der zur bürgerlichen Mitte gehört, wo derzeit ein nachhaltiger Wertewandel stattfindet: langsam, unaufgeregt und konstant. Hier finden sich keine Öko-Hardliner, denn ökologisch korrektes Verhalten ist für sie selbstverständlich.
Ein Beispiel: Als Claudia Silber bei der memo AG, dem Pionier unter den Versandhändlern mit nachhaltigem Sortiment und Unternehmenspartner von ecowoman, 2009 begann, waren Nachhaltigkeit und Öko-Produkte eher Nischenthemen. Mittlerweile ist „nachhaltiger und bewusster Konsum (fast) in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, bestätigt die Leiterin der Unternehmenskommunikation.
Als Versandhandel präsentiert memo sein Sortiment (Bürobedarf und –möbel, Werbeartikeln sowie Produkten für Schule, Haushalt, Freizeit und Wohnen) über drei Onlineshops und verschiedene Printmedien.
Einige Eigenmarken haben inzwischen eine sympathischere, ansprechendere Verpackung, und bei Formulierungen zum Thema Nachhaltigkeit wird inzwischen auf bessere Verständlichkeit geachtet. Auch Online- und Printmedien sind heute inhaltlich und gestalterisch so ausgerichtet, dass sie „näher am Menschen“ sind.
Der Name ist für Uwe Johänntgen, Marketing-Gesamtleiter, Programm: „memo“ steht nach wie vor für Ökologie, soziale Verträglichkeit, Ökonomie, Qualität und absolute Kundenorientierung. „life“ bedeutet die Hinwendung zum Privatleben - außerhalb von Büro und Beruf. Es lag deshalb nahe, die beiden Begriffe zu verbinden.
Mittelfristig sollen allen an einem nachhaltigen Lebensstil Interessierten „unterschiedliche Impulse und Ideen für ein nachhaltiges Leben“ geboten werden, „mit redaktionellen Inhalten, ausgewählten Produktsortimenten und der Vermittlung von Dienstleistungen“.
Das Beispiel steht stellvertretend für viele andere Unternehmen und zeigt, was getan werden kann, um nicht die Anschlussfähigkeit an das wichtige klimabildende Segment der sozialen Mitte zu verlieren.
Doch was zeichnet „modern Ecowomen“ aus? Das lässt sich gut an Claudia Silber zeigen: Die "Öko-Latschen-Träger" gehören für sie der Vergangenheit an. „Der moderne Öko-Käufer lebt bewusst und nachhaltig, kasteit sich aber nicht, sondern genießt und gibt durchaus auch viel Geld für nachhaltiges Leben aus. Die Produkte sind nicht mehr muffig und angestaubt, sondern haben ein ansprechendes Design und sind darüber hinaus nachhaltig hergestellt“, sagt sie.
Selbstreinigung beim Putzen?
Wie lebt sie selbst? Die Nachhaltigkeitsexpertin bezeichnet sich augenzwinkernd als "Wohnungsspießerin", denn keine Woche vergeht, ohne „zumindest einmal die Wohnung von oben nach unten auf Vordermann zu bringen.“ Gefühlt stand sie damit immer allein da, wenn sie hörte, dass Bekannte entweder eine Putzfrau haben oder maximal alle vier Wochen zu Hause saubermachen. Beides kommt für sie nicht in Frage:
„Denn insgeheim genieße ich das Gefühl nach dem Putzen, wenn alles sauber ist und frisch riecht. Sehr viel besser fühle ich mich seit kurzem, als ich gelesen habe, dass Putzen auch eine Art Meditation sein kann und sogar eine der wichtigsten Traditionen der japanischen Kultur ist. Selbstreinigung sozusagen - und das ist es auch für mich. Beim Putzen lasse ich Gedanken kommen und gehen, denke über schwierige Entscheidungen nach und bringe auch innerlich alles in Ordnung. Danach ist dann oft alles glasklar - im wahrsten Sinne des Wortes.“
Organisatorisch ist ihr jedoch eines besonders wichtig: „Durch meine ‚Selbstreinigung‘ sollen weder Mensch, noch Umwelt, noch Klima zu Schaden kommen. Deshalb verwende ich ausschließlich ökologische Reinigungsmittel auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Mein Staubsauger ist energieeffizient, und sogar meine Müllbeutel tragen den Blauen Engel.“
Putzen gehört für viele Menschen häufig in die Kategorie von Nichtereignissen, die keinen guten Ruf genießen, weil sie für Gedankenlosigkeit und Zeitverlust stehen. Sie fühlen sich unbehaglich, wenn die Zeit beim Saubermachen einfach so verstreicht und nicht „effizient“ genutzt wird.
Doch es wäre im Sinne des Nachhaltigkeitsgedankens, wenn es gelänge, kein schlechtes Gewissen mehr bei banalen und sich wiederholenden Tätigkeiten wie dem Putzen zu haben. Wer also behauptet, dass Putzen eine Last sei, dem legt Claudia Silber ans Herz: „Ändert den Blickwinkel und ‚genießt‘ auch diese Zeit im Hier und Jetzt!“
An ihren Aussagen lässt sich besonders gut ablesen, dass das Putzen vor allem mit unserem Zuhause zu tun hat, dass es ein Netz aus Routinen ist, die wiederum eine wichtige Grundlage für zielgerichtete Aufmerksamkeit sind. Inmitten der Komplexität und des ständigen Umzugs von Provisorium zu Provisorium suchen Menschen nach Konstanten, nach Stabilität, weil die Gesellschaft immer instabiler wird.
Der Begriff „Routine“ ist eine Verkleinerungsform von Route, einem schmalen Pfad. Beide entstehen ähnlich - durch Wiederholungen, die mit einem Sicherheitsgefühl einhergehen, das viele als Gegenmittel gegen den Stress empfinden.
Wer mit der Routine des Putzens umzugehen weiß, verschafft sich auch Zugang zu beschränkten Ressourcen wie Zeit und Optimismus. Denn sie lenkt geistige Energie in geregelte Bahnen und hält Stimmungsschwankungen fern, zudem wird genauer wahrgenommen, was uns glücklich macht. Wird Routine „seelenlos“, bindet sie unsere Aufmerksamkeit nicht mehr und macht einen mechanischen, abgenutzten Eindruck.
Passen die Themen Frauen, Führung und Putzen überhaupt zusammen? Ja, denn „Ecowomen“ haben nicht nur den Blick fürs Ganze, sondern kennen auch jede Ecke. Das Große hat für sie die gleiche Bedeutung wie das Kleine. Wer den Glanz der Nachhaltigkeit verstehen will, sollte vorher geputzt haben. Mehr über Dr. Alexandra Hildebrandt erfahren Sie hier.
Autorenprofil:
- Dr. Alexandra Hildebrandt
- Jahrgang 1970
- Studium der Literaturwissenschaft, Psychologie und Buchwissenschaft
- Nachhaltigkeitsexpertin, Wirtschaftspsychologin, Sachbuchautorin und Mitinitiatorin der Initiative „Gesichter der Nachhaltigkeit“
„Nachhaltigkeit ist für mich das, was bleibt, wenn alles andere nicht mehr hält – unzerstörbar und lebendig.“
Dr. Alexandra Hildebrandt; Bild: thinkstock vladans ; Autor: kle
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