In Politik und Wirtschaft findet ein Umdenken statt ©Hemera

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Gemeinwohl in Politik und Wirtschaft

Können Politiker und Unternehmer als Symbol und Vorbild für Gemeinwohl, soziale Gerechtigkeit und faires Miteinander stehen? Das scheint in Zeiten, wo in allen Medien auf gierige und korrupte Manager und Vorstandsvorsitzende eingedroschen wird und wo politikverdrossene Bürger eigene Initiativen gründen, um ihre Interessen durchzusetzten, unvorstellbar zu sein. Doch dieses Bild ist einseitig und verzerrt die Wirklichkeit, denn auch Politiker, Unternehmen und Manager lernen aus den Fehlern der Vergangenheit.

Ausgerechnet die wegen der Aberkennung ihres Doktortitels vom Amt der Bildungsministerin zurückgetretene CDU-Politikerin Annette Schavan steht für einen neuen politischen Stil, der das „persönliche Wohl hinter das Gemeinwohl des Staates stellt“, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer für politische Verhältnisse ungewöhnlich emotionalen und menschlichen Würdigung feststellte. Auch die relativ leisen Töne der Opposition lassen vermuten, dass hier eine Politikerin zurückgetreten ist, die nicht an ihrem Amt klebte und der es nicht um Macht, Gier und Bereicherung ging, sondern um eine gute Bildungspolitik und mehr Chancen für Jugendliche für eine bessere Bildung. Das war beim zurückgetretenen Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg, der nur scheibchenweise seinen Betrugversuch zugab, noch anders.

Peer Steinbrück auf dem Bundesparteitag 2012 - ©SPD

Peer Steinbrück auf dem Bundesparteitag 2012 - ©SPD

Auch der Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, dem viele Arroganz und zu starke Nähe zur Wirtschaft vorwerfen und der zum Auftakt des Wahljahres kein Fettnäpfchen und keine lukrativen Vorträge in der Privatwirtschaft ausließ, steht für Ehrlichkeit, Offenheit und den Dienst an der Gemeinschaft. Warum sonst sollte er sich eine Kanzlerkandidatur gegen eine scheinbar übermächtige Kanzlerin antun, wenn seine Motivation nicht die Sorge um eine „auseinander brechende Gesellschaft“ ist, weil die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht? Lassen wir Peer Steinbrück selbst zu Wort kommen. Auf die Frage eines Journalisten, ob er sich verstelle, wenn er die soziale Gerechtigkeit zu seinem Thema macht, sagt er: „Eine leistungsfähige Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit bedingen einander. Wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und Leistungsfähigkeit ist die Voraussetzung für sozialen Ausgleich. Aber sozialer Ausgleich und gesellschaftliche Stabilität ist auch die Voraussetzug für wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.“

Zunehmend gute Beispiele für verantwortungsvolle Unternehmensführung mit fairen Geschäftspraktiken, umweltfreundlicher Produktion und einer mitarbeiterorientierten Personalpolitik gibt es auch in der Wirtschaft. Das Faktoren wie Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und Stärkung des eigenen Standortes eine immer größere Rolle spielen, spiegelt sich auch darin wieder, dass die Bundesregierung in diesem Jahr erstmals einen Preis für das beste CSR-Profil eines Unternehmens vergeben wird. 20 Unternehmen stehen dabei zur Auswahl. CSR steht für Corporate Social Responsibility und bezeichnet eine verantwortungsvolle und soziale Unternehmensführung, die das Gemeinwohl im Auge hat und nicht die Gewinnmaximierung.

Auch wenn die Bedeutung des CSR für die Kaufentscheidung und für die Arbeitsplatzwahl heute noch als eher gering bewertet wird: Die Experten rechnen damit, dass das CSR-Profil in 10 Jahren als der entscheidende Faktor in die Bewertung von Unternehmen durch Verbraucher sowie Bewerber einfließen wird.

Auch bei den Managern scheint ein Prozess des Umdenkens begonnen zu haben. VW-Chef Martin Winterkorn verzichtet freiwillig auf eine 20 Millionen Euro Bonuszahlung, die ihm nach einem Rekordgewinnjahr eigentlich zustehen würden, dass wäre „den Menschen sicherlich nicht mehr zu vermitteln“. Recht haben Sie, Herr Winterkorn…

Text: Oliver Bartsch
Bild: ©Hemera, ©SPD