Guerilla-Architektur erobert urbane Räume
Bezahlbarer Wohn- und Arbeitsraum ist in vielen Städten nicht mehr zu haben. Doch urbaner Raum ist für alle da! Und genau deswegen wird immer häufiger versucht mit alternativer Stadtentwicklung kreative Räume zu schaffen; von unten, kreativ und manchmal auch anarchistisch – auf Guerilla-Art eben.
Ein Wohnwagen als Büro, Kulturzentren in verlassenen Fabrikgebäuden, Abenteuerspielplätze auf stillgelegten Baustellen – in Zeiten der Krise ist Kreativität gefragt, wenn es um eine alternative Stadtentwicklung geht. In vielen Städten Europas sind die Menschen weder in der Lage noch bereit, die rasant steigenden Immobilienpreise zu akzeptieren und erobern sich kurzerhand urbane Räume zurück.
Alternative Stadtentwicklung ist immer häufiger gefragt
Vorreiter im Bereich der Guerilla-Architektur ist Spanien. In dem südeuropäischen Land hat die Wirtschaftskrise ganz besonders hart zugeschlagen. Auf den Bau-Boom folgten der Immobiliencrash und damit der abrupte Stillstand und heute prägen unzählige Bauruinen das Bild vieler Städte, während die Mieten für Wohnungen und Büros in schwindelerregende Höhen steigen. Die Suche nach Alternativen ist eine logische Konsequenz auf den wachsenden Druck, dem sich die Spanier ausgesetzt sehen. Viele junge Menschen verlassen das Land. Andere bleiben.
Das mobile Büro ist für jeden zugänglich und kann überall in der Stadt platziert werden.
Unter ihnen ist eine Generation von jungen Architekten, die hart dafür kämpfen, etwas zu verändern – und zwar mit Guerilla-Methoden. Zwar verhandeln sie auch mit den Behörden über Möglichkeiten einer basisdemokratischen, alternativen Stadtentwicklung, doch sie sind nicht bereit, lange auf Genehmigungen zu warten. Stattdessen werden sie auf eigene Faust aktiv und setzen ihre kreativen Ideen ganz unbürokratisch um, zum Beispiel durch Hausbesetzungen. Damit wollen sie nicht nur Räume erobern, jede Aktion ist darüber hinaus ein politisches Signal.
Angesichts horrender Mietpreise erobern sich die Menschen urbane Räume zurück.
Urbane Räume werden auf kreative Weise erobert
Die Guerilla-Architekten sind durchaus erfolgreich. In den vergangenen Jahren haben sich alte Fabrikgelände in Kulturzentren verwandelt und auf Brachflächen werden inzwischen Gemüsebeete angelegt. Ein wichtiges Merkmal der Guerilla-Architektur ist, dass die Aktionen nicht auf Langfristigkeit ausgerichtet sind. Es geht vielmehr darum, den unmittelbaren Bedarf zu decken. Der herrscht natürlich nicht nur in Spanien. Auch in anderen europäischen Städten sorgen horrende Mietpreise für Verzweiflung, während an der nächsten Ecke leerstehende Gebäude vermodern.
Bastian der Stadt:Symbiont ist ein Beispiel für die sogenannte Guerilla Architektur
Mobiles Büro aus Berlin
In Berlin haben sich die Guerilla Architects des Problems angenommen und Pläne für ein mobiles Büro entworfen. Denn Arbeitsraum oder gar ein eigenes Büro können sich auch in Deutschlands Hauptstadt aktuell nur die Wenigsten leisten. Vor allem Kreative und freischaffende Künstler ohne festes Einkommen sind auf Alternativen angewiesen. Eine solche ist „Bastian der Stadt:Symbiont“. Es handelt sich, kurz gesagt, um einen Wohnwagen, der in ein Büro umfunktioniert wurde. Klingt einfach, ist es auch. Und Nachbauen ist ausdrücklich erwünscht: Die Pläne sind auf der Homepage der Guerilla Architects für jedermann einsehbar und können per Mail angefordert werden.
Im umgebauten Wohnwagen finden mehrere Personen gleichzeitig Platz.
Mobiles Büro schafft flexiblen Arbeitsraum mitten in der Stadt
Das Büro ist flexibel und nutzt die Möglichkeiten der städtischen Infrastruktur
Ein großer Vorteil „Bastian der Stadt:Symbiont“ ist dessen Mobilität. Das Büro kann überall in der Stadt „geparkt“ werden, sodass seine Nutzer von allen Vorteilen der urbanen Infrastruktur profitieren können, sei es der W-LAN-Anschluss des nahe gelegenen Cafés oder die öffentlichen Toiletten im Park. Der Arbeitsraum ist ausdrücklich nicht nur für eine einzige Person konzipiert, sondern als „Co-Working Space“ angelegt, in dem flexibel und kreativ zusammengearbeitet werden soll. Jeder, der vorbeikommt, kann die Bürofläche nutzen, feste Absprachen oder Nutzungszeiten gibt es nicht. So entwickelt sich ein konstanter Austausch von Ideen und Wissen, der Stillstand verhindert.
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Das mobile Büro ist eines von vielen Projekten der Guerilla Architects, die ihre Projekte auch als „City Hacking“ bezeichnen. Es handelt sich um ein freies Kollektiv, eine Gruppe von Architekten aus verschiedenen Teilen Deutschlands, Italien und Bulgarien, die sich kritisch und kreativ mit den gesellschaftlichen Zwängen ihres Berufs auseinandersetzt und nach Möglichkeiten sucht, urbane Räume unkonventionell zu nutzen. Die internationale Gruppe ist in Berlin, Göttingen, Sofia und bald auch in London ansässig. Weitere Informationen findes du hier:
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Quellen: Guerilla Architects, Bild: Guerilla Architects, Text: Ronja Kieffer