Mistelzweige werden von den Menschen schon lagne genutzt. Sie sollten Glück bringen, Unheil abhalten, laden zum Küssen ein oder sind einfach dekorativ. (c) Thinkstockphotos
Mystik der Mistelzweige und warum jeder einen Kuss abstauben darf
Wenn eine Frau im Advent unvermittelt von einem Wildfremden oder auch dem Liebsten geküsst wird, kann dies durchaus daran liegen, dass sie unter einem Mistelzweig steht. Dieser aus England stammende und über die USA zu uns gelangte Brauch ist für viele nicht der Schlechteste zu Weihnachten. Doch nicht nur zur Dekoration diente einst die Mistel, die mit allerlei Mystischem schon seit Hunderten von Jahren einhergeht.
Allerlei Mystik geht von der Mistel aus. Sicherlich ein guter Grund warum sie als Hauptzutat für den mystischen Zaubertrank bei dem Comichelden Asterix und seinen gallischen Freunden gilt. Vermutlich wurden die Macher des Comics von Erzählungen des Römers Plinius inspiriert, der einst von weißgewandeten Druiden erzählte, die die Misteln verehrten, besonders wenn die Schmarotzerpflanze auf Eichen wuchs. Schon damals sei ein Trank aus den im November erscheinenden weißen Beeren der Mistel gebraut worden, der Tier wie Mensch bei Unfruchtbarkeit helfen sollte. Auch heute noch wird der Tee aus Misteln in der alternativen Medizin eingesetzt aufgrund der blutdrucksenkenden Wirkung und antroposophisch arbeitende Ärzte setzen einen Mistel-Trunk als Ergänzung in der Krebstherapie ein.
Was hat Viskosität mit Misteln zu tun?
Es gibt etwa 30 verschiedene Arten von Misteln. Auch in tropischen und subtropischen Regionen ist diese zur Familie der Sandelgehölze gehörende Schmarotzerpflanze auf Bäumen zu finden. Die sehr langsam wachsende Pflanze hat im lateinischen den botanischen Namen ‚Viscum‘. Viscum heißt so viel wie Klebstoff und gilt als Ursprung für die heutige Bezeichnung ‚Viskosität‘, das Maß der Zähflüssigkeit einer schwer fließenden Masse. Tatsächlich haben die Römer aus den klebrigen Beeren einen Klebstoff gemacht, mit dem damals Vögel gefangen wurden.
Mistelzweige: Ein Schutz vor Unglück
Die über der Haustür aufgehängten Mistelzweige waren Jahrhunderte lang ein Schutz vor vielerlei Unglück, vor bösen Menschen oder auch Feuer. Der auch als Hexenbesen bezeichnete Mistelzweig sollte letztlich auch böse Hexen fernhalten.
Mistelzweige und alte Traditionen zur Winterzeit
Einer der Gründe für die vielseitig eingesetzte Dekoration mit Mistelzweigen basiert sicherlich auf den alten, überlieferten Traditionen. Offensichtlich wurde diese Tradition im englischsprachigem Raum besonders lange beibehalten und wurde über die Jahrhunderte zum Treffpunkt aller Kusswilligen - direkt unter dem Hauseingang. Diese schöne Tradition kam irgendwann nach Deutschland. Bei uns wird der Mistelzweig allerdings gerne auch in Räumen oder in Türrahmen vor einem Zimmer aufgehängt. Wer in Großbritannien übrigens den Kuss verweigere – ein noch größerer Faux-Pas, als Hierzulande -, der soll der Legende nach im kommenden Jahr ledig bleiben.
Neben der sich eingebürgerten Tradition des Küssens ist die Mistel heute sicherlich auch aus rein dekorativen Gründen beliebt. Denn die erst spät im Jahr ausgebildeten Mistelbeeren bestechen durch ihr schlichtes Weiß, wodurch sie nahezu jeder winterlichen und weihnachtlichen Dekoration zu kombinieren sind.
In Frankreich wünscht man sich unter einem im Haus aufgehängten Mistelzweig zu Silvester übrigens viel Glück für das neue Jahr und in Skandinavien gibt es einen Versöhnungskuss unter einem Mistelzweig, gab es einmal Streitigkeiten.
Vielleicht muss man auch nicht unbedingt jedes Jahr einen Mistelzweig vor oder in das Haus hängen und genießt stattdessen den Anblick dieses langsam wachsenden Gewächses bei einem schönen Winterspaziergang. Zumal: Auch unter einem Baum können sich Kusswillige näherkommen…
Text: Jürgen Rösemeier