
Das Geheimnis seines Erfolgs: Der Skandinavien-Style
Was genau macht ihn aus, den Skandinavien-Trend, der sich mittlerweile seit einigen Jahren nicht nur anhaltender, sondern wachsender Beliebtheit erfreut? Die Bilder weiter, von Seen durchzogenen und von Bergen eingerahmten Landschaften, die sich beim Gedanken an die Länder des Nordens aufdrängen, spielen sicherlich eine Rolle. Der Gedanke an die Gemütlichkeit, die von den klassischen nordischen Holzhäusern ausgeht, ebenso. Nicht zu vergessen die offensichtliche Schlichtheit, die unterschiedlichste Menschen zu vereinen vermag. Am Ende sind es viele Gründe, die für skandinavische Wohnwelten sprechen.
Einrichten mit Mehrwert
Es gab Zeiten, da waren IKEA-Möbel beinahe verpönt. Niemand wollte die Einrichtungsstücke des schwedischen Möbelherstellers so richtig toll finden, trotzdem ließen sich in vielen Haushalten wenigstens vereinzelte Exemplare von Regalen, Sofas, Sesseln oder Tischen finden. Die Meinung damals: Die Möbel sind zweifellos praktisch und mit einem Preis-Leistungsverhältnis, über das sich kaum streiten lässt.
Was skandinavischen Möbeln damals wie heute sehr bei ihrem internationalen Siegeszug hilft, ist unter anderem das konsensfähige Design. Während manche Einrichtungsstile eine Frage des persönlichen Geschmacks sind und dementsprechend nicht von jedem gleichermaßen wohlwollend aufgenommen werden, ist das beim „Schweden-Schick“ durchaus anders. Die Möbel wollen niemandem etwas beweisen, noch möchten ihre Nutzer das gegenüber irgendjemandem tun. Sie sind nicht prunkvoll oder aufdringlich, sie sind vielmehr schlicht und gleichzeitig detailverliebt genug, dass sich unterschiedlichste Menschen auf sie einlassen können.
Darüber hinaus vermitteln die skandinavischen Wohnwelten viele der Werte, die auch für junge Menschen wieder von größerer Bedeutung sind. Beständigkeit beispielsweise, denn obwohl sich selbstverständlich auch der skandinavische Stil verändert und unter dem Vorzeichen der Globalisierung nicht frei von äußeren Einflüssen bleibt – am Ende ist er dennoch unverkennbar.
Dass unter den namhaften Designern der skandinavischen Länder seit jeder das handwerkliche Arbeiten mit hochwertigen Materialien einen hohen Stellenwert genießt, macht ihre Produkte heute nur noch beliebter. Nachhaltigkeit ist eines der großen Themen, dass die Menschen beschäftigt und für das die Möbel aus dem Norden so etwas wie Symbole zum darin wohnen geworden sind.
Der Wert der Einrichtungsstücke liegt daher nicht nur im rein Materiellen, sondern auch im Ideellen: Vor allem die Holzmöbel geben den Käufern das gute Gefühl, die ökologisch richtige Entscheidung getroffen zu haben, weil sie von der Produktion bis zur Langlebigkeit wirklich nachhaltig sind. Das natürliche Lebensgefühl, das Holz im Wohnraum vermitteln kann, ist in dieser Hinsicht fast schon nur noch ein Bonus.
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Nachhaltigkeit mit Tradition
Langlebig sind offenkundig auch die Grundlagen, auf denen das skandinavische Design beruht. Was international unter dem Gesichtspunkt von funktionaler Natürlichkeit gefeiert wird, ist historisch betrachtet – wie so viele Dinge – aus der Notwendigkeit heraus entstanden. In den nordischen Ländern war das Leben bis hinein in das 20. Jahrhundert vorwiegend von Landwirtschaft und Handwerk geprägt. Design folgte unter diesen Voraussetzungen eher gezwungenermaßen als freiwillig gewählt der Funktion.
Skandinavisches Design drehte sich also gewissermaßen schon immer um das Pragmatische, in dem Einfachheit den Vorrang hat. Das Reduzierte, oftmals nahe am Minimalistischen entlang streifende, was ein so typisches Kennzeichen nordischer Wohnlandschaften – in der internationalen Interpretation wohlgemerkt – geworden ist, hat seinen Ursprung in der Realität von damals, die einfach keinen Platz hatte für schmückende Elemente.
Das mag vielleicht auch der Grund dafür sein, dass der skandinavische Funktionalismus als gestalterisches Prinzip viel weniger einen (intellektuellen) Umbruch darstellte, wie etwa die Neue Sachlichkeit, die in Deutschland maßgeblich vom Bauhaus verbreitet wurde. Zumindest würde es die schon längst vorhandene, traditionelle Vorliebe für das Schlichte erklären, warum die Entwicklungen in mancherlei Hinsicht so unterschiedlich verliefen, obwohl die Ansätze doch so ähnlich waren.
Die skandinavischen Designer mussten nicht erst eine neue Formensprache entwickeln, um der Idee Ausdruck zu verleihen, dass die Einrichtung für den Menschen da zu sein habe und dass gutes Design dabei helfen könne, das alltägliche Leben einfacher zu machen. Zudem blieben sie sich in der Materialwahl treu: Holz, Baumwolle, Flachs, Leinen und andere Naturmaterialien bestimmten vielfach auch die Entwürfe bedeutender Designer.
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Typisch skandinavisch?
Dass „skandinavisch“ inzwischen ein international anerkanntes Synonym für eine bestimmte Form der Einrichtung geworden ist, kann also kaum als Zufall oder beharrliches Marketing bezeichnet werden. Bezogen auf die Länder, aus denen die ebenso schlichten wie funktionellen und doch ästhetisch ansprechenden Möbel kommen, müssen sie als sehr typisch gelten. Das Design, die Alltagswelten und die Vorlieben der Menschen sind hier aufs Engste miteinander verbunden und bedingen sich gegenseitig.
Ein Paradebeispiel ist die berühmte „Hyggeligkeit“, die sprichwörtlich gewordene nordische Gemütlichkeit, die in so vielen nicht-skandinavischen Haushalten mit allerlei Mitteln zu erreichen versucht wird. „Hyggelig“ gilt als erstrebenswert, weil hinter dem Gemütlichen immer auch die Idee von Harmonie und letzten Endes Glück steht. Wer denkt bei dem dänischen und norwegischen Begriff nicht ohne zu zögern an von Natur umgebene Holzhütten mit weißen Fensterrahmen, deren lichtdurchflutete Innenräume allesamt von hellem Holz und weichen Stoffen geprägt sind?
Die wenigsten Menschen werden sich allerdings Gedanken darüber machen, warum diese Form des Wohnens in Skandinavien so weit verbreitet ist. Natürlich mögen es die Schweden, Finnen, Norweger und Dänen ebenfalls gemütlich in ihren vier Wänden, hier wird also kein Klischee touristenwirksam verkauft. Allerdings machen es die Lebensumstände gewissermaßen zu einer Notwendigkeit, sich das Heim so einladend und komfortabel wie nur möglich zu gestalten – im hohen Norden gibt es allzu häufig unfreiwillige Gelegenheit, es bisweilen auch für längere Zeiträume aufsuchen zu müssen.
Damit ist nicht allein die Behaglichkeit des Interieurs gemeint, sondern beispielsweise auch die Art und Weise, wie in skandinavischer Architektur und im Design mit Licht umgegangen wird. Je weiter man in den Norden kommt, desto wichtiger wird es einfach, die Sonnenstunden zu genießen, schon weil die Winter lang und düster werden. Offene Räume und große Fenster, die während der Sommermonate das Sonnenlicht ins Innere Hineinströmen lassen, werden in der dunklen Jahreszeit mit Lichtquellen erhellt, die zumindest einen Anklang an die sommerlich-warme Helligkeit darstellen.
Traditionell innovativ
Dazu kommt eine Besonderheit, die der skandinavische Stil wohl mehr als die meisten anderen Einrichtungsstile für sich beanspruchen kann: Er ist zeitlos. Allerdings nicht im Sinne von unveränderbar, im Gegenteil. Designklassiker von vor mehreren Jahrzehnten fügen sich nach wie vor ohne erkennbare Brüche in zeitgenössische Einrichtungen. Schlicht und funktional scheint irgendwie immer zu gehen, aber das ist keine Selbstverständlichkeit. In der Heimat dieser Möbel mag man das freilich anders sehen, aber da ist der Zugang auch ein anderer.
Andererseits ist der skandinavische Stil auch in südlicheren Gegenden nichts Neues mehr. Was wiederum nicht gleichbedeutend damit wäre, dass er nicht durchaus ständig Neues hervorbrächte. Tatsächlich dürfte es die Innovationskraft skandinavischer Designer sein, die deren Stücke so weithin populär gemacht hat. Diese Innovationskraft zeichnet sich nicht zuletzt dadurch aus, dass sie sich nicht nur um das große Thema Funktionalität dreht, sondern darüber hinaus auch durch eine stilistische Offenheit.
Wie so vieles bei diesem Stil ist auch das eine folgerichtige Entwicklung: Das internationale Interesse ist da, als wird skandinavisches Design ebenfalls internationaler. Skandinavische Designer arbeiten für Unternehmen weltweit, umgekehrt werden ausländische Designer von skandinavischen Firmen rekrutiert. Für die Verbraucher macht diese Entwicklung die Möbel am Ende nur noch zugänglicher, denn auf diese Weise ergeben sich noch mehr Möglichkeiten, den skandinavischen Stil in der einen oder anderen Variante in die eigenen vier Wände zu bringen.
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Vielschichtige Popularität
Von allen diesen Punkten einmal abgesehen, liegt ein Grund für die Popularität nordischer Einflüsse auf die Einrichtungswelten rund um den Globus darin, dass sie schlichtweg den Zeitgeist treffen. Skandinavisches Design vereint viele Elemente, die in der heutigen Zeit (zum Teil wieder) von Bedeutung sind für die Menschen:
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Globalisierung und Digitalisierung machen das Alltagsleben zusehends komplexer. Da ist es eine Erleichterung, wenn das Zuhause eine überschaubare Einfachheit ausstrahlt, ohne dabei kahl oder steril zu wirken.
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Der skandinavische Stil mag darüber hinaus vielen als heimeliger, um nicht zu sagen „hyggeliger“ Gegenentwurf zur täglichen Hektik erscheinen. Die eigenen vier Wände werden so zum Rückzugsort für entspannte Stunden.
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Viel Licht und natürliche, nachhaltig produzierte Materialien: Damit schwimmt der skandinavische Stil regelrecht auf der Trendwelle, die zum einen aus dem größeren Bewusstsein für nachhaltigen Konsum und zum anderen aus mehr Achtsamkeit sich selbst gegenüber besteht.
Die skandinavischen Möbel beweisen somit, dass gesundes Wohnen und modernes, stylisches Wohnen absolut miteinander vereinbar sind. Dass bei den Designern des Nordens der Nachhaltigkeitsgedanke schon lange ein fester Bestandteil ihres Schaffens ist, macht ihre Werke in Zeiten des nachhaltigen Konsums nur noch beliebter – aus ökologischer wie individueller Perspektive.
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Quellen: Bilder: Depositphotos/photographee.eu, Text: red