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Wohnen und arbeiten im Gewächshaus
Nachhaltiges Wohnkonzept

Diese Familie wohnt im Gewächshaus

Wo andere ihre Pflanzen züchten, da wächst diese holländische Familie auf: Im Gewächshaus! Klingt verrückt, ist aber so. Die vierköpfige Familie fühlt sich pudelwohl und möchte eigentlich gar nicht mehr ausziehen.  Wohnen im Gewächshaus – was hat es damit auf sich?

Es hört sich schon ziemlich merkwürdig an: Wohnen in einem Gebilde, das eigentlich für das kontrollierte Züchten von Pflanzen entwickelt wurde. Doch daran scheint sich Familie Scholten aus dem holländischen Rotterdam nicht zu stören. Alles begann damit, dass Mutter Helly, die in ihrem Beruf als botanische Stylistin an die Nähe zu Pflanzen und Natur gewohnt ist, nach einer Möglichkeit suchte, um nachhaltig und mit weniger Energieverbrauch zu leben. Als sie davon hörte, dass die Universität von Rotterdam nach geeigneten Kandidaten für ein experimentelles Wohnkonzept sucht, kam in kurzer Zeit eins zum anderen.

Nachhaltiges und energieeffizientes Wohnen

Nach einem Interview mit dem leitenden Professor, bewarben sich Helly und ihre Familie sofort für das dreijährige Testprojekt „Concept House“ des CHIBB (Concept House Institute of Building- and Business). Seither leben sie im Gewächshaus – 24 Stunden am Tag an sieben Tagen der Woche. Das Gewächshaus ist rund 120 Quadratmeter groß, hat drei Schlafzimmer und befindet sich in der Nähe der Rotterdamer Docks. Mit dem Projekt möchte man testen, ob es sich bei dem „Concept House“ um eine neue, nachhaltige und energieeffiziente Wohnoption handelt. Das Gewächshaus bietet in mehrerlei Hinsicht Vorteile: Durch die Glasfenster auf dem Dach, welche in Richtung der Sonne geneigt sind, kann die Sonnenkraft maximal ausgenutzt werden und gleichzeitig wird die natürliche Belüftung erhöht. Luft strömt außerdem über ein Rohr ins Haus, das knapp einen Meter tief unter der Erde liegt: Es versorgt das Innere mit kühler Luft im Sommer und sorgt für einen wärmenden Luftstrom im Winter. Durch diese Konstruktionen können die Heiz- und Kühlkosten rapide gesenkt werden. Das Gewächshaus verfügt außerdem über einen großen Dachgarten.

Dort wird die vierköpfige Familie das ganze Jahr mit Gemüse und Früchten versorgt – Tomaten, Wassermelonen, Pfeffer, Rote Beete, Zucchini und Blumenkohl gedeihen hervorragend. Die Pflanzen im Gewächshaus selbst sind das ganze Jahr grün, was in nördlicheren Gefilden normalerweise nicht möglich ist. Zur Bewässerung wird Regenwasser aufgefangen und in Tänken auf dem Dach gespeichert. Es kann zum Waschen und zum Benutzen der Toilette genutzt werden. Die mit Lehm beschichteten Innenwände des Hauses regulieren die Temperatur im Inneren: Lehm absorbiert Hitze, sodass es im Sommer angenehm kühl ist ab der Mittagszeit. So viele Vorteile machen das Gewächshaus eigentlich zu einer effizienten und nachhaltigen Wohnalternative – oder?

Nachhaltiges und energieeffizientes Wohnen im Gewächshaus

Viele Vorteile, aber auch einen Nachteil

Einen Haken hat das Wohnen im Gewächshaus: Das Haus und sein Innenleben sind sehr wartungs- und pflegeintensiv! Da wäre zunächst der Lehmputz. Bei starkem Regen kann er weggewaschen werden, was bedeutet, dass er regelmäßig erneuert werden muss. Insgesamt müssen alle Instandhaltungsarbeiten äußerst vorsichtig verrichtet werden, immerhin handelt es sich hier um ein vergleichsweise fragiles Glashaus. Auch der Dachgarten bedarf einer aufmerksamen Pflege – Familie Scholten musste das auf die harte Weise herausfinden: Nach einem einwöchigen Urlaub waren fast alle Pflanzen gestorben! Das Gewächshaus wird schnell heiß, zum Abkühlen sind genug geöffnete Fenster nötig. Wenn die Pflanzen nicht zwei Mal täglich gegossen werden, dann sterben sie. Alternatives Wohnen im Gewächshaus hat seinen Preis, doch in diesem Fall lohnt es sich offenbar, ihn zu zahlen.

Taugt das Gewächshaus als neues Wohnkonzept?

Trotz des intensiven Pflege- und Instandhaltungsaufwands möchte Familie Scholten die grünen und offenen Flächen ihres Gewächshauses am liebsten nicht wieder hergeben. Noch bis 2018 darf sie hier wohnen, danach wird das Design-Gewächshaus für rund 554.000 US Dollar an einen interessierten Käufer verkauft. Auch Helly weiß, dass sie nach dieser Erfahrung nie wieder in einem konventionellen Haus wohnen könnte: Das Gewächshaus arbeitet eher für dich als du für es – die geringen Instandhaltungskosten sind super! Das experimentelle Wohnprojekt kann schon jetzt als Erfolg verbucht werden. Ob es sich in Zukunft durchsetzen kann, bleibt abzuwarten. Es bietet die Möglichkeit, ganzjährig in einer grünen Wohnoase zu leben, die nicht nur die Möglichkeit zum Selbstversorger bietet, sondern darüber hinaus so effizient mit Energie haushaltet, dass das Mehr im Portemonnaie den Mehraufwand in Sachen Pflege und Wartung entschädigt. Wohnen im Gewächshaus –eine neue, experimentelle Architekturidee, die Nachhaltigkeit und Recycling mit einem effizienten und attraktiven Wohnkonzept verbindet.

Taugt das Gewächshaus als neues Wohnkonzept?

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Quellen: Helly Scholten, Bild: Helly Scholten, Mark de Leeuw & Karen Steenwinkel, Text:  Isabel Binzer