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Viele Marktverkäufer geben gerne ihr Gemüse ab
Lebensmittel retten

Foodsharing: eine zweite Chance für Lebensmittel

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen geht einer von neun Menschen abends hungrig zu Bett. Gleichzeitig wird ein Drittel aller Lebensmittel weggeworfen – 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr. "Foodsharing" setzt sich für eine sinnvolle Nutzung aussortierter Lebensmittel ein. Erlebnisbericht einer „Rettungsaktion“.

Es ist Samstag, 14 Uhr, der Mainzer Wochenmarkt schließt gleich. Die Foodsaver, die Lebensmittelretter, erkenne ich schon von weitem: eine Gruppe überwiegend junger Frauen und Männer mit großen, aber leeren Tüten, Beuteln und Rucksäcken. Wir treffen uns, wie über die Plattform foodsharing.de verabredet, am Markt, der noch gut besucht ist. Die ersten Standbetreiber packen allerdings bereits zusammen. Fröhlich begrüßen sich alle, teilen sich in Teams auf und dann geht’s auch schon los. Zusammen mit meiner Gruppe gehe ich zum ersten Stand, wo wir uns mit unseren Foodsharing-Ausweisen vorstellen und nach unverkäuflichen Lebensmitteln fragen. Der Standmitarbeiter kennt die Foodsaver bereits und so bekommen wir direkt eine Kiste mit Kartoffeln und Pflaumen sowie einige Salatköpfe überreicht. Nachdem wir die Lebensmittel umgepackt haben, ziehen wir weiter zum nächsten Stand und das Spiel geht von vorne los. Das Ganze wirkt routiniert, aber schließlich bestehe die Kooperation mit dem Wochenmarkt auch schon seit über einem Jahr, wie mir die anderen erzählen.

Was ist Foodsharing?

Foodsharing e.V. wurde 2012 gegründet und zählt im gesamten deutschsprachigen Raum circa 10.000 ehrenamtliche Mitarbeiter, die der Wunsch, etwas gegen die Verschwendung von Lebensmitteln zu unternehmen, verbindet. Zunächst einmal ist jeder, der sich bei Foodsharing anmeldet, Foodsharer, d.h. jemand, der Lebensmittel teilt. Das Dilemma, wenn man z.B. für eine Feier mal wieder zu viel eingekauft hat oder spontan wegfährt und nicht alle Lebensmittel aufbrauchen kann, kennt wohl jeder. In diesem Fall kann man bei Foodsharing einen virtuellen Essenkorb erstellen und seine Lebensmittel von Interessenten abholen lassen.

… und Foodsaving?

Wer aktiv bei einem Betrieb Lebensmittel abholen, also Foodsaver werden möchte, muss ein Quiz machen und Fragen zu Sinn und Zweck von Foodsharing, dem Ablauf der Abholungen und dem richtigen Umgang mit den geretteten Lebensmitteln beantworten. Nach drei Probeabholungen in Begleitung erfahrener Foodsaver erhält man seinen Ausweis und kann sich dann selbst für Abholungen auf der Plattform eintragen.

Gerettetes Gemüse zur Weiterverarbeitung

Gerettetes Gemüse in der Foodsharing Kochbar Minden. ©Oliver Hallmann / flickr CC BY 2.0

Kooperation mit den Betrieben

Anders als beim rechtlich problematischen „Containern“ oder „Dumpstern“, bei dem Lebensmittel aus den Mülleimern der Supermärkte gerettet werden, arbeiten die Betriebe direkt mit Foodsharing zusammen und freuen sich über die Reduzierung ihres Abfalls. Die Kooperation mit den Betrieben beginnt erst dann, wenn genügend Ehrenamtliche eine 100-prozentige Abholquote gewährleisten können. Bei juristischen Angelegenheiten wird Foodsharing von einer Kanzlei unterstützt, denn mit den Betrieben wird eine Rechtsvereinbarung unterschrieben, die sie von ihrer Haftung befreit.

Die geretteten Lebensmittel

Nachdem wir bei allen Ständen waren, treffen wir uns abseits des Markts und begutachten die erhaltenen Lebensmittel. Die Hitze macht nicht nur uns, sondern auch den Lebensmitteln zu schaffen: angesichts der vielen verfaulten Ananas und matschigen Nektarinen müssen auch die Foodsaver kapitulieren. Die Pflaumen sind jedoch nur etwas weich, die Birnen haben teilweise braune Stellen und bei den Kartoffeln sucht man vergebens nach dem Grund, warum sie aussortiert wurden. Die wirklich nicht mehr genießbaren Lebensmittel werden zur Seite gelegt, der Rest unter den Foodsavern aufgeteilt. Jeder nimmt sich so viel, wie er auch selbst verbrauchen oder an Freunde, Familie und Bedürftige weitergeben kann; alles andere wird zu den „Fairteilern“, öffentlich zugängliche Orte in der Stadt, gebracht, bei denen sich jeder bedienen kann.
Mit Kartoffeln, Zucchini, Obst, einem Salatkopf und dem schönen Gefühl, etwas gegen die Lebensmittelverschwendung getan zu haben, gehe ich nach Hause. Am Abend gibt es dann Bratkartoffeln und einen Obstsalat. Und wer sagt denn, dass Erdbeeren, die sich optisch nicht mehr so gut auf einem Biskuitboden machen, nicht noch in einem Smoothie schmecken können?

Kontaktaufnahme

Foodsharing ist kostenlos und existiert im gesamten deutschsprachigen Raum; Kooperationen mit Betrieben gibt es in allen großen Städten, aber auch in kleineren Orten.Bisher konnten bei fast 2.000 Betrieben über 2 Millionen Kilogramm Lebensmittel gerettet werden.Wenn Sie mehr über Foodsharing erfahren oder aktiv werden möchten, dann besuchen Sie foodsharing.de oder treten Sie bei Facebook einer Foodsharing-Gruppe bei (Foodsharing + Name der Stadt). Ist Ihr Betrieb an einer Kooperation mit Foodsharing interessiert, dann informieren Sie sich hier oder kontaktieren Sie direkt info@foodsharing.de.

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Textquellen: Foodsharing, World Food Programme, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft; Bildquelle: ©altrendo Images-stockbyte,  Text: Annika Klein