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Urban Mining

Urban Mining: Wie aus Abfällen Rohstoffe werden

Die Stadt ist eine Rohstoffmine. Seit dem Wirtschaftsboom der 50er Jahre wurde der Markt nur so von Produkten überschwemmt. Schon bald war jeder Haushalt ausgerüstet. Doch irgendwann kamen modernere Gerätschaften auf den Markt, die alten landeten auf Müllhalden und die sind heute die Rohstoffquellen der Zukunft.

Wenn die Rohstoffpreise steigen, könnten die Müllberge ganz schnell beliebt werden.

Quelle: Danijela Milosevic

Städte existieren schon seit Hunderten von Jahren. Die menschliche Aktivität insbesondere seit den 50er Jahren lässt sie zu modernen „Goldgruben“ werden. Mit dem Wirtschaftswachstum und der damit einher gehenden Massenproduktion kam es zu einem rasanten Anstieg von Konsumprodukten auf den Markt. Schon bald stand in jedem Haushalt Fernseher, Kühlschrank, Waschmaschine und Staubsauger.

Irgendwann waren die Geräte kaputt, und weil es noch keine Recyclingsysteme gab, landete alles entweder irgendwo in der Landschaft oder aber auf der Mülldeponie.

„Landfill Mining“ nennt man die Idee, alte Deponien als Wertstofflager zu nutzen. Ein Grund dafür sind steigende Rohstoffpreise. Je knapper die Rohstoffe auf der Erde werden, umso teurer wird ihre Erschließung, umso mehr lohnt sich die Verwendung bereits gebrauchter Materialien.

Heutzutage haben wir im Haushalt mehr technische Geräte denn je, auch der Durchsatz ist so hoch wie noch nie. Denn der Computer, das Handy, selbst der Kühlschrank veralten nach wenigen Jahren. Doch heute gibt es, zumindest in Deutschland, bestimmte Gesetze, die vorschreiben, dass elektrische Geräte recycelt werden müssen.

Eine Müllhalde ist wie ein Banktresor…

Das war bis in die 90er Jahre nicht der Fall. Deshalb haben wir überall verstreut menschengemachte Lagerstätten – die Mülldeponien. Prof. Stefan Gäth der Justus-Liebig-Universität Gießen nimmt die Müllhalden genauer unter die Lupe. Er möchte feststellen, wie wertvoll sie tatsächlich sind: „Wir möchten wissen, was in dieser Deponie enthalten ist. Wir müssen uns vorstellen, dass wir Menschen sind, die in einen Tresorraum einer Bank gehen. So ist eine Deponie auch aufgebaut. Ich weiß nicht was hinter dem Schließfach ist. Gutes oder Schlechtes. Griechische Papiere oder Papiere aus Luxemburg. Ich brauche also ein Wissen, was in dem Schließfach ist, erst dann kann ich die Bank bewerten. Und eine Deponie kann ich auch erst bewerten, nachdem ich weiß, wo was Gutes lagert und in welchen Mengen.“

Gutes, das sind zum Beispiel Metalle, vor allem Kupfer und Aluminium. Wertvoll sind auch Kunststoffe und brennbare Materialien. Auch Bauchschutt kann in einer Deponie lagern. Den kann man im Straßenbau verwenden. Auf diese Weise müssen keine neuen Steinbrüche erschlossen werden.

„Vor kurzem haben wir einen Vorwerk-Staubsauger herausgeholt“

Aus der Laufzeit einer Deponie, der Einwohnerzahl der Region und der Dichte von Gewerbe und Industrie kann man einen theoretischen Rohstoffgehalt auf der Grundlage von statischen Zahlen berechnen. Doch im Forschungsprojekt wird nicht nur gerechnet, sondern auch gebohrt. Prof. Gäth: „Gegenwärtig untersuchen wir eine Deponie in Wiesbaden, die von 1965 bis 1982 betrieben wurde. Da geht es 40 Meter in die Tiefe. Das Loch hat einen Durchmesser von 80 Zentimetern und dann holen wir das Material schichtweise heraus und sortieren es.“

Um das Alter des Materials herauszufinden, bedienen sich die Forscher verschiedener Anhaltspunkte. Da gibt es zum Beispiel Zeitungspapier, das noch lesbar ist, wo hin und wieder eine Jahreszahl steht. Einen anderen Hinweis liefern alte Cola- oder Fanta-Dosen, die waren früher deutlich dicker.

Gegenwärtig lohnt sich ein Rückbau nicht

Eine Deponie zurückzubauen, um die Wertstoffe herauszuholen, ist sehr aufwändig und teuer. Das lohnt sich nur, wenn die Rohstoffpreise weiterhin steigen. Es gibt auch dafür Modelle, wie sich Rohstoffpreise in der Zukunft entwickeln werden. Stefan Gäth hat die Prognosen in seine Berechnung hineingenommen und kommt zu folgendem Ergebnis: „2030 bis 2035 wird es mit großer Wahrscheinlichkeit wirtschaftlich sein, eine Deponie wie hier im Landkreis zurückzubauen.“

„Der Kupferanteil in Schlacken ist heute schon höher als in einer Kupfermine in Chile“

Seit 2005 darf nur noch auf Deponien landen, was vorbehandelt wurde, also zum Beispiel Material, das vorher in der Müllverbrennung war. Was dann auf die Deponie kommt, sind Verbrennungsreste – Schlacken. Hier finden sich jede Menge nicht brennbarer Teilchen, darunter auch Metalle wie Kupfer.  

Trotzdem sind alte Deponien bis etwa 1990 ergiebiger als die neuen. „Jüngere Deponien sind wertstoffärmer. Der Biomüll wurde eingeführt, die Verpackungsverordnung kam und viele Sekundärrohstoffe wurden gesammelt.“  

Kalifornische Städte recyceln Straßen

Zurück zum Bauschutt. Da schreitet Kalifornien mit gutem Beispiel voran, wenn auch aus der Not heraus. Das Haushaltsbudget reicht nicht für völlig neuen Straßenbelag, also wird wiederverwertet: Die obersten Asphaltschichten der beschädigten Straßen werden abgetragen und pulverisiert. Nun werden chemische Zusätze beigemengt und die Masse gleich wieder aufgetragen. „Cold-In-Place-Recycling“ nennt sich das Verfahren, das laut der Metropolitan Transportation Comission ganze 59 343 kg CO2 einspart und dazu auch noch kostengünstiger ist.

Text: Danijela Milosevic