1. Home
  2.  › Haus & Garten
  3.  › Bauen
Bauarbeiter Styropor Wärmedämmung
Giftige Wärmedämmung

Ist Styropor bereits das neue Asbest?

Jahrzehntelang wirbt die Bundesregierung nun schon für die Energiewende: "Häuser dämmen, weniger Energie verbrauchen und Wände isolieren, um Geld zu sparen?" heißt es. Also werden Häuser möglichst luftdicht und schnell in Polystyrol, besser bekannt als Styropor eingepackt. Wie gefährlich der Stoff für Gesundheit und Umwelt wirklich ist, wird jedoch verschwiegen.

Polystyrol ist der Dämmstoff Nummer eins – fast 80 Prozent aller WDVS-(Wärmeverbundsystem) Fassaden beinhalten das unschlagbar günstige Material.

Mindestens 16cm dickes Styropor sind in Deutschland vorgeschrieben. Luftdicht sollte die Dämmung deshalb sein, damit keine warme Heizungsluft entweichen und von draußen keine kalte Luft eindringen kann.

Die gefährlichen Eigenschaften von Styropor für Umwelt und Gesundheit, sowie sein fraglicher Nutzen werden von Politik und Industrie seit Jahrzehnten bestritten.

Giftige Dämmung

Bereits vor über 10 Jahren, als der Dämm-Wahn seinen Höhepunkt erreichte, gab es kritische Stimmen, die auf die Gefahren von Styropor, aufmerksam machten. Da Styropor ein sehr brennbares Material ist, enthalten die Dämmplatten das Flammenschutzmittel HBCD (Hexabromcyclododecan). HBCD soll im Falle eines Brandes verhindern, dass sich das Feuer nicht über die ganze Fassade ausbreitet. Lange Zeit wurde dabei jedoch kaum beachtet, dass sich das giftige HBCD in der Umwelt anreichert und die Entwicklung von Säuglingen und Embryonen beeinträchtigen kann. Laut dem Bundesamt für Umwelt ist das Gift außerdem sehr langlebig und wurde bereits in arktischen Regionen gefunden, wo weit und breit kein HBCD hergestellt wird.

Bereits 2008 wurde es daher in die Liste der giftigen Stoffe aufgenommen und weltweit verboten. Doch erst seit 2015 darf es in Deutschland nicht mehr für Dämmstoffe verwendet werden. Trotz des Verbots haben Chemiefirmen aber Zeit sich umzustellen, denn aufgrund einer Sonderregelung dürfen HBCD-Platten noch bis August 2017 verkauft werden.

Styropor ist Sondermüll

Doch wohin eigentlich mit dem giftigen Dämmmaterial, wenn Immobilien abgerissen oder saniert werden müssen? Der Protest von Verbraucherschützern und Fachleuten hat Wirkung gezeigt: Seit dem 1. Oktober schreibt eine neue EU-Verordnung vor, dass Styropor-Platten, die mit dem Flammschutzmittel HBCD behandelt worden sind, zu den „giftigen Abfällen“ gehören und als Sondermüll entsorgt werden müssen. Ein Problem für die Baubranche. Viele Baufirmen in ganz Deutschland werden ihre Dämmplatten nun nicht mehr los. Da es deutschlandweit nur 30 Verbrennungsanlagen gibt, die HBCD-behandeltes Styropor verbrennen dürfen und das Material nicht ohne besondere Genehmigung zwischengelagert werden darf, ist ein regelrechter Entsorgungsnotstand ausgebrochen.

Hinzu kommen nun extrem hohe Kosten für die Entsorgung, die vom Hausbesitzer selbst getragen werden müssen. Kostete die Entsorgung von Styropor bis Ende September rund 150 Euro, so sind es seit Oktober 5.000 Euro, in Einzelfällen sogar 8.000 Euro pro Tonne. In Deutschland fallen laut Expertenschätzung jährlich rund 40.000 Tonnen alter Dämmstoffe mit HBCD an. Schon bei einem kleinen Einfamilienhaus können es 400 Kilogramm sein.

Haus in Brand

Styropor-Dämmung erhöht die Brandgefahr.

Gefährliche Brandgefahr

Styropor ist ein aus Erdöl gefertigtes und mit verschiedenen Giften angereichertes Produkt. Und wie wir alle wissen, ist Öl ein hervorragender Brennstoff.  Recherchen des NDR zufolge, ändert auch das, den Dämmplatten zugefügte HBCD, nichts an der Brennbarkeit des Styropors. Ist die Hitze erstmal groß genug, fängt es Feuer und wirkt wie ein Brandbeschleuniger, der das Feuer in Rekordzeit an der ganzen Hausfassade entlang treibt. „Es ist, als würde man Öl in ein loderndes Feuer schütten“, erklärt Peter Bachmeier, Branddirektor München im NDR-Beitrag.

Auch die Tatsache, dass mit HBCD behandelte Dämmplatten bei einem Brand giftige Dämpfe absondern, hätte bereits ausreichen müssen, um der Sache kritischer gegenüber zu stehen.

Polystyrol belastet die Umwelt

Die Politik schreibt vor, dass jedes neue und jedes zu sanierende Haus gedämmt werden muss, um einem Energieverlust vorzubeugen. Wer heute ein zinsgünstiges Darlehen der KfW-Bank zum Sanieren möchte, kommt um die Dämmung seiner Fassade mit Styropor fast nicht mehr herum. Baufirmen bieten in der Regel die preiswerteste Möglichkeit – also Styropor an. Doch Styropor bzw. Polystyrol wird unter hohem Energieaufwand aus Erdöl hergestellt – der Stoff, dessen Verbrauch es eigentlich verhindern soll. Bis sich eine Sanierung mit diesem Wärmedämmverbundsystem rechnet, vergehen mindestens 20 Jahre. Und kaum sind die 20 Jahre vergangen, muss es auch schon erneuert werden. Die Industrie setzt die Lebensdauer von Polystyrol zwar auf 50 Jahre, die Realität hat jedoch gezeigt, dass der Dämmstoff oft bereits nach 35 Jahren ersetzt werden muss.

Zudem muss ein mit Styropor gedämmtes Haus mit Antipilz- und Antischimmel-Mitteln behandelt werden, welche dann über den Regen ins Grundwasser gelangen und die Umwelt belasten.

Moderne Wärmedämmungen sind extrem gesundheitsschädlich

Das in den Dämmplatten eingebaute Flammschutzmittel HBCD ist seit 2008 als besonders besorgniserregender PBT-Stoff gelistet. PBT steht für persistent (schwer abbaubar), bioakkumulativ (Anreicherung in Lebewesen) und toxisch (giftig). Die Gefahr liegt vor allem darin, dass sich HBCD im Körper anreichert und im Verdacht steht, dass Erbgut zu schädigen und Krebs zu verursachen. Zudem enthalten Polystyrol-Dämmplatten mindestens 5% monomeres Styrol, ein Stoff der ausdampfen und reizend auf Augen und Nase wirken kann. Nicht selten leiden Menschen, die in vollgedämmten Häusern wohnen unter Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel.

Der Industrieverband Hartschaum (IVH) streitet das jedoch ab und verweist auf Untersuchungen des Instituts für Bauphysik der Fraunhofergesellschaft und des Forschungsinstitutes für Wärmeschutz e.V. (FIW), die das Ausgasen von HBCD aus Styropor angeblich wiederlegen.

Schimmel im Haus

Weil Polystyrol wasserdicht ist, steigt die Raumluftfeuchtigkeit. Die Folge: Schimmel.

Schimmel durch Styropor

Ein weiteres Problem, dass in 40 Prozent aller mit Styropor gedämmten Wohnungen auftritt, ist Schimmel. Diese Tatsache wird jedoch gerne dem Mieter in die Schuhe geschoben: „Sie lüften nicht richtig“, heißt es dann. Dabei ist es eigentlich ganz logisch: Weil Polystyrol wasserdicht ist und deshalb an den Außenwänden kein Wassertransport stattfinden kann, steigt die Raumluftfeuchtigkeit im Winter teilweise auf über 60 Prozent an. Die Bildung von Schimmelpilzen, sowohl innen, als auch außen, sind die Folge.

Bereits im Jahr 2002 wurde im Ärzteblatt auf einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Wärmedämmung und Krankheiten, wie Asthma hingewiesen, denn durch die hohe Luftfeuchtigkeit steigt nicht nur die Schimmelbildung, sondern auch die Verbreitung von Milben an.

Styropor ist das moderne Asbest

Die heute empfohlene Wärmedämmung ist also nicht so unbedenklich, wie sie gerne dargestellt wird. Es lassen sich sogar Parallelen zur Nutzung von asbesthaltigen Baustoffen ziehen.

Seit 1900 wurde Asbest in Wänden, Dächern und Böden massenhaft verbaut, weil er als Wunderstoff galt, der gegen Hitze, Kälte, Schall und Nässe isoliert und noch dazu feuerfest ist.

Auch hier wurde bereits 1898 vor den gefährlichen und gesundheitsschädlichen Eigenschaften von Asbest gewarnt. Doch erst 1993, fast 100 Jahre später, wurde Asbest, nach einem jahrzehntelangen Kampf mit der Industrie, die immer wieder versuchte, die gesundheitlichen Schäden zu bestreiten, in Deutschland verboten. Auch von Behörden wurde, trotz eindeutiger medizinischer Befunde, nicht die Bevölkerung, sondern die Asbestindustrie, geschützt.

Etwa 60.000 an Asbestose erkrankte Menschen wurden in Deutschland als "anerkannte Asbestopfer" entschädigt. Auch heute erkranken noch Tausende an den Folgen von Asbest, da die Krankheit oft erst Jahre später ausbricht.  

Ähnlich wie damals beim Asbestskandal, werden auch heute die Risiken von Styropor für Umwelt und Gesundheit, von Seiten der Industrie bestritten bzw. kleingeredet (siehe www.ivh.de).

Alternatives Flammschutzmittel: Polymer-FR schützt Styropor vor Feuer

„Sondermüll wird es immer erst, wenn es wirtschaftlich verträglich ist“, sagt Bert Bielefeld, Bauexperte der Universität Siegen im Interview mit dem NDR. So war es auch mit Asbest.

Die Einstufung der mit HBCD behandelten Dämmplatten als Sondermüll führt zu einer aufwendigeren Entsorgung, deren Kosten die Hausbesitzer zu tragen haben. Mit dem Sondermüll-Beschluss vom 1. Oktober wird also vermutlich das Image der Wärmedämmung leiden, was eigentlich nicht im Interesse der Politik ist, die die Wärmedämmung mit billigem Polystyrol bisher gefördert hat. Doch praktischerweise hat die Industrie bereits eine Alternative parat: Sie setzt nun auf Styropor mit dem alternativen Flammschutzmittel Polymer-FR und hat bereits alle Produktlinien darauf umgestellt. Na dann kann ja fleißig weitergedämmt werden

Das könnte Sie auch Interessieren:

Wärmedämmung: Ein kostspieliges Dilemma, das auch noch krank macht

Bildquellen: Depositphotos/brozova, eppic, HandmadePicture, photography33, ginasanders, Text: Meike Riebe