Menschen zusammenbringen und Innovationen umsetzen, um die Welt ein Stück besser zu machen, das treibt Lara Obst, Co-Gründerin von THE CLIMATE CHOICE, schon seit Jahren an. Genau aus dieser Motivation heraus gründete sie bereits im Bachelorstudium ein Non-Profit Kulturticket-Start-up. Auch aufgrund ihrer familiären Verbindung zu Natur und Umwelt beschäftigte sie sich bereits während des Studiums an der Leuphana Universität Lüneburg immer mehr mit den Themen Nachhaltigkeit, Entrepreneurship und Klimawandel. Den Master absolvierte sie an der TU Berlin. Dort entwickelte sie ein Modell zur Sustainability Performance Messung auf Geschäftsebene, das den europäischen Philipp-De-Wood Preis von Deloitte erhielt. Seitdem war sie u. a. Co-Founder von MOWEA (modulare Windenergieanlagen), Venture Developer von Weeve.network (Blockchain IoT Platform) und Corporate Accelerator Manager DACH bei Climate-KIC, bevor sie THE CLIMATE CHOICE zusammen mit dem Serial Entrepreneur Yashi Tarani und dem Bio-Informatiker Dr. Rey Farhan 2020 gründete.
Lara Obst © The CLIMATE Choice
Hat das Thema Nachhaltigkeit schon immer einen hohen Stellenwert in Deinem Leben gehabt?
Lustigerweise, wenn man so zurückblickt, führten schon sehr früh meine Wege in Richtung Nachhaltigkeit. In meiner Jugend habe ich das Thema im Alltag vor allem durch meine Familie erlebt, die aus der Schweiz stammt. Gemeinsam haben wir sehr viel Zeit in den Bergen in Graubünden verbracht. So haben wir schon als Kinder bemerkt, wie Gletscherseen kleiner wurden oder wie Moore langsam vertrockneten. Meine Eltern nutzen schon Jutebeutel und hatten ein Auge darauf, weniger Müll zu produzieren, aber das war nie strukturiert. Es gab ja bereits den Grünen Punkt und viele wissenschaftliche Ansätze, so dass wir damals als Kinder dachten, das würde schon gut funktionieren für die Umwelt.
Erst im Studium beschäftigte ich mich intensiver mit dem Thema und hatte mir dafür auch die Leuphana Universität bewusst ausgesucht, die das einmalige Konzept hat, dass jeder Studierende Nachhaltigkeit mitstudiert. Dabei wurde mir recht schnell die Illusion genommen, dass die Forschung den Klimawandel schon richten würde. Seitdem habe ich mich immer mehr mit dem Thema beschäftigt. Im Masterstudium kam dann der Schlüsselmoment, als ich den Weltklima Report las, an dem das Potsdamer Institut für Klimaforschung mitarbeitete und diesen an meiner Uni als Kurs zur Ökonomie des Klimawandels vorstellte. Das Ergebnis hat mich in eine ganz tiefe Klimaangst versetzte, denn im Resümee stand, dass die für Ende des Jahrhunderts erwarteten Klimafolgen bereits Mitte des Jahrhunderts eintreten können. Das kam direkt bei mir an und machte mir sehr bewusst, der Klimawandel hat ganz konkret etwas mit meinem Leben zu tun und nicht erst mit den kommenden Generationen. So wie ich und meine Generation unser Leben heute gestalten, definieren wir, wie wir im Alter leben werden.
Wie bist Du beruflich dazu gekommen?
Ich bin durch das Studium mit Entrepreneurship, Start-up und Greentech in Kontakt gekommen und erkannte, das mir eine Gründung ermöglicht, meine unterschiedlichen Erfahrungen, Ideen und Kompetenzen für den Klimaschutz zu nutzen. Als Generalistin entwickle ich mich gerne immer wieder in neue Bereiche weiter, sehe aber als Gründerin die Chance, meine Kompetenzen und Erfahrungen direkt in das Start-up zu transferieren. So bringe ich meine Fähigkeiten bestmöglich für den Klimaschutz ein. Die Gründung von THE CLIMATE CHOICE war daher ebenso natürlich, wie zuvor die im Bereich Windenergie und Kultur-Ticketing. Ich habe jedes Mal meine direkten Erfahrungen einbringen und Interessen ausleben können. Natürlich gehört auch immer eine große Portion Glück dazu, mit den richtigen Menschen zu gründen, ein großartiges Team aufzubauen, sowie gleichzeitig andere dabei zu unterstützen, ihr Leben ein Stück besser zu gestalten.
The Climate Choice Team © The CLIMATE Choice
Wie kam die Gründungsidee zu THE CLIMATE CHOICE und was genau macht ihr?
Während meiner Tätigkeit bei Climate-KIC bemerkte ich, dass es bereits viele Angebote zur CO2-Bemessung in Unternehmen gab, aber nicht so viele Angebote, um CO2 zu reduzieren. Genau darauf legen wir den Fokus mit THE CLIMATE CHOICE. Wir bieten Unternehmen eine Software-Plattform, auf der sie ihren eigenen Klimareifegrad erfassen können. Das bedeutet, dass wir keine Co2-Berechnung machen, sondern anhand von internationalen Standards einen Abgleich durchführen, wo das Unternehmen bereits ESG-Kriterien erfüllt, und wo es noch Potenziale hat ganzheitliche Maßnahmen zur Klimatransformation umzusetzen .
Unsere Hypothese ist, dass wir alle Climate Champions werden! Dazu gehört unsere Geschäftsmodelle, Strategien und Maßnahmen zu transformieren, um in der Net Zero Economy erfolgreich bestehen zu können. Diese Bereiche sind allerdings bisher ausschließlich in Nachhaltigkeitsberichten erklärt worden. Mit unserer Software ist es nun möglich, die verschiedenen Kriterien und Indikatoren vergleichbar aufzuzeigen. Es entsteht ein übersichtliches Klima-Scoring, sodass Unternehmen sehr genau sehen können, wo sie aktuell stehen, wie nachhaltig sie wirtschaften und welche Handlungsfelder man daraus ableiten kann. Diese Daten dienen dann intern dem strukturierten Klimamanagement sowie extern dem Reporting gegenüber Stakeholdern und Geschäftspartnern.
Wir konzentrieren uns dabei auf die Erhebung und Validierung der Daten sowie die Erstellung der Klima-Scorecard und -Roadmap. Dazu zeigt die Plattform jedem Unternehmen passend zum eigenen Profil, Prioritäten und konkrete Maßnahmen auf und schlägt dann unterschiedliche Partner vor, die diese Handlungsempfehlungen mit dem Unternehmen umsetzen. Wir gehen also nicht selbst in die Beratung, sondern wir arbeiten mit validierten Unternehmen zusammen, da das Feld der Handlunsgsspielräume unglaublich vielfältig ist. Konkret sind es neun verschiedene Bereiche, die wir Impact-Kategorien nennen. Das sind die Bereiche, in denen Unternehmen am meisten Emissionen reduzieren können. Das geht von Energie, über Mobilität bis hin zu Produktion, Umwelt und Soziales. So können wir ganz gezielt dem Unternehmen aufzeigen, wo es CO2 einsparen und in einem letzten Schritt den Überschuss kompensieren kann - was allerdings für uns die letzte Meile darstellt.
Wir möchten Unternehmen bei unterstützen, ihr Klimamanagement ganzheitlich aufzubauen, klimarelevante Informationen vergleichbar zu machen und genau hinzu schauen, wo Einsparpotentiale liegen. In den meisten Unternehmen werden derzeit aktuell Klimaziele formuliert und eher unstrukturierte Maßnahmen zur Einsparung aktiviert, da es an Zeit und meistens auch an Ressourcen mangelt. Am Ende wird dann vor allem der CO2-Ausstoß kompensiert ohne Strukturen umzustellen, das ist meines Erachtens nicht der richtige Weg.
Habt ihr schon ein eigenes Klimazertifikat entwickelt?
Wir haben kein eigenes Zertifikat, aber eine Validierung. Über die Klima-Score-Karte erhalten unsere Kunden ein THE CLIMATE CHOICE LABEL in Bronze, silber oder Gold und können dieses in ihrer Kommunikation nutzen, um aufzuzeigen, dass sie die Klimatransformation ganzheitlich und aktiv umsetzen. Wir sehen das nicht als Zertifizierung, sondern als Validierung der erhobenen Daten durch unsere Software. In unseren CLIMATE Readiness-Check fließen als Grundlage der Prüfung die ESG-Indikatoren der Global Reporting Initiative (GRI), die Basisanforderung aus der EU-Taxonomie, dem TCFD (Task Force on Climate-related Financial Disclosures) und Teilbereiche aus dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG). In der Summe kommen so einige Prüfkriterien zusammen, die zur Validierung des Unternehmens angewendet werden. Der Readiness-Check funktioniert somit als handlungsorientiertes Rahmenwerk, um Unternehmen ein gutes Abbild zu geben, wo sie gerade stehe und wie sie ihren Klimaeinfluss verbessern können.
Ko-Gründer Yasha Tarani, Lara Obst und Dr. Reyhood Farhan © The CLIMATE Choice
Was waren bei Deiner Gründung die größten Hürden und welche Stolpersteine begegnen Dir immer noch?
Tipp Nummer 1, Du brauchst ein gutes Team. Tipp Nummer 2, Du brauchst ein gutes Team. Tipp Nummer 3, Du brauchst ein gutes Team. Natürlich ist die Gründungsidee auch sehr wichtig, aber letztendlich kannst Du diese in der Exekutive nur mit den richtigen Menschen umsetzen. Meinen Co-Gründer Yasha Tarani habe ich bei gemeinsam organisierten Gründungsevents kennengelernt. Yasha baute gleich nach seinem Studium sieben Jahre lang ein Softwareunternehmen mit 60 Mitarbeiter:innen auf.
Als CEO stand er vor der Herausforderung, den Klimaeinfluss seines Unternehmens zu verstehen und positiv zu gestalten, denn Maßnahmen wie der Wechsel der Stromanbieter, eine klimarelevante IT- und Server-Struktur sowie Bankprozesse wurden schnell unübersichtlich und Ressourcen intensiv.
Yasha brennt heute dafür, diese Klimaherausforderungen für andere Unternehmen einfach lösbar zu machen. Zu dieser Zeit habe ich mich auch wieder sehr stark mit dem Thema Gründung auseinandergesetzt und wollte nicht ein „neues Rad“ erfinden, sondern Prozesse optimieren und diese einfach und zugänglich in Software abbilden. Nach einem halben Jahr Austausch haben wir dann beschlossen, unsere Idee auszuprobieren. Im April 2020, also zum Start der Corona-Krise, haben wir gegründet, was uns natürlich den Vorteil verschaffte, in einer sehr ungewöhnlichen Zeit sehr fokussiert zu arbeiten. Zusätzlich war das Bedürfnis sich mit zukunftsorientierten Themen zu beschäftigen sehr groß damals. Die Fridays for Future Bewegung und die Pandemie befeuerte die kollektive Transformation. Der positive Zuspruch von Unternehmen war schnell da und bestätigte uns in der Geschäftsidee enorm.
Mitte 2020 haben wir dann den ersten Climate Transformation Summit ins Leben gerufen, um die entstehende CLIMATE Community zusammenzubringen und haben unseren dritten Gründer Dr. Rey Farhan mit ins Boot geholt. Rey entdeckte während seinem PhD in Bio Informatics seine Leidenschaft zu Datenmodellen und digitalen Produkten. Als Data Scientist bei Soundcloud, PWC und Originate konnte er die Welt anhand von Big Data Modellen analysieren. Heute weiß er, dass die Klimatransformation genau diese Datenstruktur für sich nutzen kann. Er schloss sich im September 2020 unserem Gründerteam an, um seine Erfahrungen für die Transformation der Wirtschaft einzusetzen.
Seitdem haben wir ein klasse CLIMATE Team von 14 Mitarbeitenden und arbeiten vorwiegend remote sowie mit agilen Arbeitsmethoden. Wir haben zwei Kernbereiche mit einem Tech-Team und einem Team für das Thema Climate & Growth. Den Bereich Klima verantworte ich, der fließt aber natürlich in alle Tätigkeiten ein. Außerdem werden wir inzwischen von einigen Investor:innen und Advisors begleitet, die uns bei der Weiterentwicklung unterstützen.
Wie stehst Du zur neuen Ampel-Koalition?
Ich stehe dem Ganzen noch mit gemischten Gefühlen gegenüber. Im Koalitionsvertrag sind viele Themen rund um Umweltschutz und Klimawandel behandelt, das zeigt, dass diese Themen auch ernst genommen werden. Gleichzeitig sieht man aber auch, und das ist die wissenschaftliche Sicht darauf, dass die darin geforderten Maßnahmen noch nicht 1,5 Grad kompatibel sind. Wir haben jedoch nur noch rund wenige Jahre, um unsere Klimaschutzmaßnahmen auf einen 1,5-Grad-Weg zu setzen. Wenn man sich die Co2- Uhr des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change anschaut, erkennt man, dass wir die 1,5 Grad Erderwärmung in etwa sieben Jahren erreichen. Das heißt, jetzt ist der Zeitpunkt, wo man noch einen aktiven Einfluss darauf haben kann, ob sich die Erde nun um 1,5 oder 2 Grad erwärmt. Die Forschung zeigt, dass der halbe Grad Unterschied bereits enorme Auswirkungen haben wird. Ein Beispiel ist, dass wir bei 2 Grad Erderwärmung Ende des Jahrhunderts keine Korallen mehr haben, bei 1,5 Grad bleiben immerhin noch 30 Prozent Korallenbestand. Auch die Hitzeauswirkungen auf Menschen und Länder werden sich bei einem halben Grad Unterschied ganz massiv unterscheiden. Daher ist es für mich sehr wichtig, dass wir eine politische Ausrichtung auf dem 1,5Grad-Weg in Deutschland haben, und den vermisse ich im Koalitionsvertrag. Meines Erachtens wäre es wichtig, nicht nur Handlungsmaßnahmen zu definieren, sondern ein genaues CO2-Budget festzulegen, das nicht überschritten werden darf. Das ist der feine und kleine Unterschied, wie wir den Weg zur Klimaneutralita?t beschreiten können. Konkret heißt das, das Unternehmen zum Beispiel nicht nur eine Klimaneutralität in 30 Jahren anpeilen, sondern sich heute ganz konkret darauf einigen, dass sie im nächsten Jahr die CO2-Emissionen um x Prozent reduzieren. Und dieses Budget ist eben noch nicht von der neuen Regierung festgelegt.
Allein durch reine Innovation, was durch die Ampel-Koalition sehr stark vorangetrieben wird, z.B. durch eine Start-up-Förderung, werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen können und die Vermeidung von Co2-Emissionen voranbringen. Am Ende brauchen wir ein klares Ziel, sonst kommt man nicht in die Dringlichkeit und Schnelligkeit, die es jetzt braucht. Das setzt starke Anreize durch Investitionen voraus, damit Unternehmen sich noch viel stärker engagieren können, auch mit dem Ziel, eine hohe CO2-Bepreisung zu vermeiden. Diese ist am Ende doch teurer, als in eine Strategie der CO2-Vermeidung zu investieren.
Weitere Infos zu The Climate Choice finden Sie unter: theclimatechoice.com
Quellen: Bilder: Unsplash/Tandem X Visuals, Thomas Reaubourg, Noah Buscher, Hello I'm Nik