Ein Grüner geht zu Bayer wird Cheflobbyist für Glyphosat
Kommentar

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Warum wir uns darüber aufregen

Ein Grüner geht zu Bayer wird Cheflobbyist für Glyphosat

13 Jahre lang vertrat Matthias Berninger die Grünen im Bundestag. Am 1. Januar hat der 47-Jährige einen neuen Job als Cheflobbyist für den Chemiekonzern Bayer angetreten. Damit wird Berninger jetzt auch für das umstrittene Pflanzenschutzmittel Glyphosat werben – das die Grünen aus der Landwirtschaft verbannen wollen. Viele sind entsetzt.

Von den Grünen zu Bayer

Als Bundestagsabgeordneter der Grünen kämpfte Matthias Berninger für Umwelt und Verbraucher. Innerhalb der Partei hat er eine steile Karriere hingelegt. Mit 29 Jahren war Berninger bereits Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Verbraucherschutz in der rot-grünen Regierung Schröder. Ein Amt, das er vier Jahre, von 2001 bis 2005 innehatte. Mit Verbraucherministerin Renate Künast bewarb er während des Wahlkampf 2005 eine neue Ernährungsbewegung. 2007 war alles vorbei, er zog sich aus Politgeschehen zurück und siedelte in die USA, wo er 12 Jahre für den Schokoriegelhersteller Mars tätig war, bevor er nun zu Bayer übersiedelte.

Berningers neuer Dienstsitz wird die US-Hauptstadt Washington sein. Dort wird er mit mehr als 9.000 Klagen rund um glyphosathaltige Produkte konfrontiert werden. Ein erster Schadensersatz-Prozess fand im September 2018 gegen die Bayer-Tochter Monsanto statt, mit dem bahnbrechenden Ergebnis, dass der Agrarchemie-Riese einem Krebspatienten wegen verschwiegener Risiken seiner Unkrautvernichter Schadensersatz in dreistelliger Millionenhöhe zahlen muss. Monsanto und Bayer verweisen auf mehr als 800 wissenschaftliche Studien, die zu dem Schluss gekommen seien, dass Glyphosat sicher sei und es keinen Krebs verursache. Dem entgegen steht jedoch insbesondere die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die dem Unkrautvernichter 2015 als "wahrscheinlich krebserregend" für Menschen einstufte.


 

Glyphosat

Wie wirkt Glyphosat auf den Menschen?

Inwieweit Glyphosat Einfluss auf die Zellen des menschlichen Nervensystems hat, haben Neurowissenschaftler des Universitätsklinikums Essen untersucht.

Das Ergebnis: Glyphosat-basierte Mittel können schädigenden Einfluss auf das Nervensystem haben. Dabei spielen nicht deklarierte und benannte Inhaltsstoffe eine wichtige Rolle. Die Forscher fanden heraus, dass Glyphosat die sogenannte Myelinscheide abbauen und verhindern, dass sie neu gebildet wird. Bei der Multiplen Sklerose und anderen demyelinisierenden Erkrankungen wird ebendiese Myelinhülle der Nervenzellfortsätze streckenweise zerstört. Dieser im Erkrankungsschub ablaufende Prozess wird als eine entzündliche Demyelinisation bezeichnet.


 

Gesundheitsgefährdendes Glyphosat

Woher der Sinneswandel?

Als Bayer im Juni letzten Jahres Monsanto für 56 Milliarden Euro übernahm, teilte die Unternehmenskommunikation sofort mit, dass Monsanto "als Unternehmensname nicht fortgeführt würde". Zu negativ das Image. Für Matthias Berninger scheint dies allerdings kein Problem darzustellen. Für mich allerdings stellt sich hier schon die Frage, woher kommt der Sinneswandel? Seine Partei, die Grünen, hat sich jahrelang stark gemacht gegen seinen neuen Arbeitgeber. Ein besonderes Anliegen seit vielen Jahren: Glyphosat und seine Gefahren. Künast ist als Bayer-Kritikerin bekannt und lieferte sich mit dem Konzern unter anderem einen medienwirksamen Twitter-Schlagabtausch. Seit Jahren kämpfen die Grünen für ein schnelles Verbot des schädlichen Pflanzenmittels.

Es ist für mich, und auch für viele andere Journalisten-Kollegen, wirklich kaum nachvollziehbar, welcher moralische Wandel sich bei Berninger vollzogen hat. Vielleicht waren schon die zwölf Jahre bei Mars die Einstiegsdroge in Form von Zucker? Aber gehen wir mal davon aus, dass der Job extrem hoch dotiert ist. Bei viel Geld hört es wohl auch bei einem ehemaligen grünen Politiker mit Moral auf. Wobei es unklar ist, ob Berninger überhaupt noch Mitglied der Grünen ist. Ihn scheint es überhaupt nicht zu kümmern, denn laut Informationen der WELT hat Berninger in einer Email an seinen Innercircle seinen Sinneswandel so argumentiert: „Wie wollen wir denn im Jahr 2050 die Weltbevölkerung weiter versorgen können?“.

Also ganz bestimmt nicht mit Nahrungsmittel, die aus glyphosat-verseuchter Landwirtschaft stammen.

Quellen: Bilder: Depositphotos/fotokostic, 360ber, nenadovicphoto@gmail.com, fotokostic, Text: Ulrike Stöckle