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Mangovensumpf durch Öl zerstört

©UNEP

Weltweit schlimmste Ölkatastrophe im Nigerdelta

Die schrecklichste Ölpest aller Zeiten wütet seit Jahrzehnten von der Weltöffentlichkeit unbeachtet im Nigerdelta und zerstört die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen. Das einst so lebendige Land wurde von Ölkonzerne wie Shell zum Ödland gemacht. In nur wenigen Tagen könnte das nigerianische Parlament aber einen Wendepunkt beschließen, indem es Big Oil endlich zwingt Verantwortung zu übernehmen für die verheerenden Auswirkungen seiner rücksichtslosen Ausbeutung.

Einst war das Nigerdelta, dass das drittgrößte Feuchtgebiet der Welt ist, ein lebendiger, artenreicher Mangrovensumpf mit üppigen Fischvorkommen.  Doch die reichen Ölvorkommen des Gebiets waren sein Untergang. Die großen Ölkonzerne, allen voran Shell, zerstörten das Land und sein Ökosystem durch ihre Pipelines und Erdölförderungen. Fische und zwitschernde Vögel gibt es hier schon lange nicht mehr.

Massive Umweltschäden durch marode Pipelines

In Folge des massiven Widerstands der Bevölkerung seit der 1980er Jahre liegen viele Pipelines und Bohrinseln im Niger brach, die Ölmultis haben sich etwas vom Niger zurückgezogen und fördern das schwarze Gold abseits des Flusses. Doch der Rückzug von Ölriesen wie Shell verursachte weitere Probleme. Die ohnehin veralteten und mangelhaften Bohrköpfe und Pipelines werden  seit den 1990er Jahren nicht mehr gewartet und platzen oder lecken.  Nach Angaben der Regierung lief in den vergangenen Jahren durchschnittlich 300 Mal pro Jahr irgendwo im Nigerdelta Öl aus.  Das alles tötende Erdöl läuft in den Fluss und auch ins Trinkwasser der dort lebenden Menschen. De fakto wurde in einem Dorf im Ogoniland ein den Grenzwert 900-fach überschreitender  Benzolgehalt im Trinkwasser festgestellt. Nach EU-Trinkwasserrichtlinien liegt der Grenzwert von Benzol bei 0,001 mg/l, in dem besagten Dorf enthält das Trinkwasser allerdings 0,9 mg/l.  Ab 10 bis 20g ist die Chemikalie, der die Menschen dort jeden Tag ausgesetzt sind und die vom Körper kaum abgebaut werden kann, tödlich. Im Körper schädigt das Benzol Knochenmark, Leber, Nieren und die Gefäße.

Fischer in öligem Wasser

Die Fischer fangen schon lange kaum noch Fische im ölig-bunt glänzenden Wasser ©Mazen Saggar/UNEP

Verheerender als BP-Ölpest

Die Verschmutzung des Trinkwassers und der Böden im Ogoniland senkt die Lebenserwartung der dort lebenden Menschen um 10 Jahre. Experten schätzen die Ölkatastrophe im Nigerdelta als noch verheerender als die BP-Ölpest im Golf von Mexiko  im Jahr 2010 ein.  Die BP-Ölkatastrophe hatte allerdings durch das Drängen der US-Regierung und der betroffenen US-Bürger eine andere Öffentlichkeit. Scheinbar werden die Umweltkatastrophen mit zweierlei Maß gemessen, unabhängig von der schwere ihrer Folgen. Die Bereinigung der Umweltschäden im Nigerdelta würde mindestens 25 Jahre dauern und rund  700 Millionen Euro kosten.

Bevölkerung sei selbst schuld an Ölkatastrophe

Shell weißt alle Schuld von sich, sieht die Bevölkerung selbst und die Regierung in der Verantwortung.  Die schweren Umweltschäden seien durch Sabotage und Öldiebstahl entstanden. Außerdem würde auch die korrupte nigerianische Regierung ihren Teil beitragen. Tatsächlich haben viele Regierungsentscheidungen die Notlage der Bevölkerung begünstigt. Die Wirtschaft Nigerias ist zu stark auf Erdöl ausgerichtete. Wichtige Lebensgrundlagen der armen Bevölkerung, wie etwa Landwirtschaft und Fischerei wurden für die Erdölförderung vernachlässigt und durch austretendes Öl nachhaltig geschädigt. Der Fluss und das Land sind durch das Öl vergiftet und tot. Die Regierung hat lange untätig zugesehen, wie Shell und Co. das Land verdarben und ausbeuteten, weil durch die hohe Besteuerung der Ölkonzerne riesige Geldmengen in die Staatskassen fließen.

ÖlpestAus der Luft betrachtet sieht man das wahre Ausmaß der Katastrophe ©UNEP

Die Schutzversuche der Regierung

1992 reagierte die nigerianische Regierung endlich auf die Umweltverschmutzung und rief die „Environmental Guidlines and Standards for Petrolium Industry in Nigeria“ ins Leben. 1999 wurden dann das „Federal Ministry of Environment“ und 2006 die „ National Oil Spill Detection and Response Agency“ gegründet. Das Umweltbewusstsein des Landes wächst, wenn auch nur langsam. Einer der größten bisherigen Erfolge ist die diesjährige Regierungsentscheidung die Ölpest zu bekämpfen und das verseuchte Gebiet zu reinigen. Es könnte sich aber noch etwas Entscheidendes im Jahr 2012 bewegen. Das nigerianische Parlament könnte in den nächsten Tagen ein Bußgeld in Höhe von 5 Milliarden Dollar gegen die Ölsünder verhängen und ein Gesetzt verabschieden, dass alle Ölmultis für die Verschmutzung und Plünderei zur Verantwortung zieht.

Das nigerianische Parlament braucht Unterstützung

Durch das Bußgeld und das neue Gesetzt würden die Ölkonzerne das erste Mal für ihre Umweltzerstörung  und Gewalt zur Kasse gebeten. Die weltweit agierenden Unternehmen ziehen von Land zu Land und  haben alleine  in den letzten 5 Jahrzehnten über 600 Milliarden Dollar nur durch  nigerianisches Öl verdient, die Bevölkerung aber bleibt auf der Strecke und bekam  nichts ab vom großen Öl-Kuchen. Im Gegenteil, Shell gibt jährlich 100 Millionen Dollar für Sicherheitskräfte aus, die die Proteste gegen die schädlichen Methoden der Firma unterdrücken sollen. Das Parlament hat die einmalige Gelegenheit  Big Oil entschlossen entgegenzutreten.  Die Ölgiganten üben natürlich einen immensen Druck auf die Abgeordneten aus, damit sie weiter  unbehelligt Öl fördern können.

Quelle: United Nations Environment Programme, Avaaz, Mazen Saggar /Text: Marie A. Wagner