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Kinder sind am stärksten betroffen

Allianz-Konzern im Kreuzfeuer von Oxfam

„Hoffentlich nicht Allianz versichert!“, könnte man zum Schluss kommen, wenn die schweren Vorwürfe nicht entkräftet werden können. Sie ist mit Abstand die bekannteste Versicherungsgruppe in Deutschland. Verstehen. Handeln. Zwei Worte, die beschreiben, wie wir die Welt betrachten. Und wie wir uns verhalten. So lautet die Philosophie der Allianz. Doch wer versteht schon, dass die Allianz mit einem Teil ihrer Milliarden anscheinend in Lebensmittel-Spekulationen verwickelt ist und warum handelt die Versicherung nicht schnell und beseitigt diese düsteren Vorwürfe, die von der unabhängigen Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam Deutschland e.V erhoben wurden?

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Hunger und schlechte Nahrungsmittel durch Nahrungmittel-Spekulationen

78 Millionen Kunden in rund 70 Ländern werden von 142.000 Mitarbeitern betreut. Die Allianz Gruppe verkündete vor wenigen Tagen, dass sie im zweiten Quartal 2012 einen Umsatz von 25,2 Milliarden Euro erzielte was ein Wachstum gegenüber dem Vorjahrswert von 24,6 Milliarden Euro oder 2,5 Prozent bedeutet. Wechseln wir zu Zahlen, die weniger schön klingen: Weltweit hungern etwa eine Milliarde Menschen. Durch die Steigerung der Nahrungsmittelpreise um ein Drittel wurden mehr als 40 Millionen Menschen in die Armut geschickt. Ein Teufelskreis mit tödlichem Ausgang. Hohe Lebensmittelpreise bedeuten gleich hohe Sterberaten in Ländern, in denen Menschen nicht mal mit einer Handvoll Weizen pro Tag überleben müssen.

Schon im letzten Jahr sorgte foodwatch mit ihrem Report „Die Hungermacher“ für Aufsehen und deckte auf wie Banken und Versicherungen mit Nahrungsmittelspekulationen an den Rohstoffbörsen die Preise in die Höhe treiben. Hierzu ein paar Fakten. In den Ländern der Ärmsten müssen die Menschen 80 Prozent ihres eh schon geringen Einkommens für Lebensmittel aufwenden. In Industrieländern liegt der Anteil bei 10 bis 20 Prozent. Für die Ärmsten bedeutet jede Preissteigerung bei Weizen, Reis & Co. eine Bedrohung ihrer Existenz.

Foodwatch errechnete, dass innerhalb von elf Jahren, die Preise für Weizen, Reis und Mais, nach Abzug der Inflationsrate, um 150 Prozent gestiegen sind. Nicht unschuldig an diesem Preisauftrieb sind die Spekulationsgeschäfte, bei denen auf die Preisentwicklungen von Lebensmitteln „gewettet“ wird. Im Fokus stand auch die Deutsche Bank, die durch den foodwatch-Report massiv unter Druck geriet. Der damalige Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann wandte sich daraufhin persönlich an foodwatch und erklärte: „Sollten sich ausreichende Belege dafür finden, dass diesbezügliche Aktivitäten der Bank die von Ihnen beschriebenen Auswirkungen haben könnten, werden wir die entsprechenden Konsequenzen ziehen.“ Im März diesen Jahres verkündete die Deutsche Bank dann, dass sie im laufenden Jahr keine neuen, an der Börse gehandelten Anlageprodukte  auf Basis von Grundnahrungsmitteln auflegen werde.

Liest man zwischen den Zeilen, so kann man zum Schluss kommen, dass die Deutsche Bank ihre bestehenden Finanzprodukte in diesem Segment weiterhin aktiv lässt und nicht ausschließt bestehende Fonds aufzustocken. Foodwatch ließ deshalb nicht locker und organisierte gemeinsam mit Vertretern des Bündnisses „Andere Banken braucht das Land“ eine Protestaktion auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank am 31. Mai diesen Jahres. Weiterhin wurde die Bürger aufgerufen eine Protest-Mail an Josef Ackermann zu unterstützen. Bis zum Ende der Aktion im Juni 2012 unterzeichneten 63.826 den elektronischen Brief. Die Deutsche Bank ist derweil damit beschäftigt einen Bericht zu erarbeiten, der die Auswirkungen ihrer Anlagen auf Nahrungsmittelpreise untersucht. Er soll Ende des Jahres veröffentlicht werden. Das klingt nach Zeitschinderei. Bis dahin verhungern weiterhin Menschen und nichts ändert sich.

Bei Spekulationen mit Nahrungsmittel wetten die Spekulanten auf Preisveränderungen. Das heißt, sobald die Preise für Weizen und Co. fallen oder steigen, verdienen die Spekulanten, die in die eingetretene Veränderung investiert haben. Die Hochschule Bremen hat im Auftrag der Welthungerhilfe eine Studie erarbeitet, die ergab, dass spekulative Kapitalanlagen im Getreidemarkt zwischen 2007 und 2009 Preissteigerungen von bis zu 15 Prozent bewirkten. Experten sind überzeugt, dass die komplexen Mechanismen des Finanzmarktes zusätzlich die Preise in die Höhe treiben. Dass Protestaktionen Wirkung zeigen, beweist die Positivliste (siehe unten). Sowohl die Dekabank, die zum Sparkassenverbund gehört als auch die Landesbank Baden-Württemberg reagierten und  verkündeten eine Beendigung der Spekulationen mit Agrarrohstoffen bei eigenen Fonds. Ein Schritt nach vorne, doch foodwatch weist darauf hin, dass die vorgenannten Institute Rohstofffonds anderer Banken weiterhin vertreiben und somit nicht komplett auf die Spekulationsprodukte mit Agrarrohstoffen verzichten.

Spekulationen beschleunigen Hungerkrisen

Ein weiterer Kandidat, dessen Geschäfte ja eigentlich auf Vertrauen beruht, ist die Allianzgruppe. Eine Studie im Auftrag der unabhängigen Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam Deutschland e.V. erhebt große Vorwürfe gegen den Versicherungsgiganten. Die Allianz sei demnach der größte deutsche Anleger im Agrarrohstoff-Bereich. Geschätzte 6,242 Milliarden Euro legte der Konzern, insbesondere mit ihrer Tochtergesellschaft PIMCO, alleine 2011 in fünf Fonds an, die indirekt oder direkt in Agrarrohstoffe investieren. Das Anlagekapital in Agrarrohstoffe hat sich bei der Allianz seit 2008 vervierfacht.

Ein Treffen zwischen Oxfam und dem größten europäischen Versicherungsunternehmen im Juli hat keine Ergebnisse erbracht. „Die Allianz konnte bislang unsere Vorwürfe nicht entkräften. Vielfach erbetene Details zu den milliardenschweren Geschäften des Unternehmens wurden bislang nicht erbracht“, kritisiert Frank Braßel, Leiter der Oxfam-Kampagne „Mahlzeit!“. Andere deutsche Finanzinstitute wie die Deka-Bank und die Landesbank Baden-Württemberg nähmen ihre soziale Verantwortung in diesem Zusammenhang ernster. Viele Experten und Wissenschaftler machen darauf aufmerksam, dass Spekulationen mit Agrarrohstoffen wie Mais und Weizen für schwankende Preise und somit für die Verstärkung von weltweiten Hungerkrisen verantwortlich sind.

Frank Braßel erklärt: „Wir wissen, dass der genaue Anteil der Spekulation am Zuwachs des Hungers schwer zu beziffern ist, aber bereits ein Prozent würde millionenfaches Elend bedeuten. Die Allianz darf nicht dazu beitragen, dass arme Menschen in Entwicklungsländern hungern!“

Positivliste:

Banken, die durch den foodwatch-Report „Die Hungermacher“ aus der Spekulation mit Nahrungsmitteln ausgestiegen sind:

DekaBank: Verkündete im April 2012, dass in eigenen Fonds angebotene Wetten auf wichtige Agrarrohstoffe bis Jahresende gestrichen werden.

Landesbank Baden-Württemberg: Bis Jahresende sollen alle Anlageprodukte mit Bezug zu Agrarrohstoffen eingestellt werden.

Foodwatch hofft, dass nun die Deutsche Bank und die Volks- und Raiffeisenbanken ebenfalls nachziehen.

Weitere Informationen unter

Oxfam und Foodwatch Der Spiegel : Hunger Alianz-Spekulationen

Text: Peter Rensch Quelle: foodwatch/Oxfam