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Wie gesund ist Low Carb wirklich?
Fett statt Kohlenhydrate

Wie gesund ist Low Carb wirklich?

Ist Fett besser als Kohlenhydrate? Die Autoren einer aktuellen Studie sagen ganz klar: Ja! Sie fordern eine Umschreibung globaler Ernährungsempfehlungen. Doch es gibt Zweifel daran, wie zuverlässig ihre Ergebnisse wirklich sind.

Wer zu viele Kohlenhydrate isst, stirbt früher, eine fettreiche Ernährung verlängert hingegen das Leben. Das behaupten zumindest die Autoren der  aktuellen globalen Ernährungsstudie PURE (Prospective Urban Rural Epidemiology). Sie haben in über 600 Städten und Dörfern in 18 Ländern untersucht, wie sich Kohlenhydrate, Fett und Eiweiß in der Ernährung auf das Krankheits- und Sterblichkeitsrisiko auswirken, und sind zu dem Schluss gekommen, dass die aktuellen Ernährungsempfehlungen dringend umgeschrieben werden müssen. 

Zu viele Kohlenhydrate erhöhen die Sterblichkeit

Laut der PURE-Studie erhöhen zu viele Kohlenhydrate die Sterblichkeit

Zu viele Kohlenhydrate erhöhen die Sterblichkeit

Bisher waren sich Ernährungswissenschaftler einig, dass etwa die Hälfte des täglichen Energiebedarfs über Kohlenhydrate gedeckt werden, der tägliche Fettanteil ungefähr ein Drittel ausmachen und die Eiweißaufnahme bei 15 Prozent der Gesamtenergie liegen sollte. Die PURE-Studie stellt dieses eigentlich als gesichert geltende Wissen auf den Kopf, indem ihre Autoren behaupten: Wer sich nach dem empfohlenen Muster ernährt, läuft Gefahr, früher zu sterben. Der entscheidende Risikofaktor sind ihren Forschungen zufolge die Kohlenhydrate. 

Laut der Studie hat die Auswertung der Daten von mehr als 135.000 Personen gezeigt, dass mit steigender Kohlenhydratzufuhr die Sterblichkeit zunimmt, wohingegen es bei erhöhter Fettzufuhr genau umgekehrt abläuft, die Sterblichkeit also sinkt. Diese Erkenntnisse sind auf den ersten Blick fast schon revolutionär und lassen eine Umschreibung der Ernährungsempfehlungen tatsächlich als unausweichlich erscheinen. Bei genauerem Hinsehen kommen allerdings Zweifel auf. 

Sind Kohlenhydrate wirklich schlecht?

Ein Forscherteam der Universität Hohenheim hält die weitreichenden Forderungen, die als Konsequenz der Studie angebracht werden, für nicht gerechtfertigt. Und zwar in erster Linie wegen des methodischen Vorgehens der Autoren der PURE-Studie. Der Umfang der Studie mag beachtlich sein, doch weil keine Zufallsstichproben genommen, sondern die untersuchten Dörfer und Städte nach bestimmten Kriterien ausgesucht wurden, lassen sich die Ergebnisse nicht ohne weiteres auf die Gesamtbevölkerung übertragen. Außerdem sind unter den 18 untersuchten Ländern nur drei Industrienationen, weshalb der Großteil der Daten aus Ländern mit mittlerem oder niedrigem Einkommen stammt. Inwiefern die Erkenntnisse der Forscher also für Deutschland oder andere europäische Länder gelten können, ist mehr als fraglich.

Hierzulande stammen die Kohlenhydrate größtenteils aus Weißbrot, Bananen und Zucker, in ärmeren und armen Ländern dagegen aus stärkehaltigen Grundnahrungsmitteln wie Reis, Mais, Weizen, Kartoffeln oder Cassava, also Speisen, die billig und sättigend sind, aber schlechte Mikronährstoff-Quellen darstellen.  Zu nährstoffreichen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse oder Fleisch haben die Menschen in armen Regionen häufig keinen Zugang, weil sie zu teuer oder nicht verfügbar sind. Dass dort ein höheres Krankheits- und Sterberisiko besteht, liegt den Experten der Uni Hohenheim zufolge also nicht in erster Linie an der hohen Zufuhr an Kohlenhydraten. Sie sind überzeugt, dass ähnliche Ergebnisse vorlägen, wenn der größte Teil des Energiebedarfs über Fett gedeckt würde. Das Problem sehen sie vielmehr im durch die einseitige Ernährung verursachten Nährstoffmangel.

PURE-Studie hat viele Schwächen 

Eine weitere Schwäche, die die PURE-Autoren sogar selbst anmerken, ist die Tatsache, dass nur ein einziges Mal, nämlich zu Beginn der Studie im Jahr 2003, detaillierte Daten zur Ernährung und zum Gesundheitsstand der Studienteilnehmer erhoben wurden. Die Forscher wollten herausfinden, welche Auswirkungen die Zusammensetzung der Nahrung auf die Sterblichkeit und auf sogenannte kardiovaskuläre Ereignisse wie etwa einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall hat und haben die Probanden in den folgenden neun Jahren mehrfach nach solchen Ereignissen befragt. Dabei sind sie aber immer von der ursprünglichen Ernährung ausgegangen und haben völlig außer Acht gelassen, ob diese sich inzwischen möglicherweise verändert hatte. 

Die Experten der Uni Hohenheim sagen klar und deutlich: Die in der PURE-Studie angewandte Methodik erlaubt Assoziationen, aber keine Kausalzusammenhänge. Die Tatsache, dass eine höhere Sterblichkeit mit höherem Fettkonsum beziehungsweise niedrigerem Kohlenhydratverzehr assoziiert ist, bedeutet noch lange nicht, dass die verzehrten Fett- und Kohlenhydratmengen die Ursache für veränderte Krankheits- und Mortalitätsraten darstellen. 

Fett statt Kohlenhydrate? Nein, Qualität vor Quantität!

Dass ein zu hoher Konsum von Kohlenhydraten problematisch ist, lässt sich nicht bestreiten. Doch entscheidend für eine gesunde Ernährung ist nicht allein die Quantität der verzehrten Nährstoffe, sondern vor allem deren Qualität. Die generelle Empfehlung, weniger Kohlenhydrate und dafür mehr Fett zu essen, greift also zu kurz, und ist für Menschen in armen Ländern aufgrund des dortigen Mangels an qualitativ hochwertigen Lebensmitteln nicht nur unrealistisch, sondern geradezu anmaßend. Deshalb und aufgrund der zahlreichen weiteren Schwächen der Studie halten die Forscher der Uni Hohenheim eine Neubewertung und Umschreibung der aktuellen Ernährungsempfehlungen für nicht geboten. 

Weitere Informationen zur PURE-Studie erhalten Sie unter www.phri.ca/pure, den wissenschaftlichen Kommentar des Forscherteams der Universität Hohenheim finden Sie unter www.uni-hohenheim.de.

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Quellen: Universität Hohenheim, Bilder: Depositphotos/magone, Utiwamoj, Text: Ronja Kieffer