© Foto: GPP/Welzhofer.
Auch Vögel haben Hunger: Ganzjahresfütterung heiß diskutiert
Das nasse, ungewöhnlich kalte Frühjahr schlug so manchem Menschen aufs Gemüt. Aber auch die Tierwelt ist wenig begeistert von den vergangenen Wochen. Insbesondere für Vögel war und ist das derzeitige Wetter lebensbedrohlich. Sie finden kaum Futter und so manche Brut vom Spatz bis zum Storch konnte nicht durchgebracht werden. Warum die heiß diskutierte Ganzjahresfütterung nachhaltig ist.
Allenfalls aus pädagogischen Gründen würde die Ganzjahresfütterung Sinn machen, heißt es aus den Kreisen der Kritiker der Ganzjahresfütterung. Zudem würden die Vögel nach einem kalten Winter genug Nahrung finden. Doch, das ungewöhnlich feuchte, sehr kalte Frühjahr war nicht nur unangenehm für uns Menschen, schadete der Landwirtschaft und treibt die diesjährigen Heizkosten hoch, auch die Tierwelt war und ist wenig begeistert. Gerade für Vögel wurde es teils dramatisch wie uns auch eine Tierärztin bestätigte: „Dieses Jahr ist es besonders schlimm und immer wieder kommen zu uns Leute in die Praxis mit verwaisten Jungvögeln“, erzählt uns Ute Dortants, Tierärztin in der Metropolregion-Rhein-Neckar. Zwar sind sich alle Experten einig, dass man vermeintlich verwaiste Jungvögel in gar keinem Fall auflesen sollte. Denn die sogenannten Ästlinge, also Jungvögel die es recht eilig haben aus dem Nest zu kommen wie beispielsweise junge Sperlinge, fliegen meist noch recht unbeholfen den erwachsenen Vögeln zu den Futterstellen hinterher. Dort verweilen sie auch ab und zu und warten auf die fütternden Eltern.
Doch die Eltern finden in den letzten Wochen kaum Nahrung. Jungvögel sind dadurch auch mal verwaist, von den Eltern verlassen. Die Nahrungsknappheit entsteht aus vielerlei Gründen. Zum einen, weil die Natur der Zeit einfach hinterherhinkt, das Nahrungsangebot an Insekten, die essentielle Leibspeise junger Vögel, nur spärlich vorhanden ist. Zum anderen, weil die Natur nur allzu aufgeräumt ist. Wo früher an den Feldrändern viel Wildwuchs herrschte und ein munteres Insektentreiben stattfand ist durch Chemikalieneinsatz alles aufgeräumt und die Artenvielfalt eingeschränkt. Auch in den meisten Gärten geht es aufgeräumt zu. Ergebnis: Die von dem ersten bis zum letzten Sonnenstrahl umherfliegenden, nach Nahrung suchenden Vogeleltern müssen immer weitere Flüge für die Nahrungssuche zurücklegen, sind selbst unterernährt und finden nicht genug Nahrung für den Nachwuchs.
Die Kälte und Nässe, die die Nester durchdringt und die Jungvögel auskühlen lässt sorgt für ein Übriges. Wie der Westdeutsche Rundfunk unlängst berichtete sind die meist fünf bis sechs Jungvögel vom Wetter der letzten Wochen stark bedroht. So mancher Nachwuchs starb aufgrund der Kälte an Lungenentzündung. Die Nahrungsknappheit verschlimmerte die Lage noch. Ganze Bruten wurden im Frühjahr 2013 als verloren gemeldet.
Warum die Ganzjahresfütterung der Gartenvögel Sinn macht
Die Heinz-Sielmann-Stiftung ist nicht nur ein Verfechter der Renaturierung unserer Gärten und Landschaften, sondern auch ein Befürworter der Ganzjahresfütterung. Zwar sagen Kritiker, dass die Altvögel mit dem für die Kleinen unverdauliche Zusatzfutter ihrem Nachwuchs füttern würden und damit schaden. Doch wissenschaftliche Untersuchungen hätten laut der Stiftung gezeigt, dass dem nicht so ist. Vögel wüssten sehr gut, was dem Nachwuchs gut tut und was nicht. Wenn indes die Altvögel durch die Ganzjahresfütterung gut genährt sind – laut Wildvogelhilfe wird bis in den Hochsommer hinein brüten – und somit mehr auf Futtersuche für die Nestlinge oder Ästlinge gehen könnten.
Kühles, feuchtes Wetter, das schafft auch für Gartenvögel wie den Sperlingen ein Futterproblem, brandaktuell in der sommerlichen Aufzuchtphase ihrer Jungen. © Foto: GPP/Welzhofer
Einer der renommierten Verfechter der Ganzjahresfütterung, Professor Peter Berthold, Stiftungsrat der Heinz-Sielmann-Stiftung: „Viele Arten, die ganzjährig betriebene Futterstellen aufsuchen, können früher brüten, mehr und höherwertigere Eier legen. Die Vögel vermögen ihre Jungen besser aufzuziehen und erreichen einen deutlich höheren Bruterfolg.“ Zudem würden zusätzliche Nistmöglichkeiten – ebenfalls Mangelware in aufgeräumten Gärten und dicht besiedelten Städten – die Brutdichte erheblich steigern. Eine langjährig betriebene Ganzjahresfütterung würde bis zu 50 Vogelarten anlocken und nachhaltig mit Zusatzfutter versorgen. Dabei gehe der Jagdinstinkt nach Insekten und der Trieb nach der Suche von natürlichen Nahrungsquellen nicht verloren.
Ganzjahresfütterung: Die Expertentipps
Professor Berthold empfiehlt auch im Frühjahr, Sommer und Herbst fettreiche Nahrung anzubieten. Denn gerade bei der Nahrungssuche für den Nachwuchs verbrennen Vögel viel Fett. Daher können beispielsweise nach wie vor Meisenknödel gefüttert werden. Diese sollten allerdings aus Kokosfett sein, welches bei heißen Temperaturen nicht schmilzt. Zudem sei das übliche Winterstreufutter mit hohem Anteil an Sonnenblumenkernen und Hanf sowie Erdnüsse für die Ganzjahresfütterung ideal. Sperlinge und Amseln sind letztlich ganz begeistert von Rosinen. Auch Haferflocken werden gerne angenommen.
Feld- oder Gartenvögel: Die Bestände sinken
Schon heute warnt der NABU, davor, dass „Allerweltsarten“ unter den Feldvögeln wie Kiebitz, Rebhuhn und Feldlerche bundesweit erschreckende Rückgänge aufweisen. So seien seit Anfang der 90er Jahre die Zahl brütender Kiebitze in Deutschland auf etwa ein Viertel geschrumpft, während die Bestände des Rebhuhns bereits seit den 1970er Jahren auf ein Bruchteil des ursprünglichen Umfangs geschrumpft sind. Neueste Bestandsdaten belegen, dass seit 2008 die Bestände von 26 der 30 Feldvogelarten abnehmen. Der intensive Pestizideinsatz und das stetige Schrumpfen von Rückzugsflächen seien die Gründe.
Eine englische Studie zu Gartenvögeln belegt, dass auf der Insel die Zahl der Gartenvögel ebenfalls teils erheblich schrumpft. So sei der Bestand an Sperlingen, landläufig auch Spatzen genannt, seit Ende der 70er Jahre um erschreckende 63 Prozent gesunken, jener von Staren sogar um 82 Prozent. Allzu aufgeräumte und wenig naturnahe Gärten in dem es kein Nahrungsangebot gibt seien die Hauptgründe. Daher kann eine Ganzjahresfütterung sicherlich nicht schaden. Und wer den Dreck der Samenhüllen nicht mag: Vogelfutter gibt es auch in geschälter Form.
Mittlerweile stellt sich der Handel auf die Ganzjahresfütterung ein und bietet vermehrt das ganze Jahr hindurch Vogelfutter in vielen Variationen. In keinem Fall sollten gesalzene Lebensmittel oder Brot verfüttert werden. Letzteres gilt übrigens auch für die Enten im Teich. So warnt die Umweltstiftung Gütersloh, dass gerade die Verfütterung von Brot an Enten in stehenden Gewässern einen immensen Stickstoffeintrag zur Folge habe, der diese schnell kippen lasse.
Ein Buchtipp zur Ganzjahresfütterung: Peter Berthold und Gabriele Mohr, «Vögel füttern – aber richtig», Franck-Kosmos, Stuttgart, 95 Seiten, 7,95 Euro.
Quellen: www.sielmann-stiftung.de; www.wildvogelhilfe.org, www.gardenersworld.com, GPP, www.guetersloh.de, NABU, BBC, Text: Jürgen Rösemeier