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Nanotechnologie: Machen die winzigen Teilchen krank und schaden der Umwelt?

Eine der bekanntesten Anwendungen: Oberflächen wie Fenster, Fassaden oder Autolacke lassen dank Nanotechnologie Wasser abperlen, ähnlich dem Lotuseffekt. Sonnencremes schützen vor UV-Strahlung, Salz im Streuer rieselt. Aber machen die Kleinstteile die 1000-mal kleiner sind als der Durchmesser eines Haares krank? (c) Thinkstockphotos

Nanotechnologie: So groß ist die Gefahr für Mensch und Umwelt

Die Nanotechnologie ist wohl eine der großen Schlüsseltechnologien dieses Jahrhunderts. Die Kleinstteilchen finden sich in Lebensmitteln, in Sonnencremes und Verpackungen, auf Fensterscheiben oder Textilien. Nanoteilchen verbessern die Eigenschaften von vielen Produkten, manchmal sinnvoll, manchmal vielleicht auch unnötig. Über die Gefahren ist noch nicht viel bekannt, erste Studien lassen vermuten, dass sie krebserregend sind.

Die winzig kleinen Nanoteilchen sind in immer mehr Produkten zu finden und die Anwendungsfelder werden weiter steigen. So fördern sie die Rieseleigenschaft von Salz, machen Socken antibakteriell, vormals milchige Sonnencremes durchsichtig und sorgen für mehr UV-Schutz oder Fensterscheiben werden schmutzabweisend. Dabei schwebt ein ganz großes Fragezeichen über dieser Technologie, insbesondere, wenn sie nahe am Körper eingesetzt wird – Beispiel Kosmetik oder Kleidung – oder gar in Lebensmitteln aufgenommen wird. Denn Kritiker wie der BUND bemängeln, dass es noch keine ausreichenden Studien gibt, die Gefahren durch Nanopartikel ausschließen. Mehr noch, erste Studien bestätigen, dass die Nanopartikel Körperzellen schädigen können. In Tierversuchen wurde beispielsweise eine krebserregende Wirkung einiger Nanopartikel nachgewiesen. Und auch die Umwelt ist nicht von den Auswirkungen verschont, in die Nanopartikel über Abwässer, Flüsse oder durch Luftströmungen gelangen können.

Wie sich Nanomaterialien auf die Umwelt negativ auswirken

Wie die vom Menschen verwendeten Chemikalien, so gelangen auch die winzig kleinen Nanoteilchen früher oder später in die Umwelt. Und je mehr Nanopartikel eingesetzt werden, desto höher ist ihr Verteilungsgrad in der Natur. Aufgrund der heute noch fehlenden Messverfahren ist es jedoch nicht möglich, deren Mengen zu messen. Dies wäre aber dringend nötig, denn erste Studien zeigen, dass Nanomaterialien für diverse Lebewesen sehr schädlich sein können.

Titandioxid und Siliziumoxid in Nanoform wird laut dem Nanoportal-BW.de als Beschichtung für Folien, Frischhalteboxen, Kunststofflaschen oder Kunststoffverpackungen eine Beschichtung aus Nano-Titandioxid oder Nano-Siliziumdioxid, um UV-Licht fernzuhalten. Gerade Titanoxid, ebenso wie Zinkoxid für Sonnencremes - ist giftig für ökologisch sehr wertvolle Wasserflöhe und das antibakteriell und keimtötend wirkende Nano-Silber hat sich als besonders schädlich für im Süßwasser befindliche Bakterien herausgestellt. Diese sorgen jedoch für ein Gleichgewicht von Ökosystemen wie Bäche, Flüsse oder Seen, welches nun in Gefahr zu sein scheint. Zinkoxid soll zudem schädlich für Algen sein. Doch über die wahren Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt ist mehr noch nicht bekannt, auch nicht, wenn die Verwendung in Zukunft weiter steigen wird. Daher werden die Rufe nach Sicherheitstests immer lauter. Titanoxid wie Zinkoxid werden in vielen Lebensmitteln zur Haltbarmachung oder zum Bleichen eingesetzt in Sonnencremes sorgen sie für Sonnenschutz

Nanotechnologie: Machen die winzigen Teilchen krank und schaden der Umwelt?

Die Nanobeschichtung auf Textilien wirkt schmutzabweisend und wird bisher vor allem auf technische Textilien aufgebracht, so etwa auf Stoffe für Zelte, Markisen oder Sonnenschirme. Doch auch Nutzstoffe im Bereich Arbeitskleidung und Heimtextilien können zukünftig von der neuen Technologie profitieren. Foto © BASF

Nanopartikel und die Gefahr für die Gesundheit

Einer der am häufigsten eingesetzten Nanopartikel ist Nanosilber. Doch nicht nur in der Socke oder der Sportbekleidung ist Silber in Nanoform zu finden, denn auch in Lebensmittelverpackungen, Wandfarben, Küchenutensilien Waschmaschinen oder Kosmetika kommt der Stoff zum Einsatz. Selbst in der Medizin wird Nanosilber eingesetzt, beispielsweise als wundheilende Auflagen in Pflaster. Silber ist schon lange dafür bekannt, dass es Bakterien und Keime abtötet. Doch in Nanoform wurde nun in ersten Versuchen genau das Gegenteil bewiesen. Bei Ratten führte das Einatmen von Nanosilber zu entzündlichen Prozessen in der Lunge und in Zellkulturen angewendet, kam es zu Stammzellschädigungen. Was das Silber an positiven Auswirkungen in Makroform hat, scheint sich in Nanoform umzukehren. Zudem besteht die die Gefahr laut Bund, das Keime Resistenzen bilden, ganz so manchem Antibiotika gleich.

Nicht viel besser verhält es sich mit Siliziumoxid, das beispielsweise als Rieselhilfe in Salz oder Kaffeeweißer verwendet wird. Siliziumoxid verhindert den Gasaustausch vom Produkt mit der Außenluft, dessen Feuchtigkeit die Lebensmittel verklumpen lässt. Aufgrund dieser Eigenschaft wird es in vielen weiteren Lebensmitteln, genauer, in deren Verpackungen eingesetzt.

Studien belegen nun, dass das in seiner Originalgröße ungefährliche Siliziumoxid in Nanoform das Erbgut schädigen kann, in dem es Einfluss auf den Zellkern nimmt.

Auch Titanoxid und Zinkoxid sind offensichtlich schädlich für den Menschen. Bei Tierversuchen löste regelmäßig eingeatmetes Titanoxid Lungenkrebs aus, eingenommen schädigte es die inneren Organe.  

Bereits 2009 wurde Nano-Titanoxid selbst in Mäuseföten nachgewiesen, die den Stoff an das ungeborene Leben weitergaben. Hirnschädigungen waren die Folge. Wie Wissenschaftler befürchten, dass Nanopartikel auch schädlich für menschliche Föten sein können, mehr dazu lesen Sie hier.

Verschiedene wissenschaftliche Studien kamen außerdem zu dem Ergebnis, dass Nano-Titandioxid und Nano-Zinkoxid photoaktiv sind und freie Radikale produzieren. Diese können DNA-Schäden in menschlichen Zellen verursachen, insbesondere, wenn die Haut UV-Licht ausgesetzt ist. Für den Laien unverständlich ist die Tatsache, dass Zinkoxid oft ein Hauptbestandteil von Sonnencremes ist. Zwar sagt das Bundesamt für Risikobewertung, kurz BfR, dass ein Anteil unter 25 Prozent ungefährlich sei, doch auch hier gilt: Das was die Nanopartikel an positiven Wirkungen haben, können sie auch im negativen bewirken. Zudem: „Die Argumentation der Behörden für die Zulassung dieses Stoffes ist, dass Zinkoxid nicht durch gesunde Haut in den Körper gelangen kann. Wie es bei vorgeschädigter Haut, zum Beispiel bei Akne aber auch Sonnenbrand aussieht, darüber bestehen allerdings noch große Wissenslücken. Hier besteht Forschungsbedarf“, so Sarah Häuser, Fachfrau für Chemikalienpolitik und Nanotechnologie beim BUND. Wenn Sonnencremes keine Nanopartikel enthalten, dann werden stattdessen vielfach chemische UV-Filder verwendet. Und diese werden vom Körper aufgenommen, ob die Haut vorgeschädigt ist oder nicht. Mehr dazu beim BUND.

Wirkungstests, Nano-Euphorie und Kennzeichnungspflicht

Zunächst bereits für 2012 geplant, soll nun bis 2013 eine EU-weite Kennzeichnungspflicht in Kraft treten; zunächst für Kosmetika mit Nanoteilchen, ab Ende 2014 für Lebensmittel. Immerhin, das Bundesamt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin verkündete 2012, dass es in Zusammenarbeit zwischen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und die BASF SE ein gemeinsames Projekt zur Sicherheitsforschung von gering dosierten Nanoteilchen am Arbeitsplatz und in der Umwelt gestartet.

Nanotechnologie: Machen die winzigen Teilchen krank und schaden der Umwelt?

Bald ist es wieder so weit und wir schüzuen uns mit Sonnencreme. Auch sie enthält Nanopartikel, doch ob diese nun schädlich für den Menschen sind oder nicht, kann bis dato niemand genau sagen. (c) Thinkstockphotos

Bedingt durch die zunehmende Kritik an Nanoteilchen ist auch im deutschen Blätterwald der unabdingbare Glaube an die Kleinsstteilchen am Abebben. Denn „die anfängliche Euphorie über die Hoffnungen und Versprechungen der Nanotechnologie ist vorbei - zumindest in den deutschen Printmedien“, lautet das Ergebnis einer gemeinsamen Langzeitstudie der Universität Mannheim und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Allenfalls noch neutral und sachlich werde berichtet, längst aber nicht mehr so häufig wie in den Anfangsjahren dieser Erfindung.

Es sollte sich was ändern, denn dem Verbraucher sollte die Wahl gegeben werden, erst Recht, solange es keine aussagekräftigen Daten über die Gefahr von Nanotechnologie gibt. Zumindest auf Produkten mit denen der Mensch direkten Kontakt hat oder die er gar zu sich nimmt. Und vielleicht heißt es dann in naher Zukunft auf Kosmetikprodukten oder Lebensmitteln, dass das Auftragen der Creme oder der Verzehr dieses Lebensmittels für Schwangere nicht empfohlen ist. Und der eine oder andere packt dann wieder ein paar Reiskörner in sein Nano-freies Salz um es rieseln zu lassen oder kauft sich atmungsaktive Schuhe aus natürlichen Materialien. Dann wird auch die Anti-Stinke-Socke mit Nanotechnologie wieder unnötig...

Die Wartedauer auf die Kennzeichnungspflicht ist Kritikern zu Recht viel zu lange. Der BUND hat aus diesem Grund eine Datenbank ins Leben gerufen, die bereits mehr als 1.000 Nanoprodukte auflistet. Mehr in der Nanoproduktdatenbank.

Quellen: Deutschlandfunk, BUND, Wikipedia, Universität Mannheim, Bundesamt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Nanoportal-BW.de, Text: Jürgen Rösemeier