Warum vertragen wir unsere Nahrung nicht mehr?
Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergien sind zum Volksleiden geworden. Immer mehr Menschen haben Probleme und müssen verzichten. Doch woran liegt das? Sind wir empfindlicher geworden, wie gerne behauptet wird oder stimmt unser Essen einfach nicht mehr?
Nahrungsmittelunverträglichkeiten nehmen immer weiter zu. Während diese bei unseren Eltern und Großeltern kaum eine Rolle spielten, kennt heutzutage jeder mindestens eine Person aus seinem unmittelbaren Umfeld, die etwas nicht verträgt. Von vermeintlich harmlosen Verdauungsproblemen bis hin zu schweren Allergien mit Atemnot – das Spektrum an Unverträglichkeiten ist breit gefächert. Stark eingeschränkte Speisepläne oder Einschränkungen in der Freizeit sind die Folge. Ob Laktoseintoleranz, Milcheiweißunverträglichkeit, Glutenunverträglichkeit, Fruktoseintoleranz, Glukoseintoleranz, Histaminunverträglichkeit, Nuss- oder Tomatenallergien – wer heutzutage zum Essen einlädt, hat es schwer für jeden das Passende zu bieten.
Warnzeichen ernstnehmen
Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergien werden noch immer gerne belächelt, dabei leiden mehr Menschen unter Unverträglichkeiten als wir denken.
Viele bemerken nach dem Verzehr bestimmter Lebensmittel Bauchschmerzen, Blähungen und Völlegefühl. Doch häufig finden diese Beschwerden keine weitere Beachtung, da sie nach den Mahlzeiten wieder verschwinden. Wer die Warnzeichen jedoch dauerhaft ignoriert, riskiert ernsthaft krank zu werden. Symptome, wie Gelenkschmerzen, Müdigkeitsattacken, Kopfschmerzen, Übergewicht, Untergewicht, Konzentrationsstörungen, Probleme mit den Atemwegen oder Magen-Darm Probleme sind erste Hinweise auf eine Lebensmittelunverträglichkeit.
Milch ist nicht mehr das, was sie mal war
Milchunverträglichkeit weit verbreitet
Milch führt die Liste der Nahrungsmittelunverträglichkeiten an. Das liegt zum einen daran, dass Milch eigentlich für Kälber bestimmt ist und nur der Mensch im Laufe der Evolution die Fähigkeit erworben hat mithilfe eines weiteren Enzyms (Laktase) den schwer verdaulichen Milchzucker aufzuspalten. Doch nicht alle Menschen besitzen dieses Enzym. In Gegenden wo kaum Milch getrunken wird, wie in Asien oder Afrika reagieren die Menschen Mit Blähungen und Übelkeit auf die weiße Flüssigkeit. Aber auch in Europa nimmt die Verträglichkeit von Milch zunehmend ab. Warum?
Milch ist nicht mehr das was sie mal war…
Milch ist ein hoch verarbeitetes Industrieprodukt geworden, das unter zahlreichen Markennamen angeboten wird. Noch bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts galt kuhwarme Milch als gute Milch, weil sie frisch und naturbelassen war. Echte Bergmilch von Kühen, die mit kräuterreicher Weide und Heu gefüttert wurden, war die beliebteste. Doch diese Milch gibt es nicht mehr zu kaufen und schon gar nicht im Supermarkt.
Normalerweise schmeckt frische Milch nach dem was die Kuh gefressen hat. Heutzutage ist das nicht mehr so. Durch das Homogenisieren, Pasteurisieren, Entrahmen und Kühlen wird das Fett in der Milch, das eigentlich als Geschmacksträger dient, zerstört. Das Ergebnis: Die Milch hat ihren Eigengeschmack verloren. Wenn man sich anschaut, was die meisten Kühe heute zu fressen bekommen, ist das vielleicht auch besser so: Milch, die nach stark riechender Silage und Ölkuchen aus Raps und Soja schmeckt, möchte vermutlich sowieso niemand haben.
Die Qualität der modernen Milch legt die Wirtschaft fest und für die zählt vor allem Haltbarkeit. Die eigentlich leicht verderbliche Milch wird immer haltbarer gemacht. Das Ganze wird untermauert vom Gesetzgeber, der die Kriterien in Form von Grenzwerten für Verderblichkeit festlegt. Denn die Wege werden immer länger und es vergeht immer mehr Zeit bis die Milch von der Kuh bis zum Endverbraucher gelangt.
Milch ist steril und Nährstoffarm
Damit sie lange hält, muss sie eben auch stark verarbeitet und praktisch steril gemacht werden. Sie enthält jetzt zwar keine Keime, aber auch keine Nährstoffe mehr. Vor allem die Hitzebehandlung soll schuld an der Zunahme von Allergien und Asthma sein, da die in der Milch vorhandenen Immunglobuline und Enzyme, die unseren Darm vor Infektionen schützen könnten, durch das Erhitzen zerstört werden.
Hinzu kommen die schlechten Haltungsbedingungen der Hochleistungskühe: immer mehr Kraftfutter, wenig bis gar kein Auslauf, Stress, Fruchtbarkeitsstörungen, Antibiotika, Euter- und Klauenentzündungen – all das wirkt sich auch auf die Qualität der Milch aus.
Um daraus süßen Joghurt oder Milchschnitten herzustellen, mag die moderne Milch ja noch reichen, aber der Gesundheit ist sie nicht mehr dienlich und schon gar nicht in der Kombination mit Zucker.
Überall versteckt sich Zucker
Zucker ist überall
Apropos Zucker: Im Supermarkt gibt es kaum ein Produkt, das keinen Zucker enthält. Unter Namen wie Isoglukose, Stärkesirup, Glukosesirup, Fruktosesirup, Maltodextrin, Saccharose, Fruchtzucker, Laktose, Maissirup, Maltose, Mannit, Melasse und Traubenzucker getarnt, versteckt er sich sogar in Produkten von denen man nicht vermuten würde, dass sie Zucker enthalten, wie beispielsweise Zahnpasta. Zucker in Zahnpasta? Klingt widersinnig, stimmt aber. Genauer gesagt, handelt es sich dabei meistens um den Zuckeraustauschstoff Saccharin, der zwar keinen Karies verursacht, aber durch Verschlucken in unseren Körper gelangt und unseren Geschmackssinn auf Süß konditioniert.
Nahrungsmittelintoleranzen und Allergien
In der Wissenschaft wird zwischen Allergie und Unverträglichkeit unterschieden: Bei einer Allergie handelt es sich um eine, durch das Immunsystem hervorgerufene, Überempfindlichkeitsreaktion, die sich durch den Verzehr des jeweiligen Nahrungsmittels zeigt. Sie kann aber auch über die Atemwege, den Magen-Darm-Trakt, oder über Hautkontakt hervorgerufen werden. Der Organismus bildet meist Antikörper, die im Blut nachweisbar sind.
Nahrungsmittelunverträglichkeiten hingegen sind Überempfindlichkeitsreaktionen, die nicht durch das Immunsystem hervorgerufen werden. Die Ursache kann sein: ein Mangel an Enzymen, Stoffwechselerkrankungen oder die Wirkung von pharmakologischen Stoffen (wie Histamin oder Lebensmittelzusatzstoffe) lösen Überempfindlichkeitsreaktionen aus. Der Organismus ist nicht in der Lage, gewisse Nahrungsbestandteile zu verdauen.
In beiden Fällen ist das Meiden der kritischen Stoffe nötig, damit die Selbstheilungskräfte des Körpers wieder greifen können.
Nahrungsmittelintoleranzen nehmen allgemein zu
Wieso nehmen Intoleranzen und Allergien immer weiter zu? Weil auf uns meist dauerhaft immer mehr Substanzen, Reizfaktoren und Allergene einwirken. Laut Aussagen von Architekten, Bauphysikern und Mikrobiologen haben wir allein in Privatwohnungen mit bis zu 1.700 Chemikalien zu rechnen.
Pestizidbelastete Lebensmittel aus konventionellem Anbau, die auf denaturierten Böden wachsen, spielen dabei eine besonders große Rolle. Heutzutage weiß man, dass Nahrungsmittel, die unter Zuhilfenahme von Düngern und Pestiziden kultiviert wurden, nur noch sehr wenige negative Ionen und damit kaum noch Lebendigkeit besitzen. Wenig negative Ionen bedeutet wenig Nährstoffe, wie Mineralien, Vitamine und Spurenelemente. Und so kann es passieren, dass unser Vitaminbedarf nicht ausreichend gedeckt wird, selbst wenn wir glauben, wir würden uns gesund ernähren.
Denaturierte Lebensmittel sind toxisch
Je mehr Lebensmittel denaturiert sind, desto mehr sind auch die darin enthaltenen Eiweiße denaturiert. Das heißt, sie funktionieren im Körper anders – bis hin zu einer toxischen Wirkung. Regionalität, Saisonalität und Bio ohne den Einsatz von Schadstoffen sind der natürliche Gegenentwurf zu industriell denaturierter Nahrung.
Die Masse macht’s
Wer nicht von vorne herein an Intoleranzen leidet, entwickelt häufig im Laufe seines Lebens Beschwerden. Das liegt vor allem auch an den großen Mengen stark verarbeiteter Lebensmittel, die wir zu uns nehmen. Ob Brötchen, Nudeln, Pizza oder Kuchen – kaum ein industriell gefertigtes Nahrungsmittel kommt heutzutage ohne diese Zutaten aus. Und genau wie die Milch, sind auch unsere Getreidesorten, allen voran der Zwergweizen, stark verändert. So ist der Weizen z.B. darauf gezüchtet, besonders resistent gegenüber Fraßfeinden zu sein. Das hat zur Folge, dass das Getreide heutzutage einen besonders hohen Glutengehalt besitzt, der nicht nur den Fraßfeinden, sondern auch unserer Verdauung standhält. Ähnlich wie das Milcheiweiß Kasein „verkleistert“ auch das Klebereiweiß Gluten im wahrsten Sinne des Wortes den Darm und behindert somit die Nährstoffresorption.
Sind wir nun empfindlicher als früher?
Eigentlich nicht. Natürlich spielen unsere übertriebene Hygiene, mangelnde Bewegung und der anhaltende Stress, dem viele Menschen heutzutage ausgesetzt sind, auch eine entscheidende Rolle bei der Verdauung. Aber besonders die starke Veränderung unserer modernen Lebensmittel und der massenhafte Konsum jener sind schuld an zahlreichen Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergien.
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Quellen: Bilder: Depositphotos/studioM, edu1971, NatashaBreen, stranger28, Text: Meike Riebe