Fast jede dritte Geburt ein Kaiserschnitt
Kaiserschnitte werden doppelt so häufig vorgenommen wie von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen. Rund 30 Prozent aller Geburten in Deutschland sind inzwischen Kaiserschnittgeburten. Der Grund: Angst und wirtschaftliche Interessen der Kliniken. Ein gefährlicher Trend bei dem das Recht auf Selbstbestimmung der Frauen auf der Strecke bleibt!
Inzwischen bringt jede dritte Frau in Deutschland ihr Kind per Kaiserschnitt zur Welt. Und viele dieser Eingriffe seien gar nicht nötig, sagt Martina Klenk vom Deutschen Hebammenverband.
Es scheint, als vollziehe sich eine schleichende Entmündigung der werdenden Mütter. Da Geburten als Risiko, anstelle eines normalen Lebensereignisses gesehen werden, werden Frauen zunehmend verunsichert und mit Angst beladen. Dem Arzt vertrauend lassen sie die natürliche Geburt unterbrechen und zu früh einen Kaiserschnitt vornehmen. Kein Wunder – will doch jede Mutter nur das Beste für ihr Kind. Doch viele der heute durchgeführten Kaiserschnitte sind keine Notfälle, sondern sogenannte Wunschkaiserschnitte oder werden durchgeführt, weil Ärzte Angst vor Behandlungsfehlern haben, die sie teuer zu stehen kommen können.
Kaiserschnitte lohnen sich
In Schweden gab es von 2005 bis 2008 etwa gleich viele geplante, wie ungeplante Kaiserschnitte. Erst als festgelegt wurde, dass Kliniken für Notfallkaiserschnitte einen höheren Preis berechnen können, sank die Rate der geplanten Eingriffe ab. Das Beispiel zeigt, dass viele Kaiserschnitt-Entscheidungen aufgrund von wirtschaftlichen Interessen getroffen werden. Laut der Techniker-Krankenkasse können ungeplante Kaiserschnitt-Geburten mit 3400 Euro abgerechnet werden, eine vergleichbare geplante OP dagegen mit 2700 Euro. Eine spontane Geburt bringt einem Krankenhaus bei Kassenpatienten hingegen „nur“ rund 1600 Euro ein.
Auch die Weltgesundheits-Organisation (WHO) geht davon aus, dass ein Kaiserschnitt nur bei maximal 10 bis 15 Prozent aller Geburten medizinisch erforderlich sei. Viele Ärzte operieren jedoch nach dem Motto: „Lieber ein Kaiserschnitt zu viel als zu wenig. Da Ärzte und Hebammen bei Kaiserschnitten rechtlich viel besser abgesichert sind, spielt die Angst vor Haftung bei den Geburtshelfern eine wesentliche Rolle. Um sich zu schützen, gehen sie dann oft auf Nummer sicher. Laut Berechnungen der Versicherungswirtschaft können sich Behandlungsfehler auf eine Schadenssumme von bis zu 2,9 Millionen Euro pro Geburt belaufen.
Die Narbe in der Gebärmutter kann weitere Schwangerschaften und Geburten erschweren
Kaiserschnitte haben Nebenwirkungen
Obwohl Geburten eigentlich ein Ur-weiblicher Prozess sind, sind sie zu einem mechanisierten, durchkontrollierten und männerdominierten Vorgang geworden, in dem die Intuition und Selbstbestimmtheit der Mutter kaum noch Platz hat.
Es ist erwiesen, dass Kinder, die per Kaiserschnitt zur Welt kommen, häufiger an Atemwegserkrankungen leiden als andere. Wissenschaftler vermuten, dass Kaiserschnitt-Geborene einen wichtigen Entwicklungsprozess verpassen: Während der Wehen würden Hormone freigesetzt, die die Lungen von Flüssigkeit befreien.
Zudem bleibt eine Narbe in der Gebärmutter zurück, die weitere Schwangerschaften und Geburten erschweren kann. Und das Schlimmste: Viele Mütter fühlen sich ihr Leben lang als Versager und haben Probleme die traumatischen Geburtserfahrungen zu verarbeiten.
Krankenhausatmosphäre fördert Kaiserschnitte
Geburt ist ein höchst individueller und intimer Prozess, der durch die sterile und unbehagliche Atmosphäre, die in vielen Geburtskliniken herrscht, erschwert wird. Nicht selten führt dieses Unbehagen letztendlich zu einem Kaiserschnitt.
Damit eine Geburt unproblematisch verlaufen kann, benötigt die Gebärende absolute Geborgenheit und die Möglichkeit voll auf ihren Körper hören zu können. Um es salopp zu sagen: Die meisten Menschen können nicht mal zur Toilette gehen, wenn jemand zuschaut, von Gebärenden jedoch wird erwartet, dass sie in fremder Umgebung, unter Zeitdruck, verkabelt und umgeben von Maschinen ein Kind zur Welt bringen. Die Folge der ganzen Eingriffe in den Geburtsverlauf sind zahlreiche Komplikationen, Kaiserschnitte und traumatische Geburtserfahrungen für Mutter und Kind. „Fast alle sog. „Komplikationen“ oder aus dem Geburtsverlauf entstehenden Pathologien haben ihren Ursprung in einer unzureichend auf die Bedürfnisse der Gebärenden ausgerichteten Geburtsumgebung, in einem aktiven Eingreifen in den Geburtsverlauf und damit zusammenhängenden Störungen des hormonellen Gleichgewichts und Geburtsflusses“, schreibt Corinna Crotty in ihrer Analyse: „Das Dilemma der klinischen Geburtshilfe.“
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Quellen: Corinna Crotty: „Das Dilemma der klinischen Geburtshilfe“, Bilder: Depositphotos/olesiabilkei, Text: Meike Riebe
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