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Wildtiere im Winter-Wald und ihre cleveren Überlebensstrategien
Die letzten Blätter sind gefallen, der erste Schnee rieselte bis ins Flachland und die Natur kommt zur Ruhe. Viele Waldbewohner machen es geschickt und Fledermäuse, Haselmaus oder Siebenschläfer verschlafen einfach die kalte Jahreszeit und manchen Vogel zieht es in wärmere Gefilde. Doch nicht jeder zieht sich zurück und spätestens der Schnee offenbart verräterische Spuren. Wie tierische Waldbewohner geschickt durch den Winter kommen.
Nur scheinbar ist jetzt im Winter großes Schweigen in unseren Wäldern angesagt. Denn Raureif und Schnee enthüllen schnell, wer jetzt auf leisen Sohlen unterwegs ist. „Beim Winterspaziergang haben Fährtenleser leichtes Spiel“, sagt Peer Cyriacks, Biologe der Deutschen Wildtier Stiftung. Aber er warnt auch vor allzu viel Leichtsinn der Naturfreunde: „Sie sollten auf jeden Fall auf den Wegen bleiben.“ Denn die Tiere vermeiden im Winter jede unnötige Bewegung, um einfach Energie zu sparen. Werden sie durch neugierige Spaziergänger aufgeschreckt, dann kann dies fatale Folgen haben. Cyriacks weiter: „Die Schalenabdrücke von Reh-, Rot- und Schwarzwild, die Trittsiegel von Dachsen, Füchsen und Feldhasen sowie zahlreiche Vogelspuren beweisen, dass überall in der Landschaft Wildtiere unterwegs sind.“ Und ihre Wege, die die Tiere zur kalten Jahreszeit gehen, dienen fast ausschließlich der Futtersuche.
Findige Überlebensstrategien: Der Rückzug gehört dazu
Eine der wichtigsten Überlebensstrategien der wilden Waldbewohner ist es, sich im Winter zurückzuziehen. „Denn Hektik und Stress verbrauchen in der nahrungsarmen Zeit viel zu viel Energie“, erläutert Peer Cyriacks. „Der Rothirsch ist ein echter Energiesparer. Er fährt seinen Stoffwechsel so weit herunter, dass die körpereigene Heizung auf Sparflamme läuft.“ Energiesparend verharren die Tiere oft lange Zeit bewegungslos auf der Stelle und ihre Läufe kühlen aus. Sie sind in eine Art Winterruhe verfallen. Wird diese Ruhephase gestört, verbrauchen sie viel Energie für die Flucht. „Sie müssen den Stoffwechsel spontan hochfahren und die Körperheizung anwerfen“, erklärt der Biologe. Das ist ein großes Problem für die Hirsche, denn die wichtigsten Energielieferanten Gräser und Kräuter sind in der Winterzeit rar.
Auch für Vögel ist das Nahrungsangebot knapp. Bis zu 10 Prozent an Körpergewicht kann ein Vogel in einer klirrend kalten Nacht verlieren. Daher sind die Tiere stets auf der Suche nach energiereicher Nahrung. So picken Seidenschwänze, Eichelhäher und Drosseln nun gerne an den energiereichen Misteln, der Buntspecht bevorzugt Fichtensamen und Kernbeisser oder Amseln lassen sich gerne von Eibenbeeren begeistern. Eiben haben übrigens männliche und weibliche Vertreter und nur die weiblichen Eiben tragen im Herbst und bis in den Winter hinein die für Menschen giftigen, roten Beeren.
Der Kleiber ist wohl einer der cleversten, gefiederten Waldbewohner, denn er sucht nach den Bucheckern und Nüssen, die er im Herbst sorgsam versteckt hat.
Der seltene Fichtenkreuzschnabel – ein seltener Vertreter der Finkenfamilie - mit seinem eigentümlich überkreuzten Schnabelspitzen ist hauptsächlich in Nadelgehölzen anzutreffen und hat sich auf die Samen von Fichten-, Kiefern- und Lärchenzapfen spezialisiert. Diese Spezialisierung der verschiedenen Vogelarten auf bestimmte Futterquellen ist eine gute Strategie, um schadlos und vor allem ohne energieintensive Streitereien untereinander durch den Winter zu kommen. Übrigens: Gefrorene Früchte wie Beeren und Hagebutten machen dem Vogelmagen nichts aus.
Der Otter hat wohl mit das dichteste Fell im deutschen Tierreich. Etwa 50.000 Haare befinden sich alleine auf einer Fläche, die nur so groß wie ein Daumennagel ist. © Deutsche Wildtier Stiftung/T. Martin
Die beste Strategie: Ein wirklich dickes Fell und viel Luft
Wer jetzt draußen überleben will, muss ein wirklich dickes Fell haben. Den dichtesten Pelz, so die Deutsche Wildtierstiftung, hat der Fischotter, denn etwa 50.000 Haare wachsen bei ihm auf etwa einer Fläche, die der eines Daumennagels entspricht. Zudem haben viele Wildtiere ein Ober- und ein Unterfell und verdanken den Luftschichten zwischen den Haaren, dass sie vor strenger Kälte geschützt sind. Wird es knackig kalt, stellen die Tiere zusätzlich die Haare auf. Auch der Feldhase hat eine gute Strategie gegen die Kälte: Ihm wachsen im Winter einfach Wollhaare, die ebenfalls ein kälteisolierendes Luftpolster einbindet.
Der Rothirsch hat gleich einen dreilagigen Fellaufbau, welche als die Mark- und die Rindenschicht sowie das Oberhäutchen bezeichnet werden. Auch die Markschicht der Rothirsche speichert Luft und sorgt so für effektiven Wärmeschutz und generell sind die Haare doppelt so lange wie vor dem Wechsel im Herbst, bei dem der Rothirsch seine namensgebende rote Farbe in ein eher graubraunes Winterkleid wechselt.
Auch das Deckhaar der Wildschweine verfärbt sich im Winter zu einem dunkelgrau bis braun-schwarz und die borstigen Deckhaare sind ebenfalls länger als jene im Sommer. Zudem wirkt eine wiederum Luft aufnehmende Unterwolle wie eine Isolationsschicht gegen die Kälte des Winters. Ein Zusammenrotten verhindert einfach aber effektiv das Auskühlen; jeder wärmt den anderen, sozusagen, und, ergänzt durch die im Herbst angefressene Speckschicht sind Wildschweine gut für den kalten Winter gerüstet.
Der Fichtenkreuzschnabel mit seinen überkreuzten Schnabelspitzen gehört zur Familie der Finken. Er hat sich auf die Samen von Fichtenzapfen spezialisiert, isst aber auch gerne Lärchen- und Kiefernsamen. © Thinkstockphotos
Auch bei Enten und anderen Wasservögeln spielt Luft eine wichtige Rolle. Ein dichtes Federkleid schützt vor der Kälte. Zwischen den einzelnen Federn liegen Luftschichten, die wie Wärmeisolatoren funktionieren und den Vogelkörper vor dem Auskühlen schützen. „Viele Vögel machen sich obendrein dicke - sie plustern sich auf, um die Luftschichten zwischen den Federn noch zu vergrößern“, sagt Eva Goris. „Die Federn von Wasservögeln sind außerdem gefettet und wasserabweisend.“ Enten haben hierfür eine spezielle Fettdrüse am Schwanz, Bürzeldrüse genannt. Mit dem Schnabel nehmen sie hier das Fett auf und verteilen es im Federkleid.
Warum Wasservögel auf Eis nicht festfrieren
Der Mensch zieht sich bei klirrender Kälte gern die wärmsten Socken und dicksten Schuhe an. Da hat sich sicherlich so mancher an einem frostigen Tag gefragt, warum die ‚barfüßigen‘ Enten oder deren gefiederte Mitstreiter nicht auf dem zugefrorenen Teich oder See festfrieren. „Sie haben von Natur aus kalte Füße“, erläutert die Pressesprecherin der Deutschen Wildtier Stiftung. „Denn es strömt nur sehr wenig Blut in die Füße – und dieses Blut kühlt auf dem Weg dorthin von etwa 40 Grad auf sechs Grad ab.“ So können Enten auf dem Eis nicht festfrieren.
Quelle: Deutsche Wildtier Stiftung, Text: Jürgen Rösemeier
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