Möglichkeiten der grünen Stadtentwicklung
Das Bauen der Zukunft steht ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit – und zwar weltweit. Einer der Antreiber für diese Entwicklung: Das gesteigerte Bewusstsein der Menschen. Das verändert nicht nur die persönliche Einstellung zum Bauen, sondern zwingt auch andere Akteure zu nachhaltigeren Strategien. Einige Beispiele zeigen die Möglichkeiten auf.
Ein Wachstumsmarkt und seine Möglichkeiten
Schon zum Jahresbeginn vermeldete die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB e.V.) die erfreulichen Ergebnisse einer Umfrage unter Experten aus dem Bau- und Immobilienmarkt: Die Studie „World Green Building Trends 2016“ prognostiziert für die nächsten Jahre eine weltweite Verdoppelung von nachhaltig gebauten Gebäuden. Zugleich zeige der Vergleich mit den Befragungen der Vorjahre eine noch wie vor bestehende Dynamik in der Entwicklung. Der Wille zu mehr Als Hauptursachen für das zu erwartende Wachstum auf dem Sektor des nachhaltigen Bauens machte die Studie vor allem drei wichtige Faktoren aus:
- Die Kundennachfrage nimmt immer weiter zu, das Thema nachhaltige Gebäude wird zunehmend von einer ehemaligen Nischenerscheinung zu einem übergreifenden Trend.
- Wichtig ist auch weiterhin die ökonomische Seite der Medaille, also die Möglichkeit einerseits die Betriebskosten gering zu halten und andererseits eine Wertsteigerung des Objekts zu erreichen. Wenn potenzielle Geldgeber dies als Anreiz für weitere Investitionen in das Grüne Bauen sehen und so ihren Teil zu einer nachhaltigeren Gestaltung der Architektur beitragen, ist das insgesamt sicher positiv zu sehen.
- Zu einem nicht unerheblichen Teil wirken sich natürlich auch die sich immer weiter verschärfenden Umweltschutzbestimmungen aus: Denn neben allen positiven Effekten und allem guten Willen besteht ganz klar auch ein gewisser (politischer) Zwang zu mehr Nachhaltigkeit am Bau.
Als problematisch werden allerdings vielfach noch die Kosten für das nachhaltige Bauen betrachtet. Das ist einerseits verständlich, da sich die höheren Investitionen nicht unmittelbar, sondern teilweise erst langfristig – durch Energieeinsparungen – bezahlt machen. Das wiederum ändert jedoch wenig an der Wichtig- und Richtigkeit des Ansatzes.
Ausgezeichnet – Zertifizierte Beispiele für Green Building
Ein Teil der Förderung des nachhaltigen Bauens durch die DGNB besteht in einem eigens eingerichteten System, mit dessen Hilfe Gebäude in puncto Nachhaltigkeit geplant, bewertet und schließlich sogar ausgezeichnet werden können. Die mehr als 1.000 derzeit angemeldeten Projekte weisen dabei die gesamte Bandbreite möglicher Gebäudenutzungen auf: Bestandsimmobilien können ebenso am Zertifizierungsprozess teilnehmen wie komplette Neubauten; zulässig sind Wohn-ebenso wie Verwaltungs-, Industrie-, Hotel-, Gesundheits- oder Bildungsbauten – einige Beispiele.
Wohnhochhaus, Pforzheim
Wie sich nachhaltiges Sanieren und attraktives Wohnen preiswürdig umsetzen lassen, verdeutlicht eines der Projekte aus dem umfassenden Klimaschutzkonzept „Pforzheim sonnenklar“: Die Generalsanierung des Wohnhochhauses in der Güterstraße machte aus einem Bau der 70er Jahre innerhalb von 30 Monaten – ein Jahr Planung, gefolgt von 18 Monaten Bauzeit – ein Vorbild für den möglichen Umgang mit innerstädtischen Gebäudebeständen.
Eine der Kernfragen bei der Umsetzung waren selbstverständlich die Klimaanforderungen, die mit verschiedenen Maßnahmen erfüllt werden konnten. Dazu zählen unter anderem die Verbindung von vorgesetzter Fassade mit Photovoltaikmodulen sowie die auf dem Dach installierte Kleinwindkraftanlage. Gleichzeitig zur Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Quellen wurden mit den elektrischen Nachtspeicherheizungen zudem Energie- und Kostenfresser aus dem gesamten Gebäude entfernt.
Ausschlaggebend für den Gewinn von insgesamt drei Auszeichnungen waren aber in diesem Fall nicht allein die ökologischen Aspekte. Vielmehr wurde mit den Preisen auch die ökonomische und sozio-kulturelle Leistung gewürdigt: Der Mieterstruktur mit einer großen Zahl an Rentnern kann im Zuge der Sanierung ein hochwertiger Wohnraum geboten werden, die leichten Mietpreiserhöhungen gleichen sich durch die Ersparnisse bei den Nebenkosten mindestens aus.
REWE Green Building, Berlin-Rudow
Nachhaltiges Bauen geht auch im Einzelhandel, wie das Berliner Pilotprojekt von REWE bereits seit dem Jahr 2009 zeigt. Der Markt mit seiner Verkaufsfläche von etwas mehr als 1.800 Quadratmetern wird CO2-neutral betrieben. Das wird mit unterschiedlichen Maßnahmen erreicht:
- Gekühlt wird mit energiesparenden Kühlmöbeln und natürlichen Kältemitteln.
- Die Gebäudeheizung wird zu einem gewissen Teil mit Geothermie bestritten, ergänzt wird sie durch eine Wärmedämmung in Holz-Sandwich-Bauweise mit einer Zellulose-Füllung.
- Sensoren regulieren die Marktbeleuchtung in Abhängigkeit zum verfügbaren Tageslicht, eingeschaltet ist sie daher nur, wenn wirklich Bedarf besteht.
- Das Tageslicht wird darüber hinaus als Energiequelle genutzt, eine Photovoltaikanlage liefert einen erheblichen Teil der verbrauchten Energie.
- Für die Fußbodenreinigung wird zudem Regen- statt Trinkwasser genutzt, was die Reserven des letzteren schont und beim Einsparen von Reinigungsmitteln hilft, da das Regenwasser weniger Kalk enthält.
Als der erste Markt seiner Art unterliegt das Green Building in Rudow außerdem einem Gesamtkonzept, dass neben der architektonischen und technischen Ausrichtung auch das Sortiment selbst betrifft. Daher wurde auf eine übergroße Nonfood-Abteilung zugunsten nachhaltigerer Produkte verzichtet, was unter anderem auch den Vertrieb regionaler Marken einschließt.
Hasehaus am Neumarkt, Osnabrück
Nachhaltig kann auch sogenannte mischgenutzte Architektur gestaltet werden, wie der Neubau des Hasehauses direkt am Osnabrücker Neumarkt beweist. Auf insgesamt vier bzw. fünf Geschosse verteilen sich Büro-, Praxis- und Gastronomieflächen in dem zweiteiligen Gebäudekomplex. Neben dem Versuch, sowohl dem Bau selbst als auch dem Platz ein unverwechselbares Aussehen zu geben, wurden bei der Umsetzung auch energetische Gesichtspunkte berücksichtigt. Dazu zählen etwa die Fußbodenheizung und die passive Deckenkühlung.
Nach außen sichtbares Zeichen für das nachhaltige Innere ist der Vertical Garden, der die Außenwand ziert und – in Ermangelung eines Innenhofes – entgegen der konventionellen Weise zur Begrünung der innerstädtischen Platzsituation beiträgt. Der Efeu fungiert darüber hinaus als natürlicher Temperaturregler, der zugleich schädliches CO2 aus der Luft filtert.
Frankfurt am Main beherbergt nicht nur die Hochfinanz, sondern auch einige Beispiele gelungenen Green Buildings.
Triton-Haus, Franfurt am Main
Das Frankfurter Triton-Haus hat eine vergleichsweise lange Geschichte, denn an derselben Stelle, wo heute ein vollständig sanierter Gebäudekomplex steht, war schon in den 1950er Jahren ein Vorgängerbau angesiedelt. In der heutigen Form entstand das Haus allerdings erst Mitte der 80er, der alte Bau musste zu diesem Zweck weichen.
Im Jahr 2010 übernahm die Allianz Real Estate Germany das zu der Zeit leerstehende Gebäude mit dem Ziel einer grundlegenden Revitalisierung des Bestandes. Die umfasste nicht nur eine Umgestaltung der vorhandenen Büroflächen, sondern vor allem die Umwandlung in ein Green Building. Zum Maßnahmenprogramm für einen ökologischeren Bau gehörten unter anderem:
- Passive Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs, als da wären eine verbesserte Gebäudehülle, Wärmeschutzverglasung und ein außenliegender Sonnenschutz oder auch LED-Beleuchtung, die an Bewegungsmelder gekoppelt ist. Die bodentiefen Fenster, die entsprechend viel Tageslicht in die Räume einlassen, können wohl auch hierunter gefasst werden.
- Zu den aktiven Maßnahmen für eine bessere Energieeffizienz zählt die Installation eines Blockheizkraftwerks, das mit Biogas betrieben wird und einen großen Anteil an der Versorgung des Gebäudes mit Strom und Wärme hat. Darüber hinaus wurden Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung angebracht.
- Ein weiterer, in der Tat grüner Aspekt der Revitalisierung, ist die Begrünung der Dachterrasse.
Die energetischen und nachhaltigen Mühen wurden schon während des Baus mit der Vorzertifizierung in Gold durch die DGNB belohnt, nach der Inbetriebnahme wurde diese Auszeichnung 2014 vollwertig bestätigt.
Grünes Bauen geht noch weitreichender
Die (Neu-)Gestaltung einzelner Gebäude anhand von Merkmalen des Green Buildings bedeutet langfristig betrachtet natürlich einen erheblichen Zeitaufwand im Sinne einer nachhaltigeren Stadtentwicklung. Dabei gibt es durchaus Ansätze, Nachhaltigkeit beim Bau auch auf eine größere Ebene zu verlegen und somit ganze Areale klimafreundlicher und energieeffizienter zu gestalten.
Die Architektur der Hamburger Hafen-City präsentiert sich modern – und grün.
Ein, wenn auch nicht explizit als Green-Building-Konzept ausgewiesenes, Beispiel ist die Hamburger Hafen-City. Hieran lässt sich sehr gut ablesen, wie viel weiter das nachhaltige Bauen gehen kann, wenn es in größeren Dimensionen konzipiert wird. Zu allererst steht natürlich die entsprechende Ausstattung mit einer energieeffizienten Strom- und Wärmeversorgung. Als ganzheitliche Idee werden daneben aber auch infrastrukturelle Fragen in die Planung einbezogen, die in der Umsetzung beispielsweise bestmögliche Voraussetzungen für Fußgänger, Radfahrer und den öffentlichen Nahverkehr schaffen sollen. Als Beispiel für nachhaltige Stadtentwicklung ist die Hamburger Hafen-City deshalb als Vorbild zu nennen.
Bilder: fotolia.com © Tiberius Gracchus, © CPN, © thorabeti, Text: red
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