Die größtmögliche Vielfalt auf dem vorhandenen Raum, das steigert die Widerstandsfähigkeit eines Systems. Quelle: thinkstock.de
Permakultur: die Kunst des nachhaltigen Gestaltens
Permafrost? Hä? Was hat das denn mit Nachhaltigkeit zu tun? Na, statt Frost und Frust zu kultivieren geht es in der Permakultur darum, wirklich nachhaltige Systeme zu gestalten. Die Idee kommt aus der Landwirtschaft und dem Gartenbau, lässt sich aber über die Ernährung hinaus auf alle Systeme übertragen. Zugrunde liegende Leitbilder sind der achtsame Umgang mit der Erde, mit den Menschen und gerechtes Teilen.
Der Begriff der Permakultur wurde von dem Australier Bill Mollison in den 70er Jahren geprägt. Es ist eine Konstruktion aus den Wörtern permanent und agriculture, die die Vision beinhaltet, menschliche Lebensräume langfristig stabil und ökologisch zu gestalten. Die Natur wird als Vorbild genommen, um Kreisläufe zu schaffen und Ressourcen somit optimal zu nutzen.
Die Permakultur Akademie bietet in Deutschland eine Ausbildung zum Diplom-Permakultur-Designer an. Der Abschluss ist zwar nicht staatlich, aber von den internationalen Permakultur-Netzwerken anerkannt. Die Akademie wurde 2006 von der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ausgezeichnet.
Was lernt man in der Permakultur?
Permakultur kann ganz unterschiedliche Bereiche umfassen. Von angemessener Energienutzung über die Finanzierung von Gemeinschaften bis hin zum ganzjährigen Gemüseanbau. Allen Bereichen ist gemeinsam, dass es sich um Systeme handelt. Ein Energiesystem, ein Finanzsystem, ein Ökosystem oder ein soziales System. Dabei bedient man sich der Erkenntnisse aus der Systemtheorie: Es geht um Elemente und deren Beziehung untereinander.
Einige Prinzipien lauten zum Beispiel:
- Jedes Element des Systems hat mehrere Funktionen
- Jede Funktion des Systems wird von mehreren Elementen getragen
- Energien und Stoffe werden wiederverwendet – geschlossene Kreisläufe
- Schaffung einer großen Vielfalt von Elementen innerhalb des Systems
Das Beispiel des Apfelbaumes
Seine Funktion ist es, Äpfel zu produzieren, aber das ist nicht die einzige Funktion. Ronny Müller ist Umweltingenieur, Permakulturaktivist und –lehrer. Er beschreibt weitere Funktionen, die man in der Permakultur berücksichtigen würde: „Zum Beispiel wirft der Baum Schatten, also sollte er an der Stelle stehen, wo man Schatten haben möchte. Außerdem liefert er Holz. Er kann aber auch eine Möglichkeit bereitstellen, eine Schaukel zu montieren oder einfach ein Kletterbaum sein. Im Park kann ein Apfelbaum, das Zentrum bilden, also ein sozialer Ort sein.“ Der Apfelbaum bekommt damit viel mehr Funktionen, als wenn er nur als Produktionsfaktor für Äpfel betrachtet wird.
Schauen wir nach der Vielfalt der Elemente. Ein System ist umso widerstandsfähiger gegen Störungen, je mehr Elemente tragende Funktionen erfüllen. „Wenn es das Ziel ist, Äpfel zu produzieren, dann wäre es wichtig, dass man nicht nur eine Sorte hat, sondern verschiedene Sorten, die verschiedene Blüh- und Erntezeitpunkte haben, die verschiedene Resistenzen oder Vorteile haben. Dann nämlich ist der Apfelertrag nicht nur von einer bestimmten Sorte abhängig.“, erklärt Ronny Müller. Sollten also bestimmte Faktoren, wie zum Beispiel das Wetter, ungünstig sein, dann kann dies durch die anderen Sorten ausgeglichen werden.
Auch Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Elementen sind wichtig. Kennt man sie, kann man positive Effekte nutzen. Ein klassisches Beispiel ist die Mischkultur aus Kürbis, Mais und Bohnen. Diese drei Arten ergänzen sich besonders gut: Der Mais ist eine Rankhilfe für Bohnen, der Kürbis beschattet den Boden und beugt der Austrocknung vor und die Bohnen versorgen Boden und Pflanzen mit Stickstoff.
Alt oder neu?
Mischkulturen und Selbstversorgung gab es aber schon vor vielen Jahrhunderten. Was ist neu an diesen Ideen? Sollten wir etwa zurückkehren zu einer traditionellen Lebensweise und uns von modernen Technologien abwenden?
Nein, denn das Neuartige daran ist, alte Wissensbestände und Erfahrungen mit neuen Methoden und Technologien zu verknüpfen. Neu ist die Integration von einzelnen Ideen in das Gesamtkonzept der Permakultur, um mit komplexen Sachverhalten umzugehen. So sind zum Beispiel der Ökolandbau, der Bau von Passivhäusern, die Entwicklung erneuerbarer Energien und neuartiger Recyclingsysteme „nur“ verschiedene Methoden. „Permakultur ist etwas Umfassenderes. Etwas, in dem es nicht nur um einzelne Produktionsbereiche geht, sondern um die Umgestaltung der gesamten Kultur“, sagt Ronny Müller.
An der Permakultur orientiert sich zum Beispiel auch die Bewegung der Transition Towns. Im Mittelpunkt dieser Bewegung steht „Peak Oil“, das Zuneigegehen des Erdöls. Sie will alternative wirtschaftliche Strukturen entwickeln, um Städte unabhängig von fossilen Rohstoffen zu machen und eine Anpassung an den Klimawandel zu ermöglichen. Dazu benutzt sie die Permakultur als Werkzeugkoffer.
Text: Danijela Milosevic