Giftiger Ganges: Der Hindu-Fluss braucht Rettung
Wenn der Ganges stirbt, dann stirbt Indien. Wenn der Ganges gedeiht, dann gedeiht auch Indien. Mit dem heiligen Fluss der Hindus steht und fällt das Wohl der Inder. Deswegen müssen dringend Lösungen her, um die Vergiftung von „Mutter Ganges“ aufzuhalten.
Ma Ganga – Mutter Ganges. So nennen die Hindus ihren heiligen Fluss. Der Ganges ermöglichte den Aufbau der indischen Zivilisation und gilt den Hindus als eine Gottheit. Trotzdem wird der Fluss langsam, aber stetig vergiftet. Die Inder nutzen den Fluss zur Bewässerung ihrer Felder, als Abfallsystem und mehr als 32.000 Hindus werden jährlich an seinen Ufern bestattet. All das führt dazu, dass „Mutter Ganges“ inzwischen im Sterben liegt – wenn die Inder jetzt nicht handeln und einen der größten Flüsse unserer Welt vor dem Untergang bewahren.
Die Mutter des Hinduismus
Die Sonne braucht Stunden, um die Klippen des Himalaya-Gebirges zu erreichen, um schließlich den Gletscher Gangotri mit Licht zu erfüllen, aus dessen Herz der Ganges entspringt. Nicht umsonst gilt dieser einzigartige Ort als einer der heiligsten Orte im Hinduismus. Der Ganges gehört mit einer Länge von über 2.500km zu den größten Flüssen der Erde. Aus den Gipfeln des Himalaya-Gebirges verläuft er bis hinunter zum bengalischen Meer. In der Vorstellung der Hindus ist „Ma Ganga“ eine Gottheit, die vom Himmel herabstieg, um die Erde zu reinigen. Jeden Tag baden die Hindus im Fluss, um sich von den Sünden rein zu waschen. Dieses antike Reinheitsritual bringt bei vielen Hindus leider auch die Vorstellung mit sich, dass der Ganges nicht nur die Sünden wegwäscht, sondern auch die Kraft hat, sich selbst zu reinigen. Eine Überzeugung, die der indische Präsident Narendra Modi umwandeln muss. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, den sterbenden Fluss zu retten. Eine schwere Mission, denn das Problem der Verschmutzung ist vielfältig.
Indien braucht besseres Abfallmanagement
Hauptverantwortlich für die erstarkende Vergiftung des Ganges ist das unkontrollierte Abfallsystem in Indien. Es existieren allein 200 Gerbereien ohne Lizenz. In solchen Produktionsstätten entstehen haufenweise chemische Abfallprodukte wie Chromium - ein äußerst wirkungsvoller Krebserzeuger. Statt die Abfälle komplett in das öffentliche Entwässerungssystem abzuleiten, bleiben die Giftstoffe im Abwasser der Gerberei enthalten und landen schließlich im Ganges. So und ähnlich kritisch steht es auch um andere Industriefelder in Indien. Um den Ganges längerfristig zu säubern, ist aber nicht nur entscheidend, was in den Fluss hinein gerät, sondern auch, was aus ihm heraus gezogen wird. Mutter Ganges ist die Wasserquelle für ein riesiges landwirtschaftliches Areal. Um den damit einher gehenden Wasserverbrauch zu reduzieren, ist das effiziente Bewässern von Feldern nötig. Viele Landwirte gehen schon jetzt sparsam mit dem Ganges-Wasser um, doch längerfristig bedarf es einer tiefergreifenden Lösung, damit die Farmer das Wasser besser zu schätzen wissen.
Rettungsmission für Mutter Ganges
Aus wissenschaftlicher und technologischer Sicht sind in Indien genügend Möglichkeiten zur Rettung des Flusses vorhanden - allerdings muss der Staat die beschlossenen Gesetze deutlich härter umsetzen, schärfere Kontrollen durchführen, damit Abfallmanagement-Standards eingehalten werden und sich die Einstellung zum Wasser in weiten Teilen der Bevölkerung wandelt. Nicht ohne Grund wurden bereits 100 Gerbereien geschlossen. Die Rettungsmission ist auf massive Investitionen in der Abfallwirtschaft gestützt – umgerechnet rund 2,6 Millionen Euro will Präsident Narendra Modi in den nächsten fünf Jahren dafür einsetzen. Durch konkrete politische Maßnahmen wie dem Abschaffen von Subventionen, die den Anbau von wasserintensiven Pflanzen wie Baumwolle und Zucker begünstigen, wäre zudem ein wichtiger Grundstein für einen nachhaltigeren Umgang mit Wasser gegeben.
Die Rettung des Ganges ist eine Herausforderung von Indien als Nation. Wenn die Inder es schaffen, ihren Fluss zu retten, dann setzen sie damit nicht nur ein Zeichen gegen Korruption und Misswirtschaft, sondern zeigen, dass anständige Gesetze durch die Politik vorangetrieben werden können und dass Indien eine moderne Weltmacht sein kann. Im Sinne der Hindus: Bevor Mutter Ganga uns reinigt, müssen wir zunächst Mutter Ganga reinigen.
Die BBC World News-Dokumentation Our World „Killing the Ganges“ mit Justin Rowlatt wird am Samstag, 14. Mai um 13:30 Uhr, am Sonntag, 15. Mai um 19:30 Uhr und am Freitag, 20. Mai um 11:30 Uhr ausgestrahlt.
Das könnte Sie auch interessieren:
Plastikmüll im Meer auch in Europa in großes Problem für Umwelt, Tiere und Menschen
Quellen: BBC News, Bild: BBC, Autor: Isabel Binze