Stinkender Dunst und giftiger Feinstaub sind nun in Peking und anderen chinesischen Städten das traurige Ergebnis eines rücksichtslosen Wirtschaftswachstums. (c) Lu Guang
Smog in Peking: Eine Nation bekommt die tödliche Quittung
Dicker Dunst legt sich über die 20 Millionen Einwohner Stadt Peking und gefährliche hohe Feinstaubwerte schwängern die stinkende Luft. Nicht nur Pessimisten fürchten derzeit einen „Tod durch Atmen“. Der einfache Grund: Eine ungünstige Wetterlage drückt nun sämtliche Abgase, die ungefiltert aus den Fabrikschornsteinen in die Atmosphäre entweichen können in die Straßen der Hauptstadt. Die tödliche Quittung für rücksichtsloses Wachstum?
Die Schlangen in Kinderkrankenhäuser werden länger und länger, Ärzte werden von Patienten nahezu überrannt, allerorten Husten insbesondere Kinder und ältere Menschen, erkranken an Atemwegsinfekten. Die Zahl an Patienten sei schon jetzt um 30 Prozent gestiegen. Apotheken werden gestürmt, um einen einfachen Mundschutz zu kaufen, die Regale einer Elektronikkette die Luftreiniger verkauft sind nahezu leergeräumt. Verzweifelte Chinesen versuchen es so gut es geht, sich vor dem stinkenden Smog zu schützen. Chinesische Experten warnen gegenüber dem ZDF heute-journal, dass, selbst wenn die Belastung nicht mehr derart hoch sein wird, das Krebsrisiko für einen Bewohner der chinesischen Metropole bereits heute schon erheblich zugenommen hat. Lediglich 10 Jahre hier zu leben erhöhe das Krebsrisiko um ein Vielfaches, verglichen mit der Landbevölkerung. Und dies nicht nur in der 20 Millionen Metropole, sondern auch in anderen Millionenstädten, die derzeit ebenfalls unter der ungünstigen Hochdruck-Wetterlage, der Windstille und dem beißenden Dunst leiden. Letzteres stammt von der Verbrennung von Kohle in den Heizkraftwerken und Fabriken des ganzen Landes, nach wie vor Brennstoff Nummer eins in einem Land mit der höchsten Wachstumsrate an regenerativen Energien.
Die aktuellen Feinstaubwerte für Peking liegen derzeit so hoch, wie sie die Erfinder des Messverfahrens nie für möglich gehalten hätten. Wird von Experten eine Belastung von 20 bis 40 durch den PM 2,5 genannten Feinstaub schon als kritische Obergrenze gesehen, so erreichten sie in Peking fast die Marke von 900. Die Experten vermuteten bei der Erfindung des Messverfahrens, dass die Werte nie über 500 steigen könnten.
Erste Aktivisten und selbst staatliche Medien fordern nun, den Kohleverbrauch drastisch zu senken. Die Verantwortlichen jedenfalls halten sich derzeit noch zurück mit einschneidenden Maßnahmen. So sollen aktuell nur ein Drittel der Beamtenflotte in ihren Garagen stehen bleiben, 41 Fabriken fahren ihre Leistung um 30 Prozent und damit den Schadstoffausstoß auf staatliches Geheiß zurück.
Feinstaub durch Kohlekraftwerke ist nur eines der vielen Probleme des großen Landes und Wirtschaftsgiganten. So sagen chinesische Experten, dass über 40 Prozent der Flüsse derart verseucht seien, das „der Mensch den Kontakt mit dem Wasser meiden sollte“. Und so mancher Landstrich sieht durch die Rohstoffgewinnung eher aus wie eine Mondlandschaft, deren Erdreich die Grenzwerte von Sondermüll schon längst überschritten haben.
Man darf gespannt sein, welche Konsequenzen China aus der Umweltverschmutzung durch ihr rasantes Wirtschaftswachstum ziehen wird und ob es endlich drastische Sofortmaßnahmen geben wird. Die Warnstufe ist jedenfalls auf „Orange“ gestellt, die zweithöchste, die es in China gibt. Die meisten Fabriken qualmen weiter kräftig vor sich hin, der Individualverkehr ist noch nicht eingestellt. Und dies, wo alleine in Peking fünf Millionen Menschen auf ihr Auto setzen, zwei Millionen mehr, als noch vor vier Jahren bei den Olympischen Spielen, hat Süddeutsche.de ausgerechnet.
Luft anhalten wird zumindest keine Lösung sein, in dem Land, das sich bei Klimakonferenzen regelmäßig gegen neue Klimaziele sperrt. In Zeiten, in denen jeder Chinese zum gläsernen Internetuser wird und 1.000 von Beamten die Internetnutzung der Staatsbürger ausspähen, sogar mehr und mehr Seiten wie Facebook und Twitter komplett von Staats wegen geblockt werden, scheint eine Einsicht in weite Ferne zu rücken. Das letzte Mal wird es jedenfalls nicht sein, dass die Medien solch dramatische Nachrichten aus dem Land des Wirtschaftsgiganten präsentieren werden. Vielleicht kann sich der Pekinger Kader einiges im kanadischen Vancouver abschauen, denn die Metropole will bereits 2020 die grünste Stadt der Welt sein.
Text: Jürgen Rösemeier