Corona-Krise Wie lange halten die Mütter noch durch
Die Corona-Krise stellt die Welt seit zwei Jahren auf den Kopf. Doch besonders Mütter haben in dieser schweren Zeit extrem unter der großen Belastung durch Familie und Job zu leiden. Was also tun, wenn man schon am Limit ist?
Unglaubliche Belastung für Mütter und immer noch kein Ende in Sicht
Mutter, Arbeitnehmerin, Lehrerin, Köchin, Putzfrau, Partnerin: All diese Rollen müssen Frauen seit der Corona-Krise durch Lockdownmaßnahmen wie Schulschließungen und Home-Office oft 24 Stunden am Tag unter einen Hut bekommen. Und dabei möchte man ja für den Job und für die geliebte Familie auch immer sein möglichst Bestes geben. Klingt wie eine unmögliche Aufgabe? So fühlt es sich für die meisten wohl auch an, absolut niemand kann diesen unrealistischen Erwartungen gerecht werden. Dementsprechend riesig ist inzwischen bei vielen der Frust. Und das zu Recht.
Vor der Corona-Krise gab es in der Regel eine ausreichende Kinderbetreuung durch Kitas und Co., die es Müttern ermöglichte, sich einer Arbeit zu widmen, die außerhalb des eigenen Zuhauses stattfindet. Doch wie soll man jetzt im Home-Office die nötige Ruhe zum konzentrierten Arbeiten finden, wenn die Kinder bespaßt werden wollen oder mit dem Homeschooling überfordert sind?
Inzwischen gibt es zwar keine bundesweiten Lockdowns mehr wie noch im ersten Jahr der Pandemie, aber ein normaler Alltag, wie wir ihn von früher kennen ist noch lange nicht zurück. Und Erholung von der stressigen Zeit der vergangenen Lockdowns gab es ja schließlich auch nicht. Jederzeit könnte die Kita schon wieder wegen eines Coronafalls geschlossen werden und das eigene Kind muss in Quarantäne und wieder rund um die Uhr betreut werden. Und wie es in Zukunft weitergehen wird, ist immer noch vollkommen unklar, vor allem da Corona-Zahlen durch die Omikronvariante gerade förmlich durch die Decke schießen und jeden Tag ein neuer, trauriger Rekord gebrochen wird. Wir alle sehnen uns schon lange wieder nach Normalität, doch momentan scheint diese noch in weiter Ferne.
Studienergebnisse zeigen wie dramatisch die Situation in vielen Familien ist
Forscher der TU Chemnitz haben sich mit folgender Frage beschäftigt: Welche psychischen Spuren hat der erste Corona-Lockdown im März 2020 hinterlassen? Über drei Monate befragte das Forscherteam 3.862 Männer und Frauen, die meisten davon berufstätig. Die Studie hat gezeigt, dass Frauen, die während der Corona-Pandemie im Home-Office arbeiten und sich gleichzeitig um Haushalt und Kinder kümmern müssen, am allerstärksten unter einer großen Erschöpfung zu leiden haben. Bei Müttern von jüngeren Kindern, bei Jobs, die wenig Flexibilität zulassen und wenn der Partner nur wenig Unterstützung bietet, ist diese Erschöpfung besonders groß. Im Vergleich dazu haben Männer, egal mit oder ohne Kind, während der Lockdown-Maßnahmen und Homeoffice meist eine geringere Erschöpfung verspürt. Die Forscher vermuten, dass die unterschiedliche Wahrnehmung von Männern und Frauen darauf beruht, dass die Verteilung von Aufgaben im Haushalt und bei der Kindererziehung immer noch sehr ungleich verteilt sind und Frauen oft den größten Teil davon schultern müssen.
Prof. Dr. Bertolt Meyer, Leiter der Studie, fasst die Ergebnisse in einem Artikel der TU Chemnitz zusammen: „Über einen längeren Zeitraum betrachtet, fällt auf, dass sich besonders berufstätige Frauen im Homeoffice mit kleinen Kindern von der Doppelbelastung erschöpft fühlen. Die Belastung nahm nochmal auffällig in den Phasen von besonders starken Corona-Einschränkungen zu, zum Beispiel als Schulen und Kitas geschlossen waren. Insgesamt sind Frauen deutlich stärker belastet und von Burnout betroffen als Männer.“ Vermutlich ist dieses Ergebnis für viele überlastete Mütter nicht besonders überraschend, in vielen Familien hängt seit der Corona-Krise schließlich regelmäßig der Haussegen schief, wenn es darum geht, wie ungerecht die Aufgaben verteilt sind. Kräftezehrende Konflikte mit dem Partner sind durch dieses Ungleichgewicht quasi vorprogrammiert.
Die Annahmen der Studie der TU Chemnitz bestätigt auch eine Studie des Marktforschungsunternehmens Ipsos im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. Hier gaben 69 Prozent der Frauen an, regelmäßig anfallende Hausarbeiten zu erledigen, bei den Männern waren es hingegen nur 11 Prozent. Auch Kundenbetreuung und Homeschooling wird laut dieser Studie von mehr als der Hälfte der Frauen übernommen, bei den Männern nur 13 und 15 Prozent. Die Ergebnisse der Studien zeigen also ohne Zweifel, dass wir auch im Jahr 2022 in den Haushalten immer noch nicht die Gleichberechtigung herrscht, die sich die meisten von uns doch schon lange sehnlichst wünschen. Traditionelle Rollenmuster haben sich scheinbar noch lange nicht aufgelöst. Die Studie hat auch ergeben, dass diese Rollenmuster schon vor Corona noch präsent waren, durch die Pandemie haben sie sich aber nur noch mehr verstärkt und sind deutlich sichtbarer geworden. Experten sprechen bei diesem Phänomen von einer sogenannten Traditionalisierung.
Sind die Bemühungen um Gleichberechtigung, die in den letzten Jahrzehnten mühsam von ganzen Frauengenerationen erkämpft wurden, also wirklich so einfach durch Corona zunichtegemacht worden? Barbara von Würzen, Expertin für Führung und Unternehmenskultur der Bertelsmann-Stiftung, empfiehlt auf der Seite der Stiftung Folgendes, um diesem äußerst problematischen Trend Einhalt zu gebieten: "Vor diesem Hintergrund sollten sich sowohl Frauen als auch Männer mit ihren privaten und beruflichen Rollen auseinandersetzen, die Aufgabenverteilung in der Familie zur Sprache bringen und mit Rücksicht auf die Belastungen und Bedürfnisse des Partners oder der Partnerin aushandeln."
Alleinerziehende Eltern, über 90 Prozent davon sind in Deutschland Mütter, haben noch einmal besonders unter der Situation und der Belastung zu leiden, da sie allein das Geld für die Familie verdienen müssen und bei der täglichen Haushaltsführung und Kindererziehung gar nicht erst auf die Hilfe eines Partners hoffen können. Doch auch alleinerziehende Mütter können während Lockdown, Home-Office und Homeschooling nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern müssen es auch unter dieser extremen Belastung und trotz großer Erschöpfung irgendwie schaffen, den Alltag am Laufen zu halten. Denn wer soll es sonst für sie tun?
So kann für dringend nötige Entlastung in Krisenzeiten gesorgt werden
Die Forscher der TU Chemnitz schlagen auch Lösungsansätze vor, mit denen vor allem erschöpfte Mütter während der Corona-Krise entlastet werden sollen. Von staatlicher Seite sollte es Angebote geben, mit denen Mütter von kleinen Kindern, während Lockdown-Maßnahmen wie Kita-Schließungen besser unterstützt werden können. Auch Arbeitgeber sollten sich darum bemühen, ihren Mitarbeitern viel Freiheit zu ermöglichen, damit Kindererziehung und Arbeit besser vereinbart werden kann. Das kann zum Beispiel durch flexible Arbeitsvereinbarungen im Home-Office und die Bereitstellung von nötiger Technik wie Laptops geschehen. Arbeit im Home-Office sollte strukturiert werden, mit regelmäßigen Pausen und einem festen Feierabend. Termine wie Sport oder ein Abendessen mit der ganzen Familie können dabei helfen, den Feierabend einzuhalten.
Außerdem sind besonders auch die Partner in der Pflicht, bei den Aufgaben im Haushalt für eine gerechte Verteilung zu sorgen, damit Mütter entlastet werden und mehr Gleichberechtigung herrscht. Gut durch die Krise zu kommen ist eine Aufgabe für die ganze Familie. Eine klare Aufgabenteilung sorgt dafür, dass nicht alles an eine Person hängen bleibt. Sprechen sie mit Ihrem Partner darüber, wenn sie sich erschöpft fühlen und versuchen Sie gemeinsam in einen Dialog zu treten. Offene Kommunikation darüber, wer welche Pflichten übernimmt, vermeidet Frust und Missverständnisse. Auch Kinder können, wenn sie alt genug sind, mit festen Aufgaben im Haushalt mithelfen und dabei gleichzeitig Verantwortungsbewusstsein und einen Sinn für Ordnung erlernen.
Eine Auszeit nach diesen extrem stressigen 2 Jahren tun Mutter und Kind gut. Eine Mutter-Kind-Kur bietet beispielsweise nach der Zeit von großer Belastung die Möglichkeit, eine Auszeit von diesem stressigen Alltag nehmen und neue Kraft schöpfen zu können. Mütter können sich hier wieder mehr auf sich selbst konzentrieren und im Rahmen von Therapieangeboten Probleme aufarbeiten, während die Kinder betreut werden.
Momentan sieht leider alles danach aus, als würde das Thema Corona den Alltag vieler Familien noch eine Weile auf den Kopf stellen. Strategien, um mit den Belastungen der Krise gut umzugehen, können dabei nur hilfreich sein, um Erschöpfung vorzubeugen und gut durch die Zeit zu kommen.
Quellen: TU Chemnitz, Bertelsmann Stiftung, MDR, Mutter-Kind-Hilfswerk e.V., Bild: Depositphotos: photographee.eu, CITAlliance, zhukovvvlad, Text: Fatma Cevik