Milch von glücklichen Kühen: eine Illusion?
Glückliche Kühe: gibt es die heutzutage überhaupt noch? Die Werbung sagt „Ja“, doch die Realität sieht anders aus. Von Hochleistungskühen, Quotenregelungen und Bio-Milch – und was wir als Verbraucher tun können.
Die Milch ist spätestens seit Abschaffung der Milchquote im April dieses Jahres Mittelpunkt zahlreicher Diskussionen. Dabei sollten Fragen der Politik genauso eine Rolle spielen wie solche aus den Bereichen Tierschutz und Gesundheit. Keine Frage: Milch ist nach wie vor eines der beliebtesten Lebensmittel und gehört in unserer Gesellschaft zu den Grundnahrungsmitteln.
Dabei waren unsere Vorfahren ursprünglich gar nicht in der Lage, nach dem ersten Lebensjahr noch Milch zu verwerten, weil ihnen dazu ein wichtiges Enzym fehlte: Die Laktase. Bei vielen Menschen ist das auch heute noch so. Die sogenannte Laktoseintoleranz ist also keineswegs eine „Modekrankheit“, sondern eher ein Überbleibsel aus grauer Vorzeit.
Beginn der Milchwirtschaft liegt in der Jungsteinzeit
Die Milchwirtschaft nahm ihren Anfang, nachdem unsere Vorfahren vor Tausenden von Jahren sesshaft geworden waren und vermehrt Viehhaltung betrieben. Wegen ihres hohen Nährstoff-, Fett- und Kaloriengehalts war die Milch lange Zeit ein wertvolles Lebensmittel, das die Überlebenschancen vieler Menschen massiv erhöhte.
Inzwischen sind nicht nur die Gründe für den Milchkonsum anderer Natur als noch vor wenigen Jahrhunderten, sondern auch die Milchproduktion hat sich drastisch verändert. Der größte Teil unserer Milch stammt inzwischen aus Großbetrieben, in denen eine Kuh durchschnittlich 8.000 Liter, als sogenannte Hochleistungskuh sogar 20.000 Liter pro Jahr gibt. Auf den ersten Blick verwunderlich ist dabei, dass die Milchmenge sich in den letzten rund dreißig Jahren kaum verändert hat.
Europäische Milchquote im April nach dreißig Jahren abgeschafft
Das liegt an der Milchquote, die 1984 von der Europäischen Gemeinschaft als Reaktion auf die damals drastisch steigende Produktion eingeführt wurde. Für alle Landwirte wurde also eine Obergrenze für die Milchproduktion festgelegt, die sie nicht überschreiten durften. Taten sie das doch, mussten sie Strafe zahlen. Ziel des Ganzen war es, die Preise stabil zu halten und den landwirtschaftlichen Strukturhandel zu stoppen. Mehr als dreißig Jahre später lautet das ernüchternde Fazit: Beides ist misslungen.
Die Anzahl der Milcherzeuger ist um fast achtzig Prozent zurückgegangen und die Milchpreise pro Liter waren in den vergangenen Jahren alles andere als stabil; enorme Preiseinbrüche inklusive. Im April dieses Jahres wurde die Quote nun abgeschafft. Auch hier ist die Motivation eindeutig: Der chinesische Markt – China ist Hauptimporteur europäischer Milch – soll nicht den USA und Kanada überlassen werden. Und auch hier zeigt sich bereits nach wenigen Monaten, dass offenbar nicht ganz realistisch kalkuliert wurde. Denn in den letzten Monaten haben die Milchmengen den Markt im wahrsten Sinne des Wortes überschwemmt. Die Folgen: Überangebot und starker Preisverfall.
Tierwohl gerät aus dem Blickfeld
Die Geschichte der Milchquote wirkt fast absurd, vor allem, weil eine Gruppe von Beteiligten in der wirtschaftlichen und politischen Diskussion völlig ausgeklammert wird: die Milchkühe. Wenn überhaupt, dann werden sie als Maschinen betrachtet, die keinen anderen Sinn und Zweck haben, als ein Produkt herzustellen. Wurde eine Kuh früher noch problemlos mehr als zwanzig Jahre alt – auch in der Milchwirtschaft -, beträgt ihre Lebenserwartung heutzutage gerade einmal fünf Jahre. Dann ist sie ausgelaugt und wird geschlachtet.
Die wenigsten machen sich dabei bewusst, dass eine Kuh, um überhaupt über längere Zeit hinweg Milch geben zu können, regelmäßig ein Kalb zur Welt bringen muss. Um den Betriebsablauf nicht zu gefährden, wird das Jungtier der Mutter unmittelbar nach der Geburt entrissen und wächst getrennt von ihr auf. Das ist übrigens nicht nur in konventionellen Betrieben, sondern häufig auch in der Bio-Landwirtschaft der Fall. Milch von glücklichen Kühen, die unter hohen Nachhaltigkeits- und Tierschutzstandards produziert wird, ist an sich schon ein Nischenprodukt und oft nicht auf den ersten Blick zu finden. Noch seltener sind Produkte von Landwirten, die außerdem noch mutter- oder ammengebundene Kälberaufzucht betreiben, wo also die Kälber bei ihren Müttern oder zumindest bei einem Ammentier aufwachsen. Laut einer Liste der Welttierschutzgesellschaft gibt es in Deutschland derzeit zwanzig solcher Höfe, die meisten davon in Baden-Württemberg.
Blick hinter die Kulissen ist wichtig
Es kann also durchaus sinnvoll sein, die Gegebenheiten immer mal wieder zu hinterfragen und sich nicht allzu sehr von der häufig von politischen und wirtschaftlichen Interessen gesteuerten öffentlichen Diskussion einnehmen zu lassen. So ist es zum Beispiel wichtig zu wissen, dass der Preis für Bio-Milch in den Jahren der Milchquote genauso wie in den letzten Monaten weitgehend stabil geblieben ist. Und dass Milch von glücklichen Kühen gesünder ist als solche von Hochleistungskühen. Ob die Kühe tatsächlich glücklich sind, das kann nur ein Blick hinter die Kulissen zeigen. Denn auch, wenn es Verpackung oder Werbung versprechen: Die Realität sieht häufig anders aus.
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Quelle: Welttierschutzgesellschaft e.V., Bild: Mechthild Knösel, thinkstock- Astrid860, Valentyn Volkov, kzenon, Text: Ronja Kieffer