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Energiewende und Offshore-Windkraftanlagen: Bundesregierung auf falschem Weg

Experten sind sich einig: Der Fokus der Bundesregierung auf Offshore-Windkraftanlagen ist falsch und in Deutschland zu teuer. Nicht so wie bei diesem Projekt der RWE Innogy in Großbritannien. Windkraft an Land im Mix mit Solarenergie sei die bessere und billigere Lösung. (c) Thinkstockphotos

Studie zur Energiewende

Warum die Regierung bei der Energiewende in falsche Richtung fährt

Soeben gab die Solarwirtschaft bekannt, dass 2012 ein Rekordjahr bei der Erzeugung von Solarstrom war. 19 Millionen Tonnen CO2 konnten dank Sonnenenergie alleine 2012 eingespart werden. Ergänzt mit Onshore-Windkraftanlagen, da sind sich Experten einig, wird die Energiewende deutlich günstiger als mit teuren Offshore-Anlagen. Dass Altmaier auf der falschen Fährte ist, zeigt auch eine aktuelle Studie.

„Solarwärme und Photovoltaik vermeiden in Deutschland jedes Jahr CO2-Ausstoß von rund 9 Millionen Mittelklasse-PKWs“, heißt es in einer Meldung des Bundesverbandes für Solarwirtschaft. Dies hat die Vereinigung ausgerechnet, die betont, dass alleine 2012 die drei Millionen Betreiber einer Solaranlage ihren Klimaschutzbeitrag um 40 Prozent erhöht haben. „Strom und Wärme aus der Sonne leisten damit nicht nur einen unverzichtbaren Beitrag zu einer sicheren Energieversorgung in Deutschland, sie entlasten auch maßgeblich unsere Umwelt“, erklärt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft, kurz BSW-Solar.

In Kombination mit der Onshore-Windkraft ist die Fokussierung auf diese beiden Erneuerbaren Energieerzeuger zudem billiger. 2 Milliarden Euro pro Jahr könnte das verstärkte Setzen aufOnshore-Windkraft und Solar einsparen; bis zum Erreichen der von der Bundesregierung bis zum Jahre 2023 gesteckten Ausbauziele. Das ergibt eine aktuelle Studie der Denkfabrik Agora Energiewende. Diese finanziellen Vorteile basieren insbesondere auf der verbrauchsnahen Energieerzeugung. Denn der beste Standort – bei der Windenergie die Offshore-Anlagen -, so die Studie von Agora, sei nicht immer der wirtschaftlichste. Denn die hohen Kosten für Installation und Wartung schlucken in aller Regel den höheren Ertrag an Windenergie.

Offshore-Windparks: Zu hohe Installations- und Wartungskosten

Dass die Kosten für Offshore-Windparks wie etwa der 35 Kilometer vor der Küste von Helgoland von RWE installierte Windpark ungleich höher liegen, liegt auf der Hand. Zumal in Deutschland hohe Auflagen für deren Errichtung herrschen. Sie sollen zum Beispiel vom Land und den friesischen Inseln nicht sichtbar sein. Im Gegensatz dazu können Offshore-Windanlagen in Ländern wie Großbritannien, Dänemark oder China mit eine gewissen Rentabilität errichtet werden, wodurch sie in diesen Ländern rentabler Strom produzieren. In Deutschland wären allenfalls küstennahe Offshore-Anlagen derzeit rentabel, doch alleine das Weltnaturerbe Wattenmeer macht dies in der Nordsee unmöglich, die Auflage der ‚Unsichtbarkeit‘ ebenfalls für die Ostsee. Bei Offshore-Windparks können zudem nicht einfach Errichtungs- und Servicefahrzeuge direkt vor Ort ihre Arbeit verrichten. Spezielle Schiffe sind nötig, Hubschrauber und das Wetter muss stimmen.

„Das Hauptargument gegen Offshore-Windenergie sind tatsächlich die hohen Installations- und Wartungskosten und damit die hohen Vergütungssätze, die erforderlich sind, um diese Anlagen wirtschaftlich betreiben zu können. Außerdem ist die Netzanbindung der Offshore-Parks mit hohen Kosten verbunden und auch auf dem Festland muss das Stromnetz verstärkt ausgebaut werden, wenn der Offshore-Ausbau wie geplant vonstatten geht“, sagt Nils -Sönnick Schnoor, Referent Erneuerbare Energien beim Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Agora hat übrigens errechnet, dass bei dem Ausbau der Onshore-Windkraftanlagen die Stromausbeute gleich groß bleibt. Bei wesentlich geringeren Kosten.

Energiewende und Offshore-Windkraftanlagen: Bundesregierung auf falschem Weg

Verbrauchsnahe Installation von Onshore-Windkraftanlagen in Kombination mit Solarenergie kommt bei der Energiewende günstiger, als auf Offshore-Windkraft zu setzen. (c) Thinkstockphotos

Die Bundesregierung will bis 2020 Windkraftanlagen Offshore stehen haben, die insgesamt 10.000 Megawatt (10 Gigawatt) Strom produzieren, bis 2030 sollen sogar 25.000 Megawatt vom Meer kommen. Fachleute sehen dieses Ziel schon längst als unerreichbar an, zumal mehr und mehr Projekte derzeit auf Eis liegen, auch wegen der fehlenden Investoren. Allen voran vorsichtig gewordene Banken. „Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert keinen sofortigen Stopp der Offshore-Windenergie, sondern lediglich ein geringeres Ausbautempo bzw. -ziel. Ein Ausbau auf 5 GW installierte Leistung bis zum Jahr 2022 (statt auf 14 GW wie bisher geplant) ist ausreichend. Die Energiewende lässt sich alleine mit Solar- und Windenergie an Land durchführen. Dadurch ließen sich jährlich ca. 2 bis 3 Milliarden Euro einsparen.“

Weniger Offshore-Windkraft: Zwei effektive Szenarien

Das Ergebnis der Agora-Studie zeigt detailliert zwei unterschiedliche, sehr realistische Ausbaupfade bei Wind- und Solaranlagen in Deutschland: einerseits orientiert an den besten Standorten (Windkraft vor allem in Norddeutschland, Photovoltaik vor allem im Süden) und andererseits an den Verbrauchszentren. Das Ergebnis von Agora ist, dass beide Wege für das Gesamtstromsystem in etwa zu den gleichen Kosten führen. Zwar müssen im Szenario „verbrauchsnaher Ausbau“ insgesamt etwas mehr Wind- und Solaranlagen gebaut werden. Da diese aber zu unterschiedlichen Zeiten Strom produzieren und näher am Verbrauch ins Netz einspeisen, entlasten sie das Stromsystem und müssen deutlich seltener gedrosselt werden als die Anlagen im Szenario „bester Standort“, also Offshore. Nicht zu vergessen die stetig diskutierten Nord-Süd-Stromtrassen.

Offshore hinkt, Treibhausgasemissionen erstmals wieder gestiegen

In Ermangelung der ausreichenden Menge an Erneuerbaren Energieträgern werden mehr und mehr fossile Energieträger eingesetzt, um Strom und Wärme zu erzeugen, wodurch nach Angaben des Umweltbundesamtes im vergangenen Jahr die Treibhausgasemissionen wieder anstiegen. „Die Regeln für den Energie- und Emissionshandel müssen schnell reformiert werden. Der wachsende Umweltnutzen Erneuerbarer Energien darf nicht dadurch konterkariert werden, dass der verbleibende Restenergiebedarf immer schmutziger gedeckt wird. Stattdessen müssen die Anreize für Energieeffizienz und klimafreundliche Energieträger deutlich erhöht und CO2-Schleudern verteuert werden“, sagt Körnig vom BSW-Solar.

Umweltexperten sind sich einig, dass die Preise für Strom aus Braun- und Steinkohle deutlich höher liegen müssten, wenn sie die Folgekosten für Umwelt und Gesundheit mit abbilden würden, erklärt Körnig. Unter anderem durch den Einbruch der Preise international gehandelter CO2-Zertifikate seien die Kosten für Kohlestrom in letzter Zeit hingegen deutlich gesunken. Dies hat die Nutzung von Kohlestrom attraktiver gemacht und den Ausstoß an CO2 erhöht. 

Energiewende und Offshore-Windkraftanlagen: Bundesregierung auf falschem Weg

Experten sagen nicht erst seit dem Rekordjahr 2012, dass der Solarenergie die Zukunft gehört. (c) Solarwirtschaft

Fracking keine Lösung

Körnig lehnt zudem das riskante wie und umstrittene Fracking-Verfahren zur Erdgas- und Ölförderung ab. Dies sei mit der mit der Energiewende in keinster Weise zu vereinbaren. „Statt die letzten Tropfen Öl und Gas aus der Erde zu pressen, muss die Energiewende endlich auch im Wärmesektor konsequent vorangetrieben werden. Ernst gemeinter Klimaschutz muss dafür sorgen, dass kohlenstoffhaltige Energieträger in unserer Erde bleiben und nicht in die Atmosphäre entweichen können“, so Körnig. Während Erneuerbare Energien inzwischen rund ein Viertel des deutschen Strombedarfs decken, stagniert ihr Anteil an der Deckung des Wärmebedarfs bei gerade einmal zehn Prozent. Dabei sei das Solarenergie-Potenzial enorm.

Solarenergie: Hohes, noch nicht genutztes Potential

Das Solarenergie-Potenzial in Deutschland ist enorm. Etwa drei von vier der hierzulande geeigneten Dächer seien laut Körnig bislang noch ungenutzt. 50 Prozent des Endenergiebedarfs und etwa ein Drittel der CO2-Emissionen in Deutschland entfallen dagegen heute noch allein auf den Wärmemarkt. Denn nach wie vor heizen 80 Prozent aller Deutschen noch immer mit Öl und Gas. Rund zwei Drittel der Heizungsanlagen im Gebäudebestand sind nicht auf dem Stand der Technik. „Wer das Klima schonen und sich langfristig von steigenden Energiekosten unabhängiger machen möchte, setzt jetzt auf Solarenergie“, rät Körnig dem Privathaushalt.  Zumal die KfW-Förderbank kürzlich ein attraktives Finanzierungsmodell für  Solarwärme aufgelegt hat.

Ergänzend fügt Rainer Baake, Direktor der Denkfabrik Agora Energiewende, die von der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation getragen wird, hinzu: „Die Politik hat einen sehr großen Handlungsspielraum, wenn es um die künftige regionale Verteilung des Zubaus von Erneuerbaren Energien geht“ „Das zeigt diese Arbeit erstmals mit beispielloser Präzision.“

Solarspeichersysteme: Stiefmütterlich betrachtete Alternative im Erneuerbaren Energie-Mix

Erst kürzlich veröffentlichte das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme eine Studie, deren Ergebnis dezentralen Photovoltaik-Batteriesystemen ein gutes Zeugnis ausstellt. Insbesondere im Hinblick auf viel diskutierte Energiespitzen durch die Einspeisung alternativer Energien und der damit verbundenen Gefahr eines Netzkollaps seien die solaren Speichersysteme eine effektive Ergänzung im System der Erneuerbaren Energien-Mix.

Die Politik müsste ganz offensichtlich nur nutzen was vorhanden ist und auf ein anderes Pferd im Wettrennen um die besten Erneuerbaren-Energiequellen setzen.

Wer sich über Solarenergie informieren möchte, kann dies bei der bundesweit stattfindenden Woche der Sonne in der vom 26. April – 5. Mai. Unzählige Fachbetriebe öffnen hierbei ihre Tore und viele Veranstaltungen laden ein, sich über das Thema Solarenergie kostenlos zu informieren. Veranstaltungen vor Ort finden Sie in deren Veranstaltungskalender.

www.agora-energiewende.de; www.solarwirtschaft.de, Verbraucherzentrale Bundesverband e. V., Bundesregierung.de, www.ise.fraunhofer.de, Text: Jürgen Rösemeier