Die Revolution beginnt mit einem Segelschiff
Segel- statt Containerschiff – nur so ist eine nachhaltige Schifffahrt möglich. Ein internationales Team hat in den letzten Jahren hart dafür gearbeitet, den Handel unter Segeln wiederzubeleben. Jetzt sticht der restaurierte Schoner endlich in See.
Die Schifffahrt ist schon seit langer Zeit Teil des Lebens von Cornelius Bockermann. Er wuchs in Bremen auf, studierte Nautik und Schifffahrtstechnik, wurde Kapitän und gründete seine eigene Marine-Vertragsfirma. Die ganze Zeit über machten ihm die Umweltschäden zu schaffen, die entstehen, wenn Firmen ihre Waren auf dem Seeweg transportieren. Abgesehen von der Verschmutzung der Meere sind vor allem die Unmengen an schädlichem CO2 gefährlich, die ein Containerschiff ausstößt: Die internationale Schifffahrt produziert jährlich mehr als eine Milliarde Tonnen Kohlenstoffdioxid, das sind fünf Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes.
Eine nachhaltige Lieferkette über das Meer
Irgendwann war es für Bockermann an der Zeit zu handeln, um die Lücke zwischen Handel und Umweltschutz zu schließen. Zusammen mit einem Team aus Ingenieuren, Biologen und Nautikern und unterstützt von mehr als 130 Freiwilligen aus 25 Ländern stellte der Kapitän das Projekt Timbercoast – Cargo Under Sail auf die Beine. Das Ziel der Truppe ist es, nachhaltige Hersteller mit verantwortungsbewussten Konsumenten zu verbinden, indem sie das fehlende Stück der Lieferkette nachhaltig und moralisch vertretbar ergänzen.
Zu diesem Zweck haben die Timbercoast-Akteure nicht etwa eine völlig neue Art der Fortbewegung auf dem Meer erfunden, sondern greifen auf bewährte Methoden zurück, die mit der Zeit weiterentwickelt und verbessert worden sind. Die Rede ist vom Handel unter Segeln. Bis zum 19. Jahrhundert waren Segelschiffe die wichtigsten Verkehrsmittel für den Personen- und Warentransport, bevor sie durch Dampf- und Motorschiffe abgelöst wurden.
Umweltschutz, Ausbildung und Ethik
Bockermann und sein Team nutzen ein altes Segelschiff zum Transport und wollen nach und nach eine kontinuierliche Handelsroute im Süd-Pazifik aufbauen. Auf Dauer soll so eine gemeinschaftliche und praktikable Alternative zur weltweiten Abhängigkeit von mehr als 90.000 Containerschiffen geschaffen werden, die derzeit die Weltmeere befahren - und leider auch massiv verschmutzen. Den Anfang macht die Avontuur, ein fast 100 Jahre alter Schoner aus den Niederlanden, den die Timbercoast-Crew auf der Elsflether Werft in Niedersachsen restauriert und mit dem sie schon bald zum ersten Mal von Deutschland nach Australien segeln wird.
Abgesehen vom Umweltschutz stehen noch zwei weitere Kernwerte im Mittelpunkt der Projekt-Philosophie. So wird auf der Avontuur eine Kultur der Ausbildung gepflegt. Interessierte können sich für einige Wochen oder auch Monate als Trainees bewerben, ihre individuellen Fähigkeiten einbringen und jede Menge über die nachhaltige Schifffahrt lernen. Wer Feuer fängt, dem stehen alle Möglichkeiten für eine Karriere in der nachhaltigen Schifffahrtsindustrie offen. Der dritte Punkt ist eine ethische Arbeitsweise. Das bedeutet, dass eine integrative und bedeutungsvolle Arbeitsumgebung geschaffen wird, in der ausbeuterische Unternehmensstrategien keinen Platz haben.
Pionierprojekt für die nachhaltige Schifffahrt
Um ihre Reise realisieren zu können, ist die Timbercoast-Crew auf Hilfe in Form von Spenden und Sponsoring angewiesen und wird bereits von zahlreichen Privatpersonen und Unternehmen unterstützt. So stellen die Stadtbäckerei Oldenburg den gesamten Brotbedarf und die Frische Kiste die komplette Menge an Obst und Gemüse für den ersten Teil der Reise auf die Kanaren zur Verfügung.
Nach jahrelanger Planung und Restaurierung ist die Avontuur jetzt fast bereit, ihre erste große Fahrt anzutreten. Im Rahmen der Elsflether Seefahrtstage wurde der Schoner mitsamt seiner vom lokalen Künstler Klaus Hartmann gestalteten und gesponserten Gallionsfigur Ende Mai der Öffentlichkeit vorgestellt und durfte einen ersten Schlag auf der Weser machen. Jetzt wird es ernst: Wenn alles gut läuft und das Wetter mitspielt, wird die Avontuur am 26. Juni in See stechen und zunächst einmal verschiedene europäische Häfen anlaufen, bevor es im Herbst über den Atlantik geht. Die vielen Aufträge, die das Team bereits erhalten hat, zeigen, dass das Timbercoast-Projekt tatsächlich eine Lücke schließt. Vor allem Öko- und Fairtrade-Unternehmen sind begeistert und zeigen großes Interesse daran, ihren ökologischen Fußabdruck noch weiter zu verringern.
Die Begeisterung der Crew für ihr Projekt ist spürbar und sie wird die Avontuur über den Ozean bringen – als wichtiges Pionierprojekt, das den Anfang macht und den Weg ebnet für einen nachhaltigen Warentransport auf den Weltmeeren.
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Quellen: Timbercoast Pty. Ltd., Bild: Timbercoast Pty. Ltd., Text: Ronja Kieffer
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