Die schottlischen Highlands zu erleben ist eine Begegnung mit der Ursprünglichkeit und der Einsamkeit. Foto: Jürgen Rösemeier
Natur pur im Land der Schafe, Kilts und Dudelsäcke
Die Adler kreisen, Delfine springen zum Greifen nah und die Hirsche schauen den verdutzten Wanderer an. Willkommen in Schottland. Das raue Land im Norden Großbritanniens ist ein Mekka für Naturliebhaber, für Outdoor-Fans und einfach jeden, der fernab des Großstadtlärms mal abschalten möchte. Obwohl selbst der Schotte sagt, Du kannst vier Jahreszeiten an einem Tag erleben, so geht schlechtes Wetter so schnell wie es kam und gibt den Blick auf eine einzigartige Landschaft preis. Ein Reisebericht.
Es gibt viel zu erleben in Schottland, ein Land voller Geschichte, stolzer Menschen und einer atemberaubenden Schönheit. „Nur wenn das Wetter nicht wäre“, denken sicherlich manche und nicht nur jene, die einen gepflegten Strandurlaub jenem in einem der schroffsten Landesteile Europas vorziehen. Doch, das Wetter kann erstaunlich gut sein, dank der maritimen Lage – kein Ort Schottlands ist weiter als 150 Kilometer vom Meer entfernt – und aufgrund des Golfstroms. Gerade wenn die Sonne scheint und alles in ein freundliches Licht taucht, erstrahlt die herbe Schöne in vollem Glanz. Aber auch wenn die Wolken mal wieder tief hängen ist die Schönheit Schottlands nicht zu leugnen. Denn dann kommt etwas Mystisches auf und die vielen Geschichten von Trollen und Feen scheinen wahr zu sein.
Schottland: Immer eine Reise wert
Schottland ist vielseitig. Es bietet eine reiche Kultur und viel Sehenswertes vom kleinen Fischerdorf, das eine Zeitreise hinter sich zu haben scheint, dem alt-ehrwürdigen Castle in dem Queen-Mom aufwuchs, bis zum Landschaftspark, der mit Palmen und Rhododenron-Wäldern zum Staunen einlädt. Selbstverständlich gehört auch der Besuch einer Distillerie, um die Akribie der Herstellung des auf gälisch ‚Lebenswasser’ genannten Whiskys, der die Schotten so berühmt machte.
Schottland für Outdoor-, Natur- und Tierfans
Viel zu erleben gilt es für Fans des Wanderns, Mountainbikens, Segelns oder anderer Freiluftbetätigungen. Denn der wahre Schatz des Landes ist die Natur. Sie scheint sich nahezu hinter jedem sich im Wind duckenden, flechtenbewachsenen Baum oder Strauch ein neues Gewand anzuziehen, um wieder und wieder völlig neue Landschaftseindrücke zu bieten.
Die Natur Schottlands ist rau und ungestüm. Foto: Jürgen Rösemeier
Die flachen Lowlands – sie machen nur ein Zehntel Schottlands aus, beherbergen aber drei Viertel der Schotten - und der äußerste Osten nördlich der drittgrößten Stadt Schottlands, Aberdeen ist eher landwirtschaftlich geprägt. Getreidefelder wechseln sich hier ab mit einer nachhaltigen Tierhaltung. Nachhaltig deshalb, weil sie oftmals tiergerecht ist. Und schon so mancher Tourist hat sich gewundert, dass eine riesige Fläche von freilebenden Schweinen durchwühlt wird und jede ihr eigenes Haus hat oder in einer kleinen WG wohnt.
Das Herz Schottlands, die nördlichen und westlichen Regionen sind dagegen wild zerklüftet und meist von Heide geprägt, die in der zweiten Sommerhälfte das hügelige Land in ein rosafarbenes Meer eintaucht. Die Ausnahme: Die vielen unzähligen Tümpel und Seen, die sich über Jahrtausende in der oft moorigen Landschaft gebildet haben. Sie erscheinen, je nach Licht, in tiefdunklem Blau oder fast schwarz, ein Umstand, der dem hohen Torfgehalt der Gewässer geschuldet ist. Übrigens: Auch Wintersport ist hier durchaus möglich und bei den Schotten beliebt. In den Bergen kann es sogar so stark schneien, dass sie wie die Alpenpässe mittels Schranken gesperrt werden müssen.
Einn Sonnenuntergang über dem Meer mit Blick auf die Hebriden-Inseln im Westen des Landes. Hier: Auf der Überfahrt zur Insel Mull. Foto: Jürgen Rösemeier
Das Land hat ein erstaunlich gut ausgebautes Wanderwegenetz, denn der Staat hat erkannt, dass hierin ein großes, touristisches Potenzial liegt. Gelich, ob ein leichter Spaziergang eine Tagestour oder mehrtägiges Trekking, für jeden ist etwas geboten. Und die Naturerlebnisse sind so einzigartig, dass sie kaum beschrieben werden können. Zudem heißt es ‚Einsamkeit pur und nichts als Natur‘ auf den meisten Trails. Zudem ist das Geburtsland des Golfes ein Paradies für jeden Fan dieser Sportart. Es scheint, als ob jeder noch so kleine Ort einen entsprechenden Platz besitzt auf dem es äußerst ungezwungen zugeht und durch den gerne auch mal eine Hauptverkehrsstraße führt.
Und dann die Küste. 3.540 Kilometer umgeben das kleine Land und jeder Abschnitt ist anders. Meistens faszinierend schön, absolut menschenleer und, wäre man nicht im eher kühlen Schottland, so wähnte man sich irgendwo in der Karibik, ob der satten Türkisfärbung des Meeres, insbesondere im Westen. Doch zum Baden laden sie nicht ein, die feinsandigen Strände, denn die Wassertemperaturen sind auch im Sommer gerne mal bei 15 Grad. Was schottische Kinder aber selten von einem Bad im kühlen Nass abhält, selbst wenn ein Neoprenanzug herhalten muss, bei den Abgehärteten mit kurzem Beinkleid.
Zum Greifen nah: Mit etwas Glück kann man Delfine beobachten, sogar von Land aus. Foto: Jürgen Rösemeier
Doch, zum Seele baumeln lassen oder einen Strandspaziergang laden sie alle ein. Und, mit ein bisschen Glück, entdeckt der sich entspannende Großstadtmensch eine glupschäugige Robbe, die neugierig aus dem Wasser schaut, einen Fischadler oder einen der faszinierendsten Meeresbewohner, einen Delfin. Letztere sind übrigens, zusammen mit Walen, bei Bootsausflügen insbesondere an der Westküste zu entdecken. Aber auch landgebunden gibt es zahlreiche ‚Spotting-Places‘, die von engagierten Freiwilligen der Wal- und Delfingesellschaft, dem WDCS, bestens betreut werden. Da heißt es: Fernglas nicht vergessen und Geduld mitbringen.
Nicht nur Land, sondern auch Leute und Küche überzeugen
Großbritannien, die Heimat von Jamie Oliver, ist verrufen, eine schlechte Küche zu besitzen. Gut, Spaghetti Bolognese sind im Supermarkt ein jahrzehntealter Klassiker. Doch, insbesondere die schottische Küche ist so vielfältig und variantenreich, dass der vorurteilsbehaftete Tourist ins Staunen kommt. Das Geheimnis ist die Frische und Qualität vieler Produkte. Täglich gefangener Fisch und Meeresfrüchte, das Vieh von saftigen Weiden und frisches Gemüse direkt aus der Region.
Die urigen Highland-Cattles sehen aus, als ob sie zum Frisör müssten, damit sie einen Durchblick bekommen. Foto: Jürgen Rösemeier
Und ein weiterer Schatz des Landes sind die Menschen. Zurückhaltend auf den ersten Blick, so ist der Schotte doch von einer Herzlichkeit geprägt, die anrührend ist. Immer ein freundliches Wort, immer ein kleiner Plausch, bei dem auch der weniger Sprachbegabte schnell die Hemmungen verliert. Selbst der Tourist, der auf der einsamsten Straße eine Böschung hinunter fährt, hat innerhalb kürzester Zeit die fleißigsten Helfer. Denn: JEDER hält an. Selbst der ältere Herr mit Stock vom nahegelegenen Bauernhof ist sich nicht zu schade, ein Seil für Rettungsmaßnahmen herbeizutragen und sagt „alles halb so wild, das bekommen wir schon hin“. Und er hat Recht.
Kulturtipp: Die einmaligen Installationen eines Künstler in den schottischen Wäldern.
Text: Jürgen Rösemeier