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Es könnte sein, dass wir bald für unseren Kaffee Pfand bezahlen müssen ? zumindest wenn er aus der Kapsel kommt.
Kapsel-Wahnsinn

Kommt bald der Kapsel-Pfand?

Es könnte sein, dass wir bald für unseren Kaffee Pfand bezahlen müssen – zumindest wenn er aus der Kapsel kommt. Vertreter der Kaffeeindustrie sind dagegen, aber die Mehrheit der Deutschen kann sich ein Kapselpfand vorstellen. Ist dann Schluss mit dem Müll?

Die Zahlen sind beunruhigend und sie sind weithin bekannt. Seit Jahren berichten Medien über die wachsenden Müllberge aus gebrauchten Kaffeekapseln, die Problematik der Entsorgung und die Folgen für die Umwelt: Allein im Jahr 2014 haben rund 3 Milliarden Kapseln für etwa 5000 Tonnen Aluminium- und Plastikmüll gesorgt. Und seit Jahren passiert: nichts. Überall auf der Welt trinken die Menschen weiterhin überteuerten Kaffee aus Aluminium- oder Kunststoffkapseln und scheren sich nicht um die Konsequenzen. Oder?

Kaffee-Pfand kommt für 53 Prozent der Deutschen infrage

Einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge sind sich zumindest die deutschen Verbraucher offenbar sehr wohl im Klaren darüber, was der anhaltende Boom des Kapselkaffees für die Umwelt bedeutet: Mehr als die Hälfte der Befragten befürwortet ein Pfandsystem für Kaffeekapseln. Das ist erstmal ein gutes Zeichen. Konkrete Pläne gibt es allerdings noch nicht.

Der Deutsche Kaffeeverband ist sowieso dagegen und lehnt ein Pfand- oder Rücknahmesystem ab. Zur Begründung verweist  die Interessenvertretung der namhaften Branchenmitglieder auf das bereits bestehende Duale System. Tatsächlich sind einige Hersteller als Lizenznehmer registriert, ihre Kapseln können mitsamt Inhalt über den Gelben Sack oder die Gelbe Tonne entsorgt werden, ohne dass vorher die Kaffeereste entfernt werden müssen. Doch die Argumentation hinkt, viele Fragen bleiben offen: Wissen die Verbraucher überhaupt, auf welche Art und Weise sie ihre gebrauchten Kapseln entsorgen sollten? Was geschieht mit den Kapseln von Herstellern, die sich nicht am Dualen System beteiligen? Welche Unterschiede gibt es bei Aluminium- und Kunststoffkapseln? Was geschieht mit nicht sortenreinen Kapseln?

Kaffee-Pfand kommt für 53 Prozent der Deutschen infrage

Extrem umweltschädliche Kapsel-Produktion

Hinzu kommt, dass die Kapseln nicht nur wegen des hohen Müllaufkommens umweltschädlich sind. Auch ihre Produktion ist aufgrund des enormen Ressourcen- und Rohstoffverbrauchs bedenklich. Die meisten Kapseln bestehen entweder aus Kunststoff oder, wie beispielsweise beim Marktführer Nespresso, aus Aluminium. Neualuminium wird aus dem Rohstoff Bauxit gewonnen, der hauptsächlich im Tropengürtel vorkommt. Für den Bauxit-Abbau werden zunächst einmal Regenwälder gerodet. Bei der Erzeugung der für die Aluminium-Herstellung nötigen Energie werden dann mehr als acht Kilogramm CO2 freigesetzt. Und damit nicht genug: Etwa die Hälfte des Ausgangsprodukt bleibt als unbrauchbarer und giftiger Rotschlamm zurück, der noch dazu häufig in Fluss ausgeleitet wird und diese vergiftet.

Zwar bestehen die meisten Kapseln zu einem Großteil aus weniger umweltschädlichem und prinzipiell gut recycelbarem Altaluminium, doch bei der Kapsel-Produktion kommt auch Neualuminium zum Einsatz, etwa für die Verschlussfolien. Und angesichts der Unmengen an verkauften Kaffeekapseln (mehrere Milliarden im Jahr, Tendenz steigend) ist auch diese vergleichsweise geringe Menge ökologisch nicht vertretbar.

Scheinheilige Argumente bei den Kapsel-Konzernen

Die Konzerne, die hinter den diversen Kapselmarken stehen, kümmert das herzlich wenig. Sie geben zwar vor, sich für Nachhaltigkeit und Umweltschutz einzusetzen, doch ihre Argumentation ist mehr als scheinheilig. So verweist der langjährige Beherrscher des Kapselmarkts Nestlé auf der Unternehmenshomepage unter dem Titel „Nestlé stellt sich der Kaffeekapseldebatte“ auf den „wertvollen Beitrag“, den Kaffeekapseln leisten, um „die Verschwendung von Nahrungsmitteln zu minimieren“. Weil es nämlich immer mehr kleine Haushalte gebe, steige die Nachfrage nach kleinen Portionsgrößen, wie sie die Nespresso-Kapseln liefern.

Eine Frechheit! Zum einen kann es keineswegs das Ziel sein, dass die Minimierung der Lebensmittelverschwendung mit einer massiven Zunahme an Verpackungsmüll einhergeht. Zum anderen ist Kaffee ein Lebensmittel, das bei der richtigen Aufbewahrung relativ lange haltbar ist. Ungeöffnet bleiben ganze wie gemahlene Bohnen bis zu zwei Jahre lang frisch – meist sogar weit über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus. Geöffnete Packungen sollten innerhalb von 14 Tagen verbraucht werden, im Gefrierschrank halten sie sich aber drei- bis viermal so lange. Mal ganz abgesehen davon, dass es Kaffeebohnen oder –pulver inzwischen bereits auch in vergleichsweise kleinen Portionsgrößen zu kaufen gibt…

DUH: Kaffeekapseln sind das Synonym der Wegwerfgesellschaft

Zurück zum Kaffee-Pfand. Sollte der wirklich eingeführt werden, ist es eine begrüßenswerte Maßnahme, da auch kleine Schritte hilfreich sein können. Den Kapsel-Trend wird er allerdings nicht stoppen können. Davon gehen auch Marktpsychologen aus. Ihnen zufolge ist vielen Kunden die Müll-Problematik nämlich durchaus bewusst, doch der eigene Vorteil überwiegt und sie greifen weiterhin zum Kapselkaffee.

Alternativen wie die kompostierbaren Kapseln eines Bremer Start-Ups, die seit 2015 verkauft werden, haben sich bisher nicht etabliert und bedeuten (noch) keine ernst zu nehmende Konkurrenz für Nespresso, Cafissimo und Co. Und auch sie befeuern den Markt, anstatt das Grundproblem anzugehen: Dass es nämlich sowohl ökologisch als auch finanziell völlig irrsinnig ist, Kaffee aus Kapseln zu konsumieren. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bezeichnet Kaffeekapseln treffend als Synonym der Wegwerfgesellschaft.

Das hat auch der grüne Umweltsenator von Hamburg Jens Kerstan erkannt und verboten, für die Hamburger Behörden Kapsel-Automaten anzuschaffen. Das mediale Echo war auch im Ausland groß und es bleibt zu hoffen, dass weitere Aktionen wie diese folgen, um auf den Kapsel-Wahnsinn und dessen katastrophale Folgen für die Umwelt aufmerksam zu machen.

Das sind die Kapsel-MarktführerDie Kaffekapsel-Marktführer Nestlé, Aldi ;mondelez und Tschibo

Bild: depositphotos/photoholic/dstaerk, Text: Ronja Kieffer