Meditation & Achtsamkeit: 4,5 Tage ohne Sprechen – ein Selbstexperiment
Ich beschäftige mich schon länger mit Grundlagen der Achtsamkeitspraxis, hatte aber von Meditation bis vor kurzem nur eine vage Vorstellung. Als ich auf einen Kurs stieß, der eine Einführung in die Einsichtsmeditation und Lehren der Achtsamkeitspraxis versprach, wurde ich neugierig und meldete mich an.
Den Geist zusammenhalten
Mich erwartete ein liebevoll eingerichtetes Haus in einem sehr ländlichen Umfeld. Gleich nach der dem Abendessen folgenden Vorstellungsrunde begann das Schweigen. Am befremdlichsten war es, auf die vielen kleinen Höflichkeitsfloskeln zu verzichten: Sich im Mehrbettzimmer nicht eine gute Nacht zu wünschen oder den anderen nichts von seiner Schokolade anzubieten. Dadurch, dass wir jedoch alle in derselben Situation waren, gewöhnte man sich recht schnell daran. Das wirklich Anstrengende war, dass dem Geist das so befreiende Ventil genommen wurde. Aber das war ja auch Sinn der Sache: Sich nur mit seinem Inneren beschäftigen, äußeren Einflüssen und Gegebenheiten mit höchster Achtsamkeit begegnen.
Eingeschlafene Beine und mentales Abdriften
Jeder Tag folgte dem selben Rhythmus. Ein Gong gab dabei den Takt an. Um 6 Uhr ertönte der erste, Zeit zum Aufstehen. Eine halbe Stunde später begann das Morgenritual, gefolgt von einer 45-minütigen Sitzmeditation und Körperübungen. Erst danach gab es das reichhaltige Frühstück. Jeder Tag bestand aus sechs Sitzmediationen, zwei Gehmeditationen, einer Anleitung, einem Vortrag, einer Entspannungsübung zwei Einheiten Körperübungen und drei nahrhaften vegetarischen Mahlzeiten. Obwohl es unzählige Sitzkissen, Decken und Höckerchen gab, stellte das lange stille Sitzen die größte Herausforderung dar. Es gab so viele Momente, in denen ich gerne eine Einheit ausgelassen hätte, weil ich erschöpft war. In denen ich meine schon wieder im Schneidersitz eingeschlafenen Beine am liebsten wach geklopft und meinen permanent abdriftenden Gedanken gerne ans andere Ende der Welt gefolgt wäre. Ich habe mich unter Druck gesetzt an Nichts zu denken und mir so viel Mühe gegeben, jede Bewegung – auch zwischen den offiziellen Einheiten – möglichst achtsam auszuführen, dass ich unserem Lehrer versehentlich den Weg abschnitt, als ich für 30 Sekunden in meiner gewohnten Geschwindigkeit lief. Nach zweieinhalb Tagen brauchte ich eine Auszeit.
Die Erkenntnis kam erst im Nachhinein
Nach dem Kurs brauchte ich fast zwei Tage, um mich von der vermeintlichen Erholung zu erholen. Erst als ich zurück in den Alltag kam, merkte ich, wie viel sich in mir verändert hatte: Gespräche mit Freunden und Hintergrundmusik waren mir plötzlich zu viel, ich wollte mich lieber auf eine Sache fokussieren. Kam ein negativer Gedanke in mir auf, der sich in schlechte Gefühle verwandeln wollte, nahm ich ihn wahr, akzeptierte ihn und beschloss, ihn zur Seite zu schieben. Natürlich haben diese viereinhalb Tage nicht mein Leben verändert, ich bin seitdem kein neuer Mensch. Aber ich habe durch den strikten Tagesablauf Disziplin gelernt und im Nachhinein viele kleine Erkenntnisse gewinnen können, die ich nun in meinen Alltag integrieren kann. Ich weiß, dass ich erst am Anfang einer langen Reise bin und noch sehr viel üben und lernen muss. Aber dieses kleine Retreat hat mir den Anstoß dazu gegeben, an meinem Leben zu arbeiten. Dem Alltag mit anderen Werkzeugen zu begegnen. Und wenn ich mich dabei ertappe in alte Verhaltensmuster abzudriften, denke ich an die vielen kleinen Techniken die ich gelernt habe, komme kurz zur Ruhe und mache mit neu gewonnener Kraft weiter.
Ein Erfahrungsbericht von Jana Lang, geschrieben von Jasmine Barendt.
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Quellen: Bilder: Depositphotos/luckybusiness, luminastock, Text: Jasmine Barendt
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